Eine 49 Jahre alte Harsefelderin nahm für ihren Freund Kredite über mehr als 200.000 Euro auf. Prozess wegen Betrugs endet aber mit Freispruch.

Buxtehude/Harsefeld. Edgar F. sitzt auf der Anklagebank neben seinem Verteidiger. Er blickt nach unten, stützt seinen Kopf mit den Händen ab. Vor wenigen Augenblicken hat das Amtsgericht Buxtehude den 46 Jahre alten Herforder freigesprochen. Er sei kein Betrüger, zumindest sei dies nicht nachweisbar. Trotzdem ist F. in diesem Augenblick weder zum Jubeln noch zum Lachen zumute. Er scheint zu wissen, was er getan hat. Wegen ihm habe sich eine 49 Jahre alte Harsefelderin um fast 250 000 Euro verschuldet. Moralisch sei er dafür voll verantwortlich, finden Staatsanwaltschaft und die Vorsitzende Richterin Schroer.

Die Tragödie begann Mitte Februar 2007. Die Harsefelderin Rita K. (Name von der Redaktion geändert) lernte Edgar F. über die Internetsinglebörse "friend-scout 24" kennen. Sie telefonierten miteinander, waren sich auf Anhieb sympathisch. Zwei Wochen später trafen sie sich zum ersten Mal auf einem Parkplatz in Sittensen. "Es war für uns beide Liebe auf den ersten Blick", sagt F. bei der Verhandlung.

Rita K. sagt, er habe sie mit seiner einfühlsamen Art und mit vielen Komplimenten um den Finger gewickelt. Sie sagt, er habe schon beim zweiten Treffen von einer Hochzeit gesprochen. Die Aussagen des Angeklagten und der Zeugin weichen in einigen Punkten voneinander ab. Fakt ist hingegen, Edgar F. war pleite und hoch verschuldet. Den Überblick über seine Finanzen hatte er verloren, seine Post öffnete er nicht mehr. Er überließ Rita K. seine gesamten Unterlagen zur Durchsicht. Edgar F. hatte Verbindlichkeiten bei mehr als 20 Kreditunternehmen und Bausparkassen.

Er war bereits zweimal verheiratet. Seine Schulden seien aufgrund seiner Scheidung sowie großer Verluste bei einem Hausverkauf entstanden. Rita K. sagt, er habe ihr damals erzählt, er hätte zwei Häuser gebaut, seine Ex-Frau habe nicht gezahlt. Warum Rita K. nicht misstrauisch geworden sei? "Er wirkte seriös, stellte sich als Opfer dar und sagte er habe unter seiner Frau gelitten", sagt die 49-Jährige. Sie selbst war schon lange geschieden. Sie habe sich nach einer Partnerschaft gesehnt. Sie zog ihre beiden Kinder allein groß und arbeitete Vollzeit. "Ich hatte gar keine Zeit, darüber nachzudenken", sagt K.

+++ Aus Liebe zum Betrüger geworden +++

Damals riet sie Edgar F. zu einer Privatinsolvenz. Doch er habe unter Tränen seine kranke Mutter ins Spiel gebracht. Er habe gesagt, dass im Falle einer Privatinsolvenz auch das Reihenhaus der Eltern, in dem die Mutter zuletzt alleine lebte, zwangsversteigert werden würde, weil er als Miteigentümer eingetragen sei. "Also wendete ich mich an seine Gläubiger und handelte Vergleiche aus", sagt K.

Um die Verbindlichkeiten abzulösen seien nunmehr rund 145 000 Euro erforderlich gewesen. "Sonst wären es mehr als 200 000 Euro gewesen", sagt die 49-Jährige und ergänzt: "Ich schlug dann vor, dass er eine Umschuldung machen sollte und zu diesem Zweck einen Kredit in entsprechender Höhe aufnehmen sollte." Doch er habe dann gesagt, er hätte einen negativen Schufa-Eintrag. Zwar hätte er die 49-Jährige nicht direkt gebeten, ein Darlehen aufzunehmen, aber immer wieder betont, dass es doch gut sei, seine finanziellen Sorgen zu lösen, wenn man jetzt eine Familie werden wolle.

Zuerst habe K. gezögert, doch dann habe F. gesagt, sie würde ihn gar nicht lieben. "Ich war aber in ihn verliebt und hatte das Gefühl, ihm beweisen zu müssen, dass ich ihn tatsächlich liebe."

Also nahm sie das Darlehen auf. F. zahlte die monatlichen Raten von mehr als 700 Euro. Doch im April 2011 stellte er die Zahlung ein. Dazwischen ist viel passiert. 2009 starb die Mutter des Angeklagten. Rita K. sagt, der Angeklagte habe ihr zugesichert, das Haus zu verkaufen, um seine Schulden zu bezahlen. Edgar F.: "Sie hat darauf gedrängt, ich hätte das Haus gern behalten und vermietet." Doch das Reihenhaus war hoch verschuldet, der Erlös niedrig. Rita K. nahm ein zweites Darlehen auf, über 60 000 Euro. Vor Gericht sagt sie aus, dass Edgar F. diesen Kredit bedienen wollte, wenn er wieder Geld hat. Er selbst sagte aus, darum habe sie sich allein kümmern wollen.

Wegen des negativen Schufa-Eintrags lief auch seine Handyrechnung auf ihren Namen, sie mietete eine Wohnung für ihn an und finanzierte ihm mehrere teure Autos. Vor Gericht sagt Edgar F. aus, dass die Harsefelderin wollte, dass er teure Autos fahre. "Sie hat immer großen wert auf die Außendarstellung gelegt." Rita K. hingegen sagt aus, dass er diese Autos haben wollte. Plötzlich sei Edgar F. immer seltener an den Wochenenden aus Nordrhein-Westfalen nach Harsefeld gekommen. Er hätte immer andere Ausreden gehabt. "Ich habe mich rar gemacht und sie angelogen", gibt F. zu.

Hintergrund sei jedoch die Tatsache gewesen, dass sein zehnjähriger Sohn, den Rita K. nie akzeptiert habe, Zeit mit ihm verbringen wollte. Weihnachten 2010 war die Beziehung zu Ende. Rita K. nahm Edgar F. nach einem Streit die Haustürschlüssel ab, er nahm seine Sachen und fuhr davon.

Zu diesem Zeitpunkt habe Rita K. schon längst den Verdacht gehabt, Edgar F. wollte sie um ihr Geld betrügen. Aber: "Ich bin ein geduldiger Mensch und war viel zu naiv. Ich dachte, ich hätte eine gute Menschenkenntnis", sagt die 49-Jährige heute. Dann stellte F. Zahlungen für das erste Darlehen ein, die 380 Euro für den zweiten Kredit hatte er nie gezahlt. Rita K. schaltete die Polizei ein, zeigte F. an wegen Heiratsschwindels und Betrugs.

Mittlerweile hat sie beim Landgericht Bielefeld einen zivilrechtlichen Titel gegen Edgar F. erwirkt, über 30 Jahre zur Gehaltspfändung. Es geht um 250 000 Euro. Doch vor ihr müssen noch zwei weitere Gläubiger bedient werden. Außerdem ist F. seit November 2011 wieder verheiratet. Aufgrund dieser Ehe reduziert sich das pfändbare Einkommen, weil F. unterhaltspflichtig ist. "Ich habe mich damit abgefunden, dass ich keinen Cent wiederbekomme", sagt K. Sie steht jetzt selbst vor einer Privatinsolvenz. Die 49-Jährige sei am Ende. Sie leide unter Schlaf- und Essstörungen, sei in ärztlicher Behandlung. Sie und ihre Angehörigen hatten auf eine harte Strafe gehofft.

Doch die Verhandlung endet mit einem Freispruch. In diesem Fall hätte laut Gericht ein Betrug vorgelegen, wenn F. Rita K. über seine Zahlungsfähigkeit getäuscht oder ihr mehr Sicherheiten vorgespielt hätte oder sie nie heiraten wollte. Doch Rita K. wusste, dass Edgar F. hoch verschuldet war, er habe keine zusätzlichen Sicherheiten erfunden und ob er sie vielleicht gar nicht heiraten wollte, "können wir ihm nicht so nachweisen, dass keine letzten Zweifel bleiben", sagt Richterin Schroer.

Zudem richtet sie deutliche Worte an F.: "Moralisch sehe ich sie voll in der Verantwortung."

Ähnlich sieht es Staatsanwalt Felix Schmidt und sagte bereits in seinem Abschlussplädoyer, dass strafrechtlich kein Betrug nachweisbar sei. Dennoch formulierte auch der Staatsanwalt klare Worte in Richtung Anklagebank. "Sie sind verantwortlich, sie haben ein Menschenleben zerstört." Rita K. hatte den Saal zu diesem Zeitpunkt schon verlassen.