Obwohl sein Konto nicht gedeckt war, buchte Mark M. Flüge und teure Reisen. Getrieben war er von der Angst, verlassen zu werden.

Neustadt. Kurztrips nach Wien, ein Flug nach Dubai, Reisen nach München und ein paar Tage New York. Ständig waren die beiden Männer gemeinsam auf Achse - sie sahen die Welt und ließen es sich gut gehen. Geld schien kein Problem zu sein, einer von ihnen saß ja gewissermaßen an der Quelle; Flüge zu buchen war für ihn als Mitarbeiter in der Touristikbranche sein Metier. Niemand ahnte, dass Mark M. sich immer mehr in einer Parallelwelt verzettelte. Es war der fast schon zwanghafte Drang des 27-Jährigen, seinem Lebenspartner immer wieder etwas Besonderes bieten zu wollen. Schicke Reisen, geborgtes Glück - bis das ganze Lügengebäude mit großem Getöse zusammenbrach.

Der Absturz vom paradiesischen Höhenflug könnte für Mark M. kaum tiefer sein. Knapp zwei Monate hat er im Untersuchungsgefängnis verbracht, nachdem er am Ende eines seiner vielen Kurztrips verhaftet worden war. Jetzt sitzt er vor dem Schöffengericht, sehr blass, sehr schmal und sehr verzagt, und muss sich wegen Betruges verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem vor, etliche Flüge gebucht zu haben, indem er jeweils Einzugsermächtigungen für das Lastschriftverfahren seines Kontos erteilte - obwohl er wusste, dass nicht ausreichend Deckung vorhanden war.

Sehr angespannt wirkt der Mann jetzt, die Hände wie ein artiger Schuljunge auf die Knie gestützt, den Rücken sehr gerade. Er braucht einen Moment, um sich einen Ruck zu geben für seine Schilderung. Er habe in der Vergangenheit "sehr viele schlechte Erfahrungen gemacht mit Menschen, von denen ich dachte, dass sie mir nahestehen", beginnt Mark M. dann. Er sei früher oft gehänselt worden. "Ich habe einiges zu erleiden gehabt. Deshalb habe ich auch große Verlustängste." Als er dann im vergangenen Frühsommer seinen Partner kennenlernte und etwa zur selben Zeit seinen Arbeitsplatz bei einem Touristikunternehmen verlor, habe er niemanden gehabt, "dem ich das anvertrauen konnte, erst recht nicht meinem Freund. Ich hatte Angst, dass er dann nicht bei mir bleibt. Ich fühlte mich genötigt, Leistungen zu erbringen."

Und was für Leistungen - mit den betrügerisch gebuchten Flügen entstand ein Schaden von rund 22 000 Euro. Er sei morgens aufgewacht mit dem Wissen, keinen Ausweg zu haben, sagt der Angeklagte. Im Spätsommer habe er behauptet, er habe den Job gewechselt. "Ich bin morgens aus dem Haus und abends zurück. Irgendwann lebt man in zwei Welten." Bis zu dem Tag, als alles aufgeflogen ist, habe niemand etwas von seinem Doppelleben gewusst. Er sei damals zu seiner Mutter gereist und habe ihr "ein bisschen anvertraut", sagt Mark M. Wenige Tage später habe er bei Familie und Freund vollständig reinen Tisch machen wollen. Doch das gelang ihm so nicht mehr. Auf dem Rückflug nach Hamburg wurde er am Flughafen verhaftet. "Ich dachte, jetzt ist alles vorbei, jetzt hast du niemanden mehr", erzählt der 27-Jährige. "Aber dann habe ich völlig überwältigt festgestellt, dass ich doch großen Rückhalt habe. Meine Familie und mein Partner stehen ganz fest hinter mir. Ich habe viel nachgedacht und weiß, dass ich solche Dinge nicht mehr nötig habe."

Doch der Amtsrichter ist nicht gänzlich überzeugt. Schon einmal, im vergangenen November, habe Mark M. wegen Betruges eine Bewährungsstrafe erhalten, erinnert der Richter den Angeklagten. "Warum hat das Urteil keine Wirkung erzielt? Bereits vier Tage später haben Sie die nächste Tat begangen." Er sei "so fixiert gewesen, mein Konstrukt zu erhalten", versucht Mark M. zu erklären.

Doch sein Partner kann das Umgarnen mit schicken Reisen nicht verstehen. "Er dachte, er müsste mich halten mit Geschenken", sagt der 27-Jährige. "Aber darauf kommt es nicht an. Ich liebe ihn als Menschen und möchte mit ihm zusammenbleiben. Ich möchte nichts von ihm geboten haben, sondern nur ein normales Leben." Zwar habe er bemerkt, dass viele Rechnungen eingegangen seien, sagt der Zeuge. Aber sein Freund habe ihm stets versichert, er müsse sich keine Sorgen machen. "Ich wusste von nichts, weder vom Jobverlust noch vom Betrug."

Anderthalb Jahre Haft verhängt das Schöffengericht schließlich für den Angeklagten. Zur Bewährung könne die Strafe aber unter anderem wegen der hohen Rückfallgeschwindigkeit nicht mehr ausgesetzt werden. Mark M. habe eine Legende aufrechtzuerhalten versucht. "Er hat nicht rational gehandelt", sagt der Richter. Den Haftbefehl hebt das Gericht auf, sodass Mark M. vorerst das Gefängnis verlassen kann. In einer Berufungsinstanz kann er auf eine Bewährungsstrafe hoffen. So oder so wirkt der 27-Jährige nach Prozessende erleichtert. Er umarmt seine Lieben ganz fest - seine Eltern und seinen Partner.