Kreisbrandmeister Gerhard Moldenhauer schlägt Alarm. Feuerwehren setzen verstärkt auf Jugendarbeit. Eine Anhebung der Altersgrenze wird diskutiert.

Stade/Buxtehude. Die Feuerwehren im Landkreis Stade stehen vor enormen Schwierigkeiten. Bis zum Jahr 2020 verlieren die freiwilligen Einsatzkräfte etwa zehn Prozent ihrer Mitglieder. "Uns fehlt der Nachwuchs", sagt Kreisbrandmeister Gerhard Moldenhauer. Im Abendblatt-Gespräch analysiert er, was die Feuerwehr tun kann. Unterdessen hofft er, dass die Altersgrenze angehoben wird.

Derzeit sind bei den Feuerwehren 3774 Freiwillige aktiv, allerdings ist die Mitgliederzahl um 33 gesunken. "Das entspricht der Stärke einer gesamten Ortswehr", sagt Moldenhauer. Der demografische Wandel führe zudem in den nächsten Jahren zu weiteren gravierenden Rückgängen. Zuletzt ruhten viele Hoffnungen auf den Jugendfeuerwehren im Landkreis Stade.

Entgegen des Landestrends blieb die Mitgliederzahl beim Nachwuchs bis zuletzt stabil. Doch jetzt hat es auch diese Region erwischt. 616 Jugendliche zwischen zehn und 16 Jahren sind in den Stader Jugendfeuerwehren organisiert. Das sind 23 weniger als noch im Jahr zuvor. Deshalb wollen die Stader Feuerwehren ihre Nachwuchsarbeit weiter verbessern und ausbauen.

So soll es künftig beispielsweise Kinderfeuerwehren geben, um schon die Kleinsten zwischen sechs und zehn Jahren an die Feuerwehr heranzuführen. Bereits jetzt stehen die Feuerwehren in engem Kontakt zu Kindergärten und Schulen und bieten Brandschutzerziehung an. "Wir haben damit schon viele positive Ergebnisse erzielt", sagt der Kreisbrandmeister.

Trotz der jüngsten Rückschläge bei den Mitgliederzahlen glaubt Moldenhauer daran, dass die Jugendarbeit einen wichtigen Part beim Kampf gegen den Mitgliederschwund spielen kann. Allerdings gibt es ein weiteres Problem mit den Mitgliedern der Jugendfeuerwehren. "Sie bleiben nicht", sagt Kreisbrandmeister Moldenhauer. Die Feuerwehren verlieren die Nachwuchskräfte, wenn diese zum Beispiel eine Berufsausbildung beginnen oder eine Familie gründen. Deshalb wollen die Feuerwehren den Übergang von Jugendfeuerwehr in den aktiven Dienst optimieren.

So sollen Mitgestaltungsmöglichkeiten und Transparenz ausgebaut werden. Außerdem sollen Patenmodelle und ein verlängerter, doppelgleisiger Übergangszeitraum geschaffen werden. Wenn junge Nachwuchskräfte austreten, weil sie umziehen, sollen sie künftig weiter betreut werden, um sie so zumindest wieder für die Feuerwehr im neuen Wohnort zu gewinnen.

Stades Kreisbrandmeister schöpft im Kampf gegen die sinkenden Mitgliederzahlen zudem Mut aus der stetig steigenden Zahl der aktiven Feuerwehrfrauen, die zurzeit bei knapp 250 liegt. Die Frauen werden akzeptiert und gefördert. Dieser Trend habe zwar noch nicht alle Ortswehren erreicht. Besonders gut klappe es jedoch bei der Ortsfeuerwehr der Hansestadt Stade. Jedes zweite neue Mitglied ist weiblich. Mittlerweile sind die Frauen auch in vielen Feuerwehrspitzen vertreten, sie übernehmen Führungsaufgaben und bilden aus. In diesem Jahr wurde in der Ortsfeuerwehr Brest mit Ines Plate die erste Ortsbrandmeisterin im Landkreis Stade gewählt. Die Zunahme der Feuerwehrfrauen hilft unterdessen auch bei einem weiteren Problem. "Frauen haben zum Teil eine höhere Tagesverfügbarkeit als Männer", sagt Moldenhauer.

Hier gibt es im Landkreis Stade große Schwierigkeiten, gerade bei den Dorffeuerwehren, weil immer mehr Mitglieder zu ihrer Arbeit pendeln. Die Folge: Vor allem bei kleineren Feuerwehren stehen tagsüber zu wenig Einsatzkräfte zur Verfügung. "Deshalb alarmieren wir in bestimmten Bereichen immer gleich drei Feuerwehren", sagt der Kreisbrandmeister. Zwar gebe es im Landkreis Stade noch genug Einsatzkräfte, doch der demografische Wandel wird die Situation verschärfen. Im schlimmsten Fall müssten Feuerwehren aufgelöst werden.

Für eine Ortswehr sind mindestens 18 Feuerwehrleute gesetzlich vorgeschrieben. Von den 92 Wehren im Landkreis Stade zählen etwa fünf bis zehn zwischen 22 bis 24 Feuerwehrleute, schätzt Moldenhauer. Deshalb müsse etwas getan werden. Neben Frauen und Jugendlichen hat er vor allem Neubürger im Hinterkopf. Sie sollen gezielt angesprochen werden. Eine gute Möglichkeit dafür sei die neue Rauchmelderpflicht. Die Feuerwehr besucht junge Familien zu Hause, bringt die Rauchmelder mit, bringt diese auch an und kommt so mit den Menschen ins Gespräch. In Jork werden zum Beispiel neue Wege zur Mitgliederwerbung beschritten. Dort ziehen die Feuerwehrleute von Haus zu Haus, um Kontakt zu potenziellen Mitgliedern herzustellen.

Kreisbrandmeister Moldenhauer hat noch eine weitere Zielgruppe im Auge, die ausländischen Mitbürger. Sie seien in den Wehren im Landkreis Stade noch stark unterrepräsentiert. Verglichen mit dem Anteil an der Bevölkerung müssten im Landkreis Stade zwischen 600 und 700 Migranten in den Feuerwehren aktiv sein, so der Kreisbrandmeister. Tatsächlich sind es allerdings weniger als 50. "Wir versuchen vieles, zum Beispiel verteilen wir mehrsprachige Flyer, wir erreichen diese Mitbürger aber nicht", sagt Moldenhauer. Doch die Stader Feuerwehren werden es weiter versuchen.

Stades Kreisbrandmeister ist sich nicht sicher, ob alle möglichen Gegenmaßnahmen reichen werden, um die Folgen des Bevölkerungsschwunds aufzufangen. Deshalb hofft er auch auf die Unterstützung aus der Politik. Noch in diesem Sommer soll es zum ersten Mal seit 1975 ein neues Brandschutzgesetz geben. Darin könnte auch eine Anhebung der Altersgrenze enthalten sein. Zurzeit müssen Feuerwehrleute mit 62 Jahren in die Altersabteilung wechseln, Ausnahmen gibt es nicht. Moldenhauer hofft, dass die Grenze auf 65 Jahre angehoben wird. "Die Altersgrenze ist nicht mehr zeitgemäß", sagt der Kreisbrandmeister.

"Sie sollen bis 67 körperlich arbeiten, aber in die Feuerwehr dürfen sie nicht mehr", sagt Moldenhauer. Wie in diesem Fall entschieden wird, ist noch nicht klar. Schließlich sind auch 62 Prozent der niedersächsischen Feuerwehren gegen die Anhebung. Das seien vor allem Berufsfeuerwehren, sagt Moldenhauer, und Feuerwehren ohne Nachwuchssorgen.