Umweltschützer kritisiert das Katastrophenmanagement der Hamburger Behörden nach dem Großbrand in dem Harburger Kautschuklager.

Harburg. Kai Britt, Projektmanager bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace und dort seit 20 Jahren für Katastrophenlagen zuständig, steht fassungslos an einem Stichkanal im Harburger Binnenhafen . Das Wasser im Hafenbecken ist mit einer milchigen Flüssigkeit durchsetzt, zwischendrin schwimmen bräunliche Teppiche aus Kautschuk. "Drastisch, ein Szenario wie nach einer Ölpest", sagt er und wischt seine Schuhe, die mit einem klebrigen Gemisch aus breiigem Kautschuk und Ölresten überzogen sind, an der Straßenkante ab.

Naturgummireste, Ölspuren und Löschschaumreste haben sich im Binnenhafengebiet verteilt, nachdem ein Kautschuklager an der Nartenstraße in der Nacht zum Dienstag ausgebrannt war. Nun bemühen sich Umweltbehörde und Harburger Bezirksamt um die Reinigungsarbeiten. Bereits am Mittwoch monierte Greenpeace im Hamburger Abendblatt, dass im Binnenhafengewässer keine Ölsperren ausgelegt wurden, um die Stoffe zu isolieren.

"Auch heute hat sich nichts getan, und das ist erstaunlich", sagt Britt. Denn die Flüssigkeitsgemenge sei "nicht ohne". 40 000 Liter Löschschaum hat die Feuerwehr ausgebracht, davon ist eine unbekannte Menge ins Gewässer geflossen. Die Substanz, die unter anderem Frostschutzmittel und Tenside beinhaltet, ist giftig. "Handelt es sich um sogenannte fluorhaltige Tenside, so können sie in der Natur nicht abgebaut werden. Sie schädigen die Fortpflanzungsorgane von Tieren", sagt der Greenpeace-Experte. Angeln würde er in nächster Zeit im Binnenhafenwasser nicht. "Das Zeug wird auch von den Fischen aufgenommen."

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Dann zeigt Britt auf den Ölfilm. "Ich verstehe nicht, weshalb nicht schon längst Bindemittel eingesetzt worden ist, um das Öl schnell aus dem Gewässer zu entfernen." Außerdem sei der Kautschukbrei, der im Wasser schwimmt, unter Umständen ebenfalls umweltgefährdend. "An sich ist Naturgummi verträglich", sagt Kai Britt, "aber zum Lagern wird er oftmals mit Ammoniak durchsetzt - eine giftige Kombination."

Er wundert sich, warum die Umweltbehörde nicht längst einen Katastrophenstab eingerichtet hat, der das Schadensmanagement koordiniert und die Hamburger über die Ergebnisse in Kenntnis setzt.

Sorgen bereiten dem Greenpeace-Manager auch die Folgen der Qualmentwicklung. "Ruß ist hochgradig krebserregend. Mitarbeiter der umliegenden Büros, Bewohner und auch Kindergärten sollten wenigstens darauf hingewiesen werden, dass sie ihre Räumlichkeiten auswischen sollten, um Gesundheitsgefährdungen zu vermeiden." Wie mit den Umweltschäden von den Behörden umgegangen wird, hält Britt für "erstaunlich und etwas hilflos".

Viele Harburger, die im Binnenhafen arbeiten, sind alarmiert. So auch Björn Broertjes, Hafenmeister vom Yachthafen im Hafenbezirk 11. Er deutet auf die milchige Brühe, in der einige Schiffe dümpeln. "Die Kautschukreste kleben an den Booten. Keiner kann mir sagen, ob und wann das Zeug sich verflüchtigt", sagt er. Auch Heiko Friedenstab von der Wasserschutzpolizei, der im Gebiet unterwegs ist, kann ihm nicht helfen.

Broertjes' Kollege vom Harburger Yachtclub, Hermann Friedemann, wollte ebenfalls bei Polizei und Feuerwehr nachfragen. "Hier wird Schulsport betrieben, Jugendliche starten zu Rudertouren. Deshalb wollte ich wissen, ob es wegen der Wasserqualität gefährlich für die Schüler wird. Weder Polizei noch Feuerwehr fühlten sich zuständig. Aber die Bevölkerung muss doch in Kenntnis gesetzt werden", sagt er aufgebracht.

Unterdessen prüfen Umweltbehörde und Bezirksamt, was unternommen werden kann. "Wir arbeiten mit Hochdruck an der Schadensaufnahme, lassen Proben von Gewässer und Kautschukresten nehmen. Eine Spezialfirma ist im Einsatz, um die Fahrbahn der Nartenstraße zu reinigen. Ölsperren wurden noch nicht ausgelegt ", sagt Bezirkssprecherin Petra Schulz. Noch nie habe man es mit einem so ungewöhnlichen Fall zu tun gehabt.

Heute, drei Tage nach der Feuerkatastrophe, will Harburgs neuer Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD) zu den Umweltfolgen Stellung nehmen.

Die Ermittlungen zur Brandursache dauern unterdessen an. Die Polizei hat jedoch Zweifel, ob sie die Untersuchung mit einem Ergebnis abschließen kann: "Die Brandursache zu finden wird sehr schwierig werden, weil bei dem Brand viel zerstört wurde", sagt Polizeisprecher Jens Ratfeld. Zudem erschwere das klebrige Gemisch aus Kautschuk, Heizöl und Löschschaum die Arbeit der Brandermittler. Nicht nur Umweltschützer sorgen sich um die Kautschukmasse: Die Einsatzkleidung von etwa 150 Feuerwehrleuten ist bei den Aufräum- und Nachlöscharbeiten so stark verschmutzt worden, dass das Spezialgewebe gründlich gereinigt werden müsste.

"Wir sind in Gesprächen mit unserer Reinigungsfirma und dem Hersteller der Einsatzkleidung", sagte Feuerwehrsprecher Martin Schneider auf Nachfrage. Eine Lösung sei noch nicht gefunden. Das Problem: Jacken, Hosen und Schuhe müssen nicht nur sauber werden, sie dürfen auch ihre besonderen Eigenschaften, etwa den Hitzeschutz, nicht verlieren.

Wie die Feuerwehr mitteilte, mussten die Löschschläuche bereits aufgegeben werden. Die Fahrzeuge, die teils bis zur Achse im Schlamm steckten, würden derzeit von einer Spezialfirma gereinigt. Sollte die Einsatzkleidung nicht zu retten sein, müsste sie neu beschafft werden, hieß es aus Feuerwehrkreisen. Die Kosten dafür seien noch nicht abschätzbar. Aus dem Budget der Berufsfeuerwehr könnten sie auf jeden Fall nicht getragen werden.