Gekürzt werden 6,1 Prozent der Leistungen, mehr als im bundesweiten Durchschnitt. Hartz-IV-Empfänger sind bei Regelverstoß besonders betroffen.

Stade/Buxtehude. Im Landkreis Stade wird besonders konsequent gegen Hartz-IV-Empfänger vorgegangen, wenn diese sich nicht an die Regeln halten. Derzeit werden bei 603 Menschen die Leistungen gekürzt. Das entspricht einer Quote von 6,1 Prozent, Zum Vergleich: In Niedersachsen liegt die Sanktionsquote momentan bei 4,7 Prozent, bundesweit werden derzeit 5,0 Prozent sanktioniert.

Hartz-IV-Bezieher müssen etliche Regeln einhalten. Sie müssen sich unter anderem regelmäßig melden, werktags erreichbar sein und sich aktiv daran beteiligen, wieder einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Befolgen sie diese Regeln nicht, werden ihnen die Leistungen gekürzt. Das geschieht zum Beispiel, wenn sie Termine nicht wahrnehmen, einer angeordneten ärztlichen Untersuchung nicht nachkommen, oder eine ihnen angebotene zumutbare Arbeitsstelle nicht annehmen.

"Die Sanktionen sind gesetzlich vorgegeben", sagt Marco Noetzelmann, stellvertretender Geschäftsführer vom Jobcenter Stade. Je nach Schwere des Vergehens gibt es unterschiedlich hohe Kürzungen. Bei Meldeversäumnissen werden zehn Prozent der Leistungen gekürzt. Diese liegen derzeit bei 374 Euro plus Wohnungskosten. Wer eine Qualifizierung oder eine Arbeitsstelle nicht annimmt, bekommt 30 Prozent weniger Geld. Die Sanktionen können jedoch auch aufsummiert werden, erläutert Noetzelmann.

Das heißt, wer zum Beispiel zuerst eine Qualifizierung nicht annimmt und später auch ein Jobangebot ablehnt, muss mit 60 Prozent weniger Geld auskommen. Besonders hart kann es für Jugendliche unter 25 Jahren werden. Ihnen wird bei einem schweren Regelverstoß gar kein Geld mehr überwiesen. Bundesweit steigt die Sanktionsquote, auch im Landkreis Stade. Im Dezember 2011 lag die Quote im Kreis Stade zum Beispiel noch bei 6,0 Prozent, vor vier Jahren sogar bei knapp 4 Prozent.

Das liege laut Noetzelmann vor allem an der besseren Konjunktur. Schließlich gebe es mehr Arbeitsstellen, die angeboten werden könnten. Aktuell beziehen im Landkreis Stade 7164 Familien Hartz-IV-Leistungen, das sind 14 359 Menschen. Für die Berechnung der Sanktionsquote ist die Zahl der sogenannten erwerbsfähigen Hilfeberechtigten entscheidend. Hier werden zum Beispiel die Schulkinder unter 15 Jahren abgezogen. Im Landkreis Stade liegt diese Zahl aktuell bei 9899.

Mit den Problemen von Hartz-IV-Empfängern kennt sich auch Nadine Frenkel gut aus. Frenkel ist seit 2008 Sozialarbeiterin im Diakonieverband der Kirchenkreise Stade und Buxtehude und leitet die Beratungsstelle an der Harburger Straße in Buxtehude. Jeden Donnerstag wird dort zwischen 14.30 Uhr und 16.30 Uhr eine offene Sprechstunde zur Sozialberatung angeboten. Diese richtet sich unter anderem an Hartz-IV-Empfänger.

"Die Menschen kommen zu uns, wenn sie kein Geld haben", sagt Frenkel. Die Probleme mit Hartz-IV beginnen bei vielen bereits bei der Antragsstellung, weil sie die Anträge nicht verstehen. In den Diakonie-Beratungsstellen in Buxtehude und in Stade an der Neubourgstraße kann ihnen dann geholfen werden, in Buxtehude gab es 2011 etwa 300 Sozialberatungen.

Viele Hilfesuchende sind auch von den Hartz-IV-Sanktionen betroffen und brauchen Rat. "Wir können sie dann erst mal sozialrechtlich beraten. Viele kennen ihre Rechte und Pflichten gar nicht", sagt Frenzel. Sie versucht dann gemeinsam mit den Hilfesuchenden künftige Leistungskürzungen zu vermeiden. Einige Fälle seien jedoch besonders dramatisch.

Gerade junge Heranwachsende hätten es sehr schwer. Der Staat verlange von den unter 25-jährigen, dass sie bei ihren Eltern wohnen, wenn sie nicht für sich selbst sorgen können, sagt Frenkel. Doch bei ihrem Klientel handele es sich in der Regel um schwierige Fälle. Die Heranwachsenden haben Suchtprobleme oder kommen aus sozial schwachen Familien. Das Elternhaus sei für einige keine Alternative und sie wählen dann lieber den Weg in die Obdachlosigkeit. "Sie bekommen die Post nicht und die Leistungen werden gestrichen", sagt Frenkel. Die Diplom-Pädagogin betont zwar, dass es sich hierbei um Einzelfälle handele. Doch sie formuliert auch Kritik am Jobcenter. "Ich finde das Prinzip fördern und fordern gut, aber es gibt Probleme in der Verwaltung und in der Umsetzung", sagt Frenkel.

Dabei hätten Diakonie und Jobcenter ihrer Ansicht nach das gleiche Ziel, die Menschen in Arbeit zu bringen. Für die Zukunft wünscht sie sich deshalb, einen Weg der Zusammenarbeit mit dem Jobcenter zu finden. Marco Noetzelmann vom Jobcenter entgegnet: "Die Vermittler haben kein Auswahlermessen. Die Sanktion tritt von Gesetzt wegen ein." Gleichzeitig verweist er aber auf den klaren gesetzlichen Aufklärungsauftrag und der Beratungspflicht der Jobcenter. "Diesen Auftrag nehmen wir sehr ernst", sagt er.