Regisseur Kühn trifft mit dem künstlerischen Programm in Stade den Nerv des Publikums. Und auch die Künstler kommen gerne.

Stade. Innerhalb von sieben Minuten waren alle 199 Karten für den Tanz in den Mai ausverkauft. Mehr geht nicht. Ausverkauft ist die Stader Seminarturnhalle oft, denn seit ihrer Eröffnung ist die Kulturspielstätte in der Stader Altstadt auf Erfolgskurs.

Das ist zum einen der harten und engagierten Arbeit der ehrenamtlichen Helfer des Fördervereins mit seiner Vorsitzenden Karin Lange zu verdanken. Zum anderen hängt die Erfolgsgeschichte ganz eng mit dem Mann zusammen, der im Dezember 2009 den Zuschlag von der Hansestadt Stade für sein künstlerisches Konzept für die Seminarturnhalle bekam. Eigentümerin des denkmalgeschützten Gebäudes ist die Stadt. Der Förderverein Seminarturnhalle hat mit ihr einen Erbpachtvertrag geschlossen und ist somit Hausherr mit allen Pflichten und der finanziellen Verantwortung für Haus und Kulturbetrieb.

Der freiberufliche Regisseur und künstlerische Leiter der Seminarturnhalle, Peter Kühn, erzählt in seinem Büro im Nebengebäude der Halle von den Anfängen dieser Erfolgsgeschichte, und seine Begeisterung ist ansteckend. "Wir haben damals sofort aus dem hohlen Bauch heraus ein Programm gestartet. Die Künstler, die hier auftraten, kannten unser Projekt und verzichteten auf ihre Gage. Dadurch hatten wir auch keine Kosten. Wir nannten es unsere Baustellenkonzerte."

Anfang Juni 2010 war erst mal Schluss mit dem Spielbetrieb. Die Halle musste saniert werden. "Wir hatten in dem ganzen Gebäude zwei Steckdosen, Heizung und Toiletten gab es nicht. Um überhaupt fertig zu werden, haben wir uns für die Sanierung der Halle eine Frist gesetzt." Es folgten drei Monate harte Arbeit. Er selbst, so der 54-Jährige, habe in der Zeit gelernt, einen Bagger zu fahren.

Viel Geld floss in die Sanierung. Rund 220 000 Euro investierte der Förderverein, teilweise durch Kredite finanziert. Kühn: "Wir hätten den Umbau nicht hinbekommen, hätten uns nicht so viele Menschen finanziell und mit ihrer Arbeit geholfen. Unter anderen hat uns ganz besonders der Architekt Jörn von Holt aus Bützfleth unterstützt. Ihm haben wir sehr viel zu verdanken. Und glücklicherweise haben Karin Lange und ich während der gesamten Bauphase sehr ähnliche Vorstellungen davon gehabt, wie alles werden sollte."

Drei Monate später öffnete die Stader Kulturspielstätte im sanierten historischen Gemäuer. Besonders stolz ist der Regisseur auf die neuen Toiletten. "Ich denke, wir haben tatsächlich die schönsten Toiletten in Stade. Großartig ist auch unser Tresen, den uns ein Tischler, ebenfalls Fördermitglied, gebaut hat." Und tatsächlich, den Mitgliedern des Fördervereins ist es gelungen, die alte Substanz so wieder herzustellen, dass die Seminarturnhalle nichts von ihrem Charme verloren hat, im Gegenteil. Seitdem holt Kühn Größen wie Eva Mattes oder die Jazzsängerin Nicole Metzger auf die Bühne der Seminarturnhalle.

Viele Künstler kommen gern nach Stade, wegen des Publikums und der intimen Atmosphäre. Obwohl die Garantiegagen, die der Förderverein ihnen zahlen kann, meist niedriger sind als in anderen Häusern. Kühn nutzt seine vielen Kontakte zum Beispiel aus seiner Zeit beim Schauspielhaus in Hamburg. Der Mann ist Programmmacher, Organisator und Bürokraft in Personalunion. Auch wenn die Halle "schwarze Zahlen schreibt, was schon sehr viel wert ist und uns ruhig schlafen lässt, für eine Bürokraft reichen die Einnahmen noch nicht". Deshalb macht Kühn, der seit 14 Jahren in Stade lebt, neben seiner freiberuflichen Arbeit als Regisseur noch einen 24-Stunden-Job für eine Aufwandsentschädigung in der Seminarturnhalle. Kühn: "Reich werden wir alle hier nicht, aber die Halle steht auf soliden finanziellen Füßen."

Seine Begeisterung für die Kulturspielstätte scheint Antrieb genug, um dieses Arbeitspensum durchzuhalten. Entlohnt werden Kühn und seine Mitstreiter von einem "tollen Publikum in Stade". Der Germanist und Theaterwissenschaftler schätzt den Standortvorteil der Seminarturnhalle. "Hamburg ist zu weit von uns entfernt, als dass die Stader oft dort das kulturelle Angebot nutzen könnten. Aber wir sind nah genug an Hamburg dran, dass die Stader mitbekommen, was in Hamburg kulturell läuft. Und wir können ihnen das hier in Stade in der Halle bieten."

Das Stader Publikum sei neugierig, intelligent und aufgeschlossen. Kühns besondere Liebe gilt dem Kabarett. Während Peter Kühn für eine Inszenierung in Frankfurt am Main arbeitete, hörte er zufällig das Nachwuchs-Kabarett-Duo "Team und Struppi" im Radio. Er holte sie nach Stade. Kühn: "Wir wollen Impulse setzen, nicht irgendwelche ausgekauten Programme zeigen, die schon in ganz Deutschland zu sehen und zu hören waren." Im Mai steht Timo Wopp auf dem Programm.

Kühns Anspruch ist hoch. Und das Publikum honoriert das Engagement. Das Programm treffe, so Kühn, den Nerv der Stader. Ein Erfolg war jüngst der Abend mit dem Hamburger Improvisationstheater Hidden Shakespeare. Von den Einnahmen leistet sich die Kulturspielstätte einen hauptamtlichen Hausmeister. Auch einen Arbeitsplatz für einen ehemaligen Hartz-IV-Empfänger konnte der Förderverein bereits schaffen. Peter Kühn träumt davon, irgendwann weitere zwei Arbeitsplätze anbieten zu können.