Stades Superintendent Thomas Kück setzt auf eine evangelische Schule der Nächstenliebe

Stade. Vor wenigen Tagen hat die evangelische Kirche ihr "Impulspapier" präsentiert, in dem sie darlegte, wie ein didaktisches Konzept für eine kirchliche Grundschule in Stade aussehen könnte. Gegen das Projekt gab und gibt es Vorbehalte, aber auch Zustimmung. Das Abendblatt sprach mit dem Stader Superintendenten Thomas Kück über die aktuellen Probleme der Kirchen und die öffentliche Kritik an Privatschulen.

Abendblatt:

Herr Kück, seit geraumer Zeit steht die katholische Kirche aufgrund von Missbrauchsfällen an Lehrinstitutionen und Internaten in der öffentlichen Kritik. Zuletzt ist Bischof Walter Mixa von seinem Amt entbunden worden. Hat die Institution Kirche an Glaubwürdigkeit verloren?

Thomas Kück:

Nun, die Glaubwürdigkeit einer Institution wird immer auch an den Menschen gemessen, die öffentlich für sie einstehen. Das gilt für die Schiedsrichter und den Fußball ebenso wie für die Kirche und die Pastoren. Luther hat zwar zwischen Amt und Person unterschieden, aber dennoch wird beides in der öffentlichen Wahrnehmung oftmals zusammen gesehen. Das öffentliche Erscheinungsbild der Kirche macht mir momentan Sorgen, und dabei macht es kaum einen Unterschied, ob es ein katholisches Problem ist oder ein evangelisches, denn auch das wird in der öffentlichen Meinung zusammen gesehen, wie ja Ihre Frage zeigt.

Wenn die Kirche in der öffentlichen Meinung an Glaubwürdigkeit verloren hat, was glauben Sie, wie kann sie das verlorene Vertrauen wieder zurückgewinnen?

Ob die Kirche insgesamt an Glaubwürdigkeit verloren hat, das sei noch einmal dahingestellt. Es ist schlimm, dass kirchliche Vertreter oder Einrichtungen solche Fehler begangen haben und sich möglicherweise auch strafbar gemacht haben. Das wird zurecht kritisiert. Hier hilft meiner Meinung nach nur Hilfe für die Opfer und Aufklärung, Offenheit und Transparenz.

Besteht denn nicht die Gefahr, dass angesichts der Probleme der katholischen Kirche eine kirchliche Grundschule, wie sie jetzt in Stade geplant ist, ungerechtfertigt in die Kritik geraten könnte?

Das glaube ich eher nicht. Mit unserem Vorschlag wollen wir eine Bildungsoffensive starten und die Zuschriften, Telefonate und persönlichen Ansprachen zeigen mir, dass wir trotz der teilweise auch auf Vorurteilen beruhenden Kritik ein wichtiges Thema angesprochen haben. Einen Zusammenhang mit der Missbrauchsdebatte wird dabei übrigens nicht hergestellt, was ja auch sachlich unangemessen wäre.

Dennoch die Nachfrage: Wie will beziehungsweise kann die evangelische Kirche sicherstellen, dass die Kinder, die in die evangelischen Schule in Stade gehen sollen, vor potenziellen Missbrauchsfällen geschützt werden?

Die Regelung ist ganz klar: Da gelten die gleichen Regeln wie an staatlichen Schulen auch.

Das bedeutet?

Das bedeutet, dass jeglicher Verdacht, der auch nur im Ansatz entsteht, ein klares dienstrechtliches Verfahren nach sich ziehen wird. Das ist in der evangelischen Kirche sehr klar geregelt. Das Problem, über das derzeit gesprochen wird, das sollten wir nicht vergessen, ist ein Internatsproblem und kein Schulproblem.

Sie hatten bei der Präsentation des Impulspapieres für die kirchliche Grundschule erklärt, dass die Kirche ihre Werte über ihre Bildungsinstitute an kommende Generationen vermitteln möchte. Welche Werte vermissen Sie derzeit am meisten in unserer Gesellschaft?

Bevor ich als Superintendent nach Stade gekommen bin, habe ich als Schulpastor am Gymnasium Bremervörde Religion unterrichtet. Dabei war es für mich jedes Mal spannend, mit den jungen Menschen zu entdecken und darüber zu diskutieren, inwiefern unser gesellschaftliches Leben von christlichen Werten geprägt ist. Krippenplätze und Altenheime, Energiekonsens und Sonntagsschutz sind hier nur ein paar Beispiele, die ich nennen möchte.

Unsere Gesellschaft ist in ihren Grundwerten vom Christentum und von der Aufklärung geprägt in Nächstenliebe und Solidarität, Verantwortung für die Schöpfung und Umweltbewusstsein. Das hat unserer Gesellschaft bisher gut getan, und ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt, diese Werte zu bewahren.

Herr Kück, eine Kirchenschule, wie die in Stade geplante, ist, wie sie sagten, nur ein kleiner Mosaikstein im Bildungssystem. Kann ein so kleines Element eine Gesellschaft denn nachhaltig verbessern und wieder Werte in der Gesellschaft etablieren, die abhanden gekommen sind?

Ist es nicht mit allem so, dass es klein beginnt und größer werden kann? Von Jesus ist das Gleichnis vom Senfkorn überliefert: Das Senfkorn ist das kleinste unter allen Samenkörnern, und wenn es gesät ist, geht es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige wie ein Baum.

Die Initiative zur Gründung privater Schulen bedeutet, so sagen Kritiker, dass der Staat als originärer Bildungsträger seine Aufgaben nicht mehr erfüllen will oder nicht mehr erfüllen kann. Wie stehen Sie dazu?

Eine kirchliche Schule will das öffentliche Bildungswesen nicht ersetzen. Sie kann es aber, davon bin ich überzeugt, ergänzen, und zwar zum Wohl der Kinder. Konstruktive Konkurrenz belebt die Bildung. Natürlich darf und soll sich das Land nicht aus der Bildungsverantwortung stehlen. Das ist auch gar nicht unser Anliegen. Wir wollen ein zusätzliches didaktisches Konzept anbieten, eine gute Alternative.