Warum es zum großen Knall zwischen Erol Sander und seinem Arbeitgeber, der Kalkberg GmbH, gekommen ist, weiß in Bad Segeberg kaum einer.

Bad Segeberg. Nichts Neues im Wilden Westen. Winnetou und Old Shatterhand schlagen sich wacker und schicken den Schurken Santer in die Wüste. Alltagsgeschäft in Bad Segeberg. Im Freilichttheater am Kalkberg geht es vor den Kulissen in dem Karl-May-Stück "Winnetou II" wie immer zur Sache. Die eigentlichen Kämpfe werden in diesen Tagen hinter den Kulissen ausgetragen. Während sich Winnetou im Theaterleben auf seinen Freund Old Shatterhand verlassen kann, ist er im wahren Leben auf sich allein gestellt. Erol Sander, 43, gegen den Rest der Welt, die für ihn in diesen Tagen aus dem Vorstand der Kalkberg GmbH besteht. Noch immer ist unklar, warum er geht oder gehen muss. Am Sonntag gibt Erol Sander seine Abschiedsvorstellung in Bad Segeberg.

Normalbetrieb am Kalkberg. Erol Sander gibt sich gelassen, lässt sich vom Publikum bejubeln und macht nach der Verbeugung wie immer seine Publikumsrunde, bei der die erwartungsvoll am Bühnenrand stehenden Kinder freundlich abgeklatscht werden. Manche kommen in diesen Tagen extra, um den beliebten TV-Star noch einmal zu sehen. So wie Joachim Göhlmann mit seiner Frau Hannelore und den Kindern Anton, Lene und Emil, die aus Hannover angereist sind, um Erol Sander ein letztes Mal als Winnetou zu erleben. "Er spielt die Rolle sehr authentisch", sagt der 41 Jahre alte Bauingenieur. "Ein würdiger Nachfolger von Pierre Brice." Transparente mit Liebesbeteuerungen sind in der Kalkberg-Arena aber nicht zu sehen.

Warum es zum großen Knall zwischen Erol Sander und seinem Arbeitgeber, der Kalkberg GmbH, gekommen ist, weiß in Bad Segeberg kaum einer. Geheimnisträger sind drei Personen, bei denen alle Fäden zusammenlaufen: Geschäftsführerin Ute Thienel, Aufsichtsratsvorsitzender und Bürgermeister Dieter Schönfeldt sowie Werbemanager Wolfgang Spahr, der über exzellente Kontakte in das Showgeschäft verfügt und viele Verträge mit bekannten Schauspielern eingefädelt hat. Aber die Gerüchte verdichten sich. Aus dem erweiterten Führungszirkel wird diese Version verbreitet: Die Kalkberg GmbH wollte sich nach sechs Jahren von Erol Sander trennen, gab diesem aber die Chance, diese Nachricht selbst zu verkünden, um sein Gesicht zu wahren. Bürgermeister Dieter Schönfeldt bestätigt diese Version zumindest teilweise: "Ich war einverstanden, dass Herr Sander von sich aus in die Öffentlichkeit geht und seinen Abschied verkündet." Sander ließ über sein Management eine entsprechende Nachricht an die Deutsche Presse Agentur übermitteln. Gleichzeitig sagt der Aufsichtsratsvorsitzende aber auch, der Schauspieler sei keineswegs vor die Tür gesetzt worden. Zu weiteren Äußerungen lässt sich Schönfeldt nicht hinreißen. Er verweist auf das "magische Datum": Am 5. September werde eine Entscheidung fallen. Unbeantwortet lässt er auch die Frage, ob es eventuell doch mit Erol Sander weitergehen kann. "Einen neuen Winnetou-Darsteller haben wir noch nicht", sagt er.

Erol Sander selbst steht nach wie vor zu seiner Aussage, er sei bereit, im kommenden Jahr als Winnetou oder als Regisseur der Karl-May-Spiele weiterzumachen. "Ich habe hier sechs Jahre lang sehr viel Spaß gehabt und war der bisher erfolgreichste Winnetou", sagt Erol Sander, der während der Festspielzeit in der Umgebung von Bad Segeberg in einer Doppelhaushälfte wohnt, sonst aber mit Ehefrau und zwei Söhnen in München lebt. "Der Abschied war nicht meine Entscheidung."

+++Winnetous letzter Ritt bei den Karl-May-Spielen+++

Offenbar nicht alle Schauspielkollegen hatten bei der Arbeit so viel Spaß wie Erol Sander. "Erol verlangt viel von anderen, aber auch von sich selbst", sagt der Hamburger Schauspieler Joshy Peters, der in Bad Segeberg seit 25 Jahren in den verschiedensten Rollen zu sehen ist. In diesem Jahr spielt er wieder den Old Shatterhand. Es gibt Schauspieler, die diesem Druck nicht gewachsen waren: Vor zwei Jahren soll ein Ensemblemitglied kurz vor der Premiere einen bühnenreifen Abgang inszeniert haben, weil er nicht mehr mit Erol Sander zusammenarbeiten wollte. Seine Rolle musste also kurzfristig umbesetzt werden. Das berichten Mitwirkende der damaligen Inszenierung. Es heißt auch, dass sich Erol Sander in Bad Segeberg nur wenig vom jeweiligen Regisseur sagen ließ.

Der Münchner Schauspieler ist vor sechs Jahren mit der Verpflichtung in Bad Segeberg ein hohes Risiko eingegangen. Bis dahin galt er in Fachkreisen als Star der B-Liga mit Ambitionen in die A-Liga, in der Schauspieler wie Mario Adorf, Til Schweiger oder Veronica Ferres die höchsten Gagen bekommen. Von Mai bis September werden die meisten TV-Filme gedreht - früher häufig mit Erol Sander, in den vergangenen Jahren seltener. "Ich habe sonst während dieser Zeit immer zwei oder drei Filme an den unterschiedlichsten Orten gedreht, jetzt genieße ich den Sommer in Bad Segeberg", hatte er im vergangenen Jahr gesagt. Jetzt muss Erol Sander sich wieder verstärkt um Rollenangebote für weitere TV-Filme kümmern.

Über einen möglichen Nachfolger wird in Bad Segeberg viel spekuliert. Gojko Mitic, der Vorgänger Erol Sanders in der Rolle des Winnetou, soll nach Informationen der "Lübecker Nachrichten" nicht abgeneigt sein, noch mal das Indianerkostüm anzuziehen. Es gibt Stimmen, die einen weniger prominenten Darsteller fordern. Zum Beispiel Nico König, seit 20 Jahren im Karl-May-Ensemble und bekannt aus der ZDF-Serie "Die Rettungsflieger". Aber eine Entscheidung wird erst in der kommenden Woche bekannt gegeben.

Wer Erol Sander noch einmal als Winnetou erleben möchte, hat dazu an diesem Sonntag Gelegenheit: Um 15 Uhr beginnt die letzte Vorstellung von "Winnetou II".