Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig spricht im Abendblatt über die Ziele seiner neuen Koalition aus SPD, Grünen und SSW.

Kiel. Arminia Bielefeld bereitet sich auf eine weitere Saison in der dritten Fußballliga vor, Torsten Albig auf seine erste Saison in der ersten Liga: Vor gut einer Woche ist der Arminia-Fan zum Ministerpräsidenten des Landes Schleswig-Holstein gewählt worden. Der Sozialdemokrat hat etwas geschmiedet, was es im Land noch nie gab: eine Koalition aus SPD, Grünen und SSW. Über die Ziele dieser Koalition sprach der 49-Jährige in seinem noch nach Umzug aussehenden Amtszimmer in der Kieler Staatskanzlei mit dem Hamburger Abendblatt.

Hamburger Abendblatt: Im Koalitionsvertrag stehen 33 Zeilen zum Thema Zusammenarbeit mit Dänemark, aber nur zwölf Zeilen zum Thema Metropolregion. Liegt Ihnen Dänemark mehr am Herzen als Hamburg?

Torsten Albig: Nein. Unser Premiumpartner ist Hamburg. Schleswig-Holstein und der ökonomische Erfolg Schleswig-Holsteins stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Erfolg der Metropolregion. Wer in Schleswig-Holstein Erfolg haben will, braucht die erfolgreiche Metropolregion. Das betrifft die Bereiche Bildung, Verkehr, gemeinsame Verwaltung.

"Ich will einen starken Norden gemeinsam mit Hamburg", haben Sie im Wahlkampf gesagt. Nun scheitern wichtige Vorhaben am Widerstand des SSW. Wie passt das zusammen?

Albig: Kein Projekt scheitert am Widerstand des SSW. Wir sind Befürworter einer gemeinsamen Landesplanung, einer Bildungs-, Raum-, und Infrastrukturplanung. Das funktioniert nur, wenn wir das in räumlichen Zusammenhängen statt in zufälligen föderalen Strukturen machen. Das sieht niemand in meiner Regierung anders. Der Süden Schleswig-Holsteins ist mögliche Gewerbe- und Erweiterungsfläche für Hamburg. Das ist kein Angriff des Speckgürtels auf Hamburg. Das ist das natürliche Wachsen Hamburgs in die Metropolregion hinein.

Sie wollen in Kiel eine Stadtbahn bauen. Konkurriert dieses Projekt mit dem Bau der S 4?

Albig: Beide sind wichtig und stehen dabei in einem Wettbewerb um Mittel. Wir haben in der Kiel-Region eine uneinheitliche Debatte zu dem Thema. Derjenige, der sich am schnellsten bewusst wird, wie wichtig ein schienengebundener Personennahverkehr für die Wirtschaftsentwicklung ist, wird voranmarschieren. In der Metropolregion wird man weniger stark dafür werben müssen, dass die S 4 ein ökonomischer Erfolgshebel ist. Die Kiel-Region muss sich anstrengen, nicht den Anschluss zu verlieren.

Ministerpräsident Albig gibt Regierungserklärung ab

Von einem der größten Verkehrsprojekte, dem Ausbau der A 20, ist die Dänen-Ampel abgerückt. Zuvor hatte die SPD immer auf den Weiterbau der Autobahn bestanden.

Albig: Wir sind nicht abgerückt. Wir haben es mit den Grünen hingekriegt, dass der jetzt anstehende dritte baureife Abschnitt tatsächlich gebaut wird. Ich freue mich, dass wir vernünftigerweise nach dem dritten Abschnitt den vierten Abschnitt und nicht den siebten verwirklichen. Das ist das Gegenteil von Abrücken. Es hört jetzt auf mit dem bruchstückhaften Bauen ohne Sinn und Verstand. Es macht Sinn, von Ost nach West voranzukommen mit dem Ziel, über die Elbe zu kommen. Fakt ist, dass seit 2005 unter der CDU-geführten Landesregierung exakt 19,8 Kilometer Autobahn gebaut wurden. Das Ziel einer SPD-geführten Regierung ist, 30 Kilometer in fünf Jahren zu schaffen. Das ist sehr ambitioniert.

In Ihrer Antwort steckt ein Ja zur Elbquerung.

Albig: Klar. Sonst hat das ganze Projekt doch keinen Sinn. Alle Planungen für die Abschnitte westlich der A 7 laufen weiter.

Wie stehen Sie zu einer östlichen Elbquerung als Verlängerung der A 21?

Albig: Die A 20 ist das zentrale norddeutsche Verkehrsprojekt. Sie ist notwendig mit einer westlichen Elbquerung bei Glückstadt. Wir brauchen jetzt keine östliche Elbquerung.

Und wie geht es mit der Elbvertiefung weiter?

Albig: Wir stehen zur Elbvertiefung. Der Hamburger Hafen ist für Schleswig-Holstein zentraler Wirtschaftsmagnet, der größte Arbeitgeber für Menschen aus meinem Land. Wir brauchen einen starken Hamburger Hafen. Der funktioniert nicht ohne Elbvertiefung. Aber wir schauen uns alle möglichen ökologischen Folgen der Vertiefung genau an.

Der Vertrag zum Gastschulabkommen mit Hamburg ist bis 2015 gültig. Danach streben Sie die freie Schulwahl an. Wie wollen Sie das umsetzen?

Albig:

Wir müssen aufhören, uns wie im 19. Jahrhundert zu benehmen. Wenn ich zum Beispiel in Reinbek im Kreis Stormarn wohne, muss ich auch eine Schule in Hamburg wählen können, weil ich sie für meine Kinder für richtig halte. Wir werden in einem föderalen Finanzsystem ja wohl eine Lösung finden, bei der wir zeigen können, dass wir die Lebensräume der Menschen ernst nehmen.

Warum wollen Sie damit bis 2015 warten?

Albig: Weil es bis dahin einen gültigen Vertrag gibt und wir Wert darauf legen, dass Verträge erst einmal eingehalten und nicht immer wieder geändert werden. Das geht auch Olaf Scholz so.

Hamburg wünscht bei der Unterbringung von ehemals Sicherungsverwahrten eine Kooperation mit Schleswig-Holstein. Machen Sie mit?

Albig: Die Justizministerin Anke Spoorendonk ist da auf dem Weg, mit Hamburg zu vernünftigen Vereinbarungen zu kommen.

Langfristiges Ziel der SPD ist eine Schule für alle. Will die SPD das Ende der Gymnasien?

Albig: Wir werden auch in den nächsten Jahrzehnten starke Gymnasien haben, weil die Menschen starke Gymnasien haben wollen. Keine Politik, die bei Vernunft ist, wird sich gegen die Menschen stellen. Wir werden aber auch starke Gemeinschaftsschulen haben. Gemeinschaftsschulen leisten einen Beitrag dazu, Kinder auf den richtigen Weg zu bringen. Das ist kein Angriff aufs Gymnasium, das ist das Heben der Potenziale einer Gesellschaft. Wir müssen endlich damit aufhören, die Schulsysteme gegeneinanderzustellen.

Sie wollen Gemeindefusionen finanziell fördern. Warum?

Albig: Es geht um die Organisation der Verwaltungen. Wir haben 145 hauptamtliche Verwaltungen in Schleswig-Holstein. Was machen wir an 145 Stellen parallel? Warum haben wir nicht einheitliche Einstellungsverfahren, einheitliche Personalverwaltungsverfahren? Vor Ort sollten wir uns auf das konzentrieren, was vor Ort erledigt werden muss. Den Menschen ist es egal, wo ihr Kfz-Kennzeichen verwaltet wird, es ist ihnen aber nicht egal, wo der Rasen vor ihrem Rathaus gemäht wird. Denn der muss vorm Rathaus gemäht werden. Da nützt es nichts, wenn sie irgendwo einen zentralen Rasenmäher haben.

In der Landesverwaltung wollen Sie bis 2020 zehn Prozent der Beschäftigten einsparen. Wie sieht das Konzept dazu aus?

Albig: Wir müssen zunächst die Verwaltungsaufgaben prüfen. Dazu werden wir das Personalmanagement in der Staatskanzlei bündeln. In Zusammenspiel mit dem Finanzministerium werden wir diese Verwaltung modern aufstellen. Die Landesverwaltung ist überkomplex und damit zu teuer. Da kann man etwas reduzieren. Das muss Chefsache sein, weil es sonst zwischen den Ressorts versandet. Wir glauben nicht, dass in der Verwaltung nicht gearbeitet wird. Die Leute sind fleißig, hier wird hart gearbeitet. Aber sie arbeiten in Schleifen, und die müssen wir auflösen.

In welchen Ministerien wollen Sie besonders stark Personal streichen?

Albig: In jedem nach seiner Aufgabenstruktur. Mehr als 20.000 der 55.000 Landesbediensteten sind Lehrer. Viele der Stellen, die eingespart werden, werden also auch Lehrerstellen sein. Das ist auch bei uns so. Der zweitgrößte Bereich ist der der Polizei. Wir brauchen Polizei auf der Straße, aber im Bereich der Polizeiverwaltung gibt es einiges, das möglicherweise nicht so sinnvoll ist.

Auch die Kabinettsmitglieder sollen einen Sparbeitrag leisten.

Albig: Ja. Sie werden weniger Geld verdienen. Wir werden unter anderem die Besoldung reduzieren und die Aufwandsentschädigungen abschaffen. Bei mir sinkt der Bruttoverdienst im Jahr um mehr als 2000 Euro, fürs ganze Kabinett sind es etwa 75.000 Euro pro Jahr weniger. Das schleswig-holsteinische Kabinett wird deutschlandweit eine der sparsamsten Regierungen sein.