Pinneberg. Ministerin Aminata Touré eröffnet Aktionswoche „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ in Pinneberg. Dort nahm diese auch ihren Anfang.

Die Aktion hat ihren Ursprung im Kreis Pinneberg und hat in Schlesig-Holstein, Hamburg und Mecklemburg-Vorpommern Schule gemacht. Zum 20. Mal jährt sich die Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“. Den Startschuss dazu gaben Landesministerin Aminata Touré und Kreispräsident Helmuth Ahrens gemeinsam mit Landesinnungsmeister Dirk Baumgarten vor der Bäckerei Dwenger am Montag in der Pinneberger Fußgängerzone.

Bis zum 25. November werden in ganz Schleswig-Holstein Brötchentüten mit dem Hinweis auf die Telefonnummer des Hilfetelefons über die Ladentheken von Innungsbäckereien gehen. 38 Betriebe beteiligen sich, 306.000 Aktionstüten sind mit der Nummer des „Hilfetelefons Gewalt gegen Frauen“ bedruckt. Diese lautet: 116 016.

Jeden dritten Tag wird eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet

„Häusliche Gewalt und Gewalt in Partnerschaften sind leider weiterhin aktuelle Themen“, sagt Aminata Touré, Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung in Schleswig-Holstein. „Die Dunkelziffer ist hoch – auch weil die Hürde für Betroffene oft hoch ist, sich Hilfe zu suchen. Gewalt an Frauen ist in keiner Weise tolerierbar. Darüber müssen wir reden. Daher ist die Aktion ‚Gewalt kommt nicht in die Tüte´ unglaublich wichtig: Sie schafft notwendige Aufmerksamkeit und der Anruf beim Hilfetelefon kann ein erster wichtiger Schritt sein, um Gewaltstrukturen in Beziehungen aufzulösen.“

Landesministerin Aminata Touré (v. l.) Kreispräsident Helmuth Ahrens, Bäckermeister Jörg Dwenger, Landesinnungsmeister Dirk Baumgarten und Kreis-Gleichstellungsbeauftragte Tinka Frahm eröffnen vor der Bäckerei Dwenger die Aktionswoche „Gewalt kommt nicht in die Tüte“.
Landesministerin Aminata Touré (v. l.) Kreispräsident Helmuth Ahrens, Bäckermeister Jörg Dwenger, Landesinnungsmeister Dirk Baumgarten und Kreis-Gleichstellungsbeauftragte Tinka Frahm eröffnen vor der Bäckerei Dwenger die Aktionswoche „Gewalt kommt nicht in die Tüte“. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Laut aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamts wird fast alle zwei Minuten in Deutschland ein Mensch Opfer von Häuslicher Gewalt. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Ex-Partner, eine Frau zu töten. „Jeden dritten Tag gelingt es“, sagt Ministerin Touré.

Gewalt gegen Frauen: Dunkelziffer deutlich höher

Die Polizeistatistik weist für das Jahr 2021 aus, dass es zu rund 80 Prozent Frauen sind, die Opfer häuslicher Gewalt werden. Im Jahr 2022 gab es im Kreis Pinneberg 630 Fälle von häuslicher Gewalt, die polizeilich angezeigt worden sind. Das sind jeden Tag zwei Fälle. Die Dunkelziffer ist deutlich höher.

„Was hat sich in 20 Jahren erledigt? Nichts“, sagt Pinnebergs Kreispräsident Ahrens. Mit der Aktionswoche wolle man ein deutliches Zeichen setzen. „Mit der Aktion richten wir uns nicht nur an Betroffene, sondern auch an Menschen aus dem Umfeld, die ahnen oder wissen, dass bei Freunden oder in der Nachbarschaft Gewalt ausgeübt wird. Eine Telefonnummer lässt sich einfach weitergeben.“ So solle der Teufelskreis durchbrochen werden, so Ahrens.

Bäckerinnung unterstützt seit 20 Jahren „Gewalt kommt nicht in die Tüte“

Die Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ ist eine gemeinsame Initiative der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in Schleswig-Holstein, des Landesinnungsverbandes des Bäckerhandwerks Schleswig-Holstein, der Bündnisse gegen Gewalt und des KIK-Netzwerks in Schleswig-Holstein. KIK steht für Kooperation und Intervention gegen häusliche Gewalt. Zusätzlich zu den Bäckereien werden während der Aktionswoche die Brötchentüten auch auf Wochenmärkte, in Verwaltungen oder Fußgängerzonen verteilt.

Dirk Baumgarten, Landesinnungsmeister des Landesinnungsverbandes des Bäckereihandwerks in Schleswig-Holstein: „Wir freuen uns, dass wir zum 20. Mal wiederum die Unterstützung aus den Reihen unserer Handwerksbäckereien erhalten haben. Die Aktionstüte mit der Nummer des Hilfetelefons wird in den Bäckereien im gesamten Bundesland zu finden sein und wir hoffen, damit unseren Teil dazu beizutragen, dieses wichtige Thema transparenter und den Betroffenen Mut zu machen.“ Die Brötchentüte ist ein beliebter Werbeträger. Doch für diese Aktion verzichten die Bäckereien für eine Woche im Jahr auf die Einnahmen.

Gleichstellungsbeauftragte Dora Beckmann rief Aktion ins Leben

Dass die Aktion zu ihrem 20. Geburtstag im Kreis Pinneberg startet, ist kein Zufall. Dort nämlich hatte sie auch ihren Ursprung. Dora Beckmann, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Rellingen, hat die Aktion ins Leben gerufen und aus dem Kreis Pinneberg ins Land getragen. Auch sie war bei der Auftaktveranstaltung dabei. „Ich freue mich, dass die Aktion ‚Gewalt kommt nicht in die Tüte‘ nachhaltig ist und auch nach so langer Zeit noch stattfindet“, sagt Beckmann. „Glücklich wäre ich aber, wenn wir solche Aktionen gar nicht mehr brauchen würden.“

Andrea Hansen (v. l.), Christiane Wehrmann und Dora Beckmann haben als Gleichstellungsbeauftragte vor 20 Jahren die Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ im Kreis Pinneberg ins Leben gerufen. Rechts: Tinka Frahm, Gleichstellungsbeauftragte des Kreis Pinneberg.
Andrea Hansen (v. l.), Christiane Wehrmann und Dora Beckmann haben als Gleichstellungsbeauftragte vor 20 Jahren die Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ im Kreis Pinneberg ins Leben gerufen. Rechts: Tinka Frahm, Gleichstellungsbeauftragte des Kreis Pinneberg. © Anne Dewitz | Anne Dewitz

Andrea Hansen, vor 20 Jahren Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Uetersen, ehe sie dort Bürgermeisterin wurde, und Christiane Wehrmann, zwischen 1992 und 2011 Gleichstellungsbeauftragte in Elmshorn, hatten auf der Bundeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten zum ersten Mal von der Aktion gehört und diese In den Kreis Pinneberg getragen.

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Hilfetelefon für von häuslicher Gewalt Betroffene ist anonym und kostenfrei

„Der Anfang war schwer“, erinnert sich Dora Beckmann. Das Projekt lag in ihren Händen, weil die Bäckerinnung ihren Sitz in Rellingen hatte. „Die Sprüche, die wir hörten, als wir die ersten Tüten verteilt haben, waren so schlimm, dass ich sie hier nicht wiederholen möchte.“

Es ginge darum, die toxische Männlichkeit zu durchbrechen, die nicht nur Frauen und Kinder zu schaffen mache, sondern auch Männern, ja zur Zeit der ganzen Welt, so Beckmann. Um so wichtiger sei es, dass mehr Männer diese Aktion unterstützen. Ein Mann und Unterstützer der ersten Stunde ist Bäckermeister Jörg Dwenger: „Die Aktion hat ihre Berechtigung behalten – damals wie heute.“

Das Hilfetelefon ist anonym und kostenfrei. Außer den von Gewalt betroffenen Frauen können sich dort auch Personen aus dem Umfeld melden, die helfen wollen, aber nicht wissen, wie.