Pinneberg. Trotz rechtlicher Mängel bleiben die Rechnungen gültig. Die Stadt Pinneberg will mit den Gebühren mehr als 600.000 Euro einnehmen.

Seit 2020 lagen die Straßenreinigungsgebühren in Pinneberg auf Eis. Doch wer gehofft hat, um die Zahlungen herumzukommen, der wird nun enttäuscht. In den nächsten Wochen gehen die ersten Rechnungen raus, wie die Stadtverwaltung am Dienstag mitteilte.

Das Thema Straßenreinigungsgebühren beschäftigt die Stadt schon lange. Nun wurde es endlich umfassend aufgearbeitet und der Ratsversammlung soll in den kommenden Monaten eine neue Straßenreinigungssatzung zur politischen Abstimmung vorgelegt werden. Auf den Weg gebracht ist auch eine neue Gebührenkalkulation. Die Aufarbeitung sei sehr zeit- und arbeitsintensiv gewesen, heißt es in dem Schreiben.

Trotz rechtliche Mängel: Straßenreinigung muss bezahlt werden

Für alle Gebührenzahler heißt das: Die derzeitigen Bescheide sind gültig und die Rechnungen müssen bezahlt werden. Die mehrmonatige Beratung zwischen Verwaltung, Kommunalaufsicht, Landesrechnungshof und Fachanwalt ergab juristisch: Es bestehen zwar rechtliche Mängel der Gebührenerhebung ab 2020. Diese führen aber nicht zur Unwirksamkeit der bestandskräftigen Dauerbescheide.

Die Stadt muss diese Gebühren erheben und alle Gebührenpflichtigen müssen die Straßenreinigungsgebühren bezahlen beziehungsweise auch nachzahlen. Die Verwaltung wird frühestens Ende Oktober die seit dem Jahr 2020 gestoppten Lastschrifteinzüge nachholen.

Wer noch nie einen Gebührenbescheid erhielt, muss nicht zahlen

„Gebührenpflichtige, die keinem Bankeinzug zugestimmt und bisher auch nicht gezahlt haben, sollten eine Zahlung oder die Erteilung eines SEPA-Mandats zügig nachholen, um Zahlungserinnerungen und Mahnungen zu vermeiden“, heißt es seitens der Stadtverwaltung. Ein entsprechender Vordruck findet sich auf der städtischen Internetseite.

Allerdings muss nicht jeder zahlen. Wer bisher noch nie einen Straßenreinigungsgebührenbescheid erhalten oder rechtzeitig form- und fristgerecht Widerspruch gegen seinen Dauerbescheid eingelegt hat, muss auch nicht rückwirkend zahlen. Denn ausstehende Bescheide dürfen nicht nachgeholt werden. Das heißt aber nicht, dass diese Personen auch zukünftig nicht zahlen müssen. Maßgeblich dafür wird die neue Gebührensatzung sein.

Thema Straßenreinigungsgebühr beschäftigt Pinneberg schon lange

„Der Stadt Pinneberg ist bewusst, dass dies vielen Bürgerinnen und Bürger schwer verständlich zu machen sein wird und bedauert das sehr“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Die Verwaltung handelt aber in Einklang mit den rechtlichen Bestimmungen und den Hinweisen der Aufsichtsbehörde und hat in diesem Fall keine andere Wahl. Dafür wird um Verständnis gebeten.“

Die Straßenreinigungsgebühren in Pinneberg haben eine längere Vorgeschichte. 2011 hatte die Politik beschlossen, die alte Verordnung aus dem Jahr 2002 zu überarbeiten und die Kosten neu zu kalkulieren. Damals war Kristin Alheit (SPD) noch Bürgermeisterin. Umgesetzt wurde der politische Auftrag, die Gebühren für Straßenreinigung auf den aktuellen Stand zu bringen, viele Jahre nicht. Erst 2014 wurden externe Gutachter an Bord geholt und eine Fremdfirma mit der Gebührenkalkulation beauftragt.

Kehrgebühr in Pinneberg lange verschleppt

Dann passierte mehrere Jahre wieder nichts, bis der Politik 2018 wegen der verschleppten Erhöhung der Gebühren der Kragen platzte und sie Aufklärung forderte. Denn die Kosten konnten mit den Gebühren für saubere Straßen bis dahin nicht gedeckt werden. Wie viel Geld der Stadt durch die Verschleppung verloren ging, ist nicht beziffert.

Die Straßenreinigungssatzung und die Straßenreinigungsgebührensatzung traten dann endlich am 1. Januar 2020 in Kraft. Eine externe Firma leistete die Vorarbeiten für die Bescheid-Erzeugung, richteten ein Buchungsverfahren ein und ordneten Flur- und Grundstücke den Eigentümern zu.

Stadt Pinneberg setzte Versand weiterer Bescheide aus

Der Fachdienst Finanzen der Stadtverwaltung übernahm Anfang Juni 2022 den Sachverhalt und verschickte erste aktualisierte Dauerbescheide. Die erste Beratungsfirma teilte dann Ende Juni 2022 mit, dass beide Satzungen möglicherweise aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Schleswig zum gemeindlichen Eigenanteil bei der Straßenreinigung sowie weiterer rechtlicher Mängel unwirksam sein könnten.

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Im Oktober 2022 setzte die Stadt den Versand weiterer Bescheide aus. Die interne Prüfung ergab, dass die Satzung nicht einfach geändert werden kann. Dafür war der Klärungsbedarf viel zu groß. Eine rückwirkende Neukalkulation wäre etwas weniger aufwändig gewesen, hätte aber immer noch mindestens 1,8 Millionen Euro – das meiste davon Personalkosten – gekostet. Dagegen standen die erwarteten Einnahmen aus den Gebühren von circa 213.000 Euro im Jahr in keinem Verhältnis.

Durchschnittlich fallen rund 58,94 pro Jahr Gebühren an

Kommunalaufsicht und Landesrechnungshof rieten von einer Aufhebung der Straßenreinigungsgebührensatzung ab. Die Stadt sei verpflichtet, Gebühren zu erheben. Die Kommunalaufsicht empfahl, die in 2022 aktualisierten sowie die älteren, noch nicht aktualisierten Dauerbescheide angesichts der angespannten Haushaltslage bestehen zu lassen.

Dies betrifft 3614 von 4957 Fällen. Sie werden nun Zahlungserinnerungen erhalten. Durchschnittlich müsste jeder Gebührenschuldner rund 58,94 pro Jahr zahlen. Der Betrag ist allerdings abhängig von der Straßenfrontlänge des Grundstücks und der Reinigungsklasse der Straße.