Quickborn. Die kleine Josephine kam vergangene Woche nur im Kreise der Familie zur Welt. Wie ein Volkslied bei der Vorbereitung half.

So eine Hausgeburt ist heute selten. Wenn nicht sogar: extrem selten. Zumal noch nicht einmal eine Hebamme dabei war. Und doch: „Es war eine Geburt wie sie im Bilderbuch steht“, freut sich die junge Mutter Vivianne Margarete Schell (33).

Sie hat vor wenigen Tagen ihr zweites Kind zu Hause in Quickborn entbunden. Ganz entspannt im Familienkreis. Nur ihr Mann Alexander und Töchterchen Romy-Soraya (2) waren dabei, als die kleine Josephine als waschechte Quickbornerin vor gut einer Woche zur Welt kam. Weder Arzt noch Hebamme wurden dafür gerufen.

Quickborn – Ohne Arzt und Hebamme: Hausgeburt „wie aus dem Bilderbuch“

„Das war mein Wunsch, es allein zu Hause zu versuchen“, sagt Mutter Vivianne Margarete Schell, der die Strapazen der Geburt kaum noch anzusehen sind. „Denn zu Hause fühle ich mich am wohlsten.“ Sie möchte dieses „wunderschöne Erlebnis“ gerne mit der Öffentlichkeit teilen.

So ist doch die 50 Zentimeter große und 3330 Gramm leichte „Josy“ mit sechs flotten Stunden „eine wahrhafte Quick-Bornerin“, sagt sie, während die Großmutter das schlafende Baby behutsam im Arm hin und her wiegt.

Hausgeburt: Mutter ist abenteuerlustig – sie hat einen Pilotenschein

Die Oma war selbst ganz überrascht, als ihre Tochter ihr am vorigen Donnerstag früh brühwarm mitteilte, dass sie erneut Großmutter eines prachtvollen Mädchens geworden sei. „Und wo ist die Hebamme?“ habe sie aufgeregt gefragt und sich noch gewundert, „das geht doch nicht“, als sie erfuhr, dass die nur auf Rufbereitschaft zugegen war.

„Meine Tochter liebt wohl das Abenteuer“, erklärt die Großmutter diese schöne Geschichte, die für alle so gut ausgegangen ist. Damit meint sie, dass die junge Mutter gelernte Stewardess ist, die für eine private Charterfluggesellschaft arbeitet, den Pilotenschein besitzt und selbst einmotorige Propellermaschinen wie die Cessna fliegt.

Zweite Geburt in Quickborn hat nicht so lange gedauert wie die erste

Schon ihre erste Tochter Romy-Soraya wollte sie vor zweieinhalb Jahren zu Hause entbinden. Doch dann sei sie doch zur Sicherheit in eine Klinik in Hamburg gefahren, wo sie damals noch gewohnt hat, erzählt die zweifache Mutter. Die Geburt habe 23 Stunden nach Einsetzen der ersten Wehen gedauert, erinnert sich Vivianne Schell. Beim zweiten Mal wollte sie diese Erfahrung unbedingt zu Hause machen.

Und so hat sich die ganze Familie auf die Hausgeburt vorbereitet. Zusammen mit ihrem Mann habe sie sieben Stunden lang eine Online-Geburtsvorbereitung zur „sanften Geburt“ des Schweizer Geburtstrainers Urs Camenzind verfolgt und studiert. „Das war eine so tolle Begleitung.“ Der Kurs habe sie beide darin bestärkt, es alleine zu Hause zu machen.

Der Vater? Agiert als „stiller Friedenswächter“

Auch wenn bei der Geburt sich alles auf das Wohlergehen von Mutter und Kind konzentriere – der werdende Vater erfülle die ebenso wichtige Rolle des „stillen Friedenswächters“, erzählt Vivianne Schell, die hochschwanger mit Mann und Kind wieder nach Quickborn gezogen ist, wo sie selbst aufgewachsen und zur Schule gegangen ist.

Auch das kleine Schwesterchen Romy habe sie mit Geschichten und Liedern behutsam in die möglichen Begleiterscheinungen der bevorstehenden Hausgeburt eingeweiht. Wochenlang hätten sie zusammen immer wieder ihr Lieblingsbilderbuch „Runas Geburt“ gelesen, erzählt ihre Mutter.

Volkslied „Bruder Jacob“ wurde für die Wehen umgetextet

Und auch das bekannte Volkslied „Bruder Jacob“ habe sie eigens umgetextet mit den Zeilen „Wehen kommen, spürst du sie – Muskelkontraktionen öffnen den Geburtskanal – dein Schwesterchen kommt gleich raus.“

Auf diese Weise habe sie Romy auf das baldige Ereignis so spielerisch vorbereitet, dass die Kleine die Geburt ihres Schwesterchens kaum erwarten konnte. So wusste sie zudem auch, dass die Geburt mit Schmerzen, Stöhnen und Blut verbunden sein kann.

Um kurz vor Mitternacht ging’s dann los. Die ersten Wehen traten ein, die die werdende Mutter in den Armen ihres Mannes zunächst noch weghecheln konnte. Doch irgendwann platzte die Fruchtblase und es ging alles recht schnell. Nach wenigen Presswehen schaute die jüngste Quickbornerin schon mit dem Kopf heraus und ihre Schwester Romy, inzwischen aufgewacht, rief: „Josy kommt.“

Klemme und Schere für die Nabelschnur lagen bei 200 Grad im Ofen

Mutter und Vater fingen das Baby auf. Nach genau sechs Stunden war alles vorbei und die junge Familie lag erschöpft, zufrieden und entspannt auf dem Bett mit dem Neugeborenen auf dem Bauch der Mutter. Für das Durchtrennen der Nabelschnur hatten sie die Klemmen und Schere eigens bei 200 Grad im Ofen sterilisiert.

„Das war alles so schön, eine richtige Traumgeburt“, strahlt die junge Mutter auch eine Woche nach dem Erlebnis in ihrem kleinen Zuhause mitten in Quickborn. Sie könne anderen schwangeren Frauen nur empfehlen, es ähnlich zu versuchen. Sie habe von Anfang an immer ein gutes Gefühl gehabt, dass es auch klappt.

Hausgeburt in Quickborn: Plan B sah eine Fahrt ins Krankenhaus vor

Aber natürlich sei sie vernünftig gewesen und habe darauf geachtet, dass der Zustand des Babys im Bauch durch ärztliche Begleitung diese Erfahrung auch zuließ. Die gesamte Schwangerschaft sei einfach problemlos verlaufen, berichtet Vivianne Schell. Für den Plan B hätte sie sich aber vorsorglich auch zur Entbindung im Krankenhaus angemeldet. Doch das war zum Glück nicht notwendig.

Ihre Hamburger Hebamme, die seit 33 Jahren schwangere Frauen auf die Geburt vorbereitet, sagt, sie habe die junge Quickbornerin darin bestärkt, es allein mit einer Hausgeburt zu versuchen. „Das ist für die ganze Familie das schönste Erlebnis“, sagt sie.

„Wissen Sie, was so ein kleines Kind als erstes macht, wenn es auf die Welt gekommen ist?“, fragt sie und antwortet gleich selbst: „Es schreit nicht, es staunt nur. Es hat keine Angst und ist nur neugierig.“ Wenn die werdende Mutter die Geburt als eine Art „Hingabe an die Wehen“ verstünde, spüre diese die Schmerzen nicht so sehr und könne sich voll und ganz darauf konzentrieren, dass sie nun ein neues Leben auf die Welt brächte.