Rellingen. Günther Wehmeier ist pensioniert, unterrichtet aber immer noch Plattdeutsch. Wie er sich für den Erhalt der Sprache einsetzt.

Günther Wehmeier hat ein Ziel des niederdeutschen Lyrikers und Schriftstellers Klaus Groth mit großer Leidenschaft übernommen. Dieser hatte sich im 19. Jahrhundert vorgenommen, „die Ehre der plattdeutschen Mundart zu retten.“

Im Jahr 2023 möchte der 73 Jahre alte Rellinger Wehmeier die plattdeutsche Sprache denjenigen näherbringen, denen die größtmögliche Zukunft offensteht: den Kindern. Aktuell sprechen in ganz Deutschland circa zwei bis fünf Millionen Menschen Plattdeutsch.

„Plattdeutsch wird belächelt“: Ex-Lehrer aus Rellingen kämpft dagegen an

Wehmeier leitet ehrenamtlich an der Erich-Kästner-Grundschule in Rellingen-Krupunder eine Plattdeutsch AG für neun oder zehn Jahre alte Schüler der dritten und vierten Klasse.

„Es ist die kleinste Grundschule im Dorf. Und Plattdeutsch hat dort eine lange Tradition wegen des ehemaligen Schulleiters Manfred Eckhof, der auch zum Beispiel mit dem Theaterverein auf vielen Bühnen stand“, erzählt Wehmeier, Bei zwölf Kindern möchte er den Spaß an dieser Sprache wecken.

Rellinger kämpft mit Leidenschaft für den Erhalt der Sprache

Plattdeutsch sei seiner Meinung nach ein großer und bedeutender Teil der norddeutschen Kultur, der auch über die Schulen wieder vermehrt in die Familien hineingetragen werden solle. Seit 2015 unterrichtet Wehmeier an der EKS. Dabei sei auch die ursprüngliche Herkunft völlig egal.

„In diesem Schuljahr habe ich aktuell keine Kinder mit einem Migrationshintergrund im Kursus dabei, aber davor so gut wie immer. Und auch diese Kinder waren immer begeistert von der plattdeutschen Sprache“, sagt Wehmeier. Schließlich sei der frühe Kontakt mit fremden Sprachen im Kindesalter immer hilfreich, auch später weitere „echte“ Fremdsprachen wie Englisch oder Französisch leichter lernen zu können.

Plattdeutsch: Keine große Begeisterung im Kreis Pinneberg

Eine flächendeckende Begeisterung im Kreis Pinneberg für Plattdeutsch bleibt jedoch aus. Petra Kerschinsky ist die Kreisfachberaterin für Niederdeutsch – der Sitz ist in Kaltenkirchen. Sie kümmert sich sowohl um den Kreis Segeberg als auch für den hiesigen Kreis.

„Der Kreis Pinneberg ist schon eher eine Diaspora, was Plattdeutsch angeht. Da ist diese Sprache zum Beispiel an der Westküste viel verbreiteter“, sagt der Rellinger. Es gibt landesweit insgesamt 46 plattdeutsche Modellschulen – 36 Grundschulen und zehn Gemeinschaftsschulen. Im Kreis ist lediglich die Grundschule Seester Teil dieses Programms.

Wehmeier war 35 Jahre Berufsschullehrer für Spanisch und Wirtschaft

Wehmeier war selbst 35 Jahre Berufsschullehrer für Spanisch und Wirtschaft und bedauert, dass es nur noch wenig plattdeutsche Berührungspunkte in der Region gibt.

„In meiner Kindheit war Plattdeutsch die Alltagssprache. Die alltägliche Kommunikation war auf Niederdeutsch. Auch wenn meine Eltern nur Hochdeutsch mit mir gesprochen haben, aus Angst, dass ich es sonst verlernen könnte“, sagt Wehmeier, der aus Wees (Kreis Schleswig-Flensburg) stammt. Das war wegen „de Utsicht“. Die Aussicht beziehungsweise Weitsicht – aus dem Jungen sollte ja schließlich etwas werden.

Das hat offensichtlich geklappt. Über den Umweg Lehre im Großhandel setzte sich dann doch die Pädagogik-DNA durch. Von 1980 an war er an der Berufsschule Elmshorn tätig. Die plattdeutsche Rückbesinnung folgte dann allerdings erst wieder so richtig mit dem Ruhestand.

Plattdeutsch: Rellinger stört die Reduktion auf Klamauk

Seit acht Jahren ist er in Rente. „Also die Sprache war natürlich immer da. Aber dann kam der Wunsch wieder, darauf mehr den Fokus zu legen. Es ist ja nun einmal auch so, dass Plattdeutsch auch immer so ein wenig belächelt wird. Selbst im eigenen Freundeskreis“, so der Rellinger. Das stört ihn ebenfalls. Und das sei zum Teil auch ein hausgemachtes Problem.

Plattdeutsch hafte das Image von Klamauk an – etwa in Theaterstücken, TV-Beiträgen und mehr. Oft werden die Protagonisten gewollt „dösbaddelig“ – also tollpatschig bis einfältig – dargestellt.

Nun sei es ja nun einmal so, dass die Sprache aus der Dorfbevölkerung komme, „und solche Sketche haben ja auch absolut ihre Daseinsberechtigung, aber ich finde, die plattdeutsche Sprache hat viel mehr als diese eine Facette zu bieten. Auf diese Reduktion reagiere ich schon etwas allergisch. Da müsste viel mehr Ernsthaftigkeit eine Rolle spielen“, meint der 73-Jährige.

Ex-Lehrer Wehmeier wünscht sich mehr Plattdeutsch in den Medien

Alle Medien könnten doch auch regelmäßig Artikel in plattdeutscher Sprache verfassen. Es gebe viel mehr Potenzial und viel Luft nach oben, diese Nische in der Berichterstattung noch deutlich zu vergrößern. Wehmeier engagiert sich in der Initiative Funklock stoppen, die sich vehement dafür einsetzt.

Zudem ist der Ex-Lehrer in vielen weiteren Initiativen aktiv, beispielsweise auch im Netzwerk Niederdeutsch – das dem Institut für Qualitätsentwicklung Schulen Schleswig-Holstein angeschlossen ist. „Bei den Fortbildungen und Treffen sind viele Lehrer dabei, auch junge, die sich dafür einsetzen und motiviert sind, das Plattdeutsche an die Schulen zu bringen“, sagt er.

Rellingen: Wunsch nach Plattdeutsch-Unterricht an Grundschulen

Trotz des Wissens vom Fachkräftemangel wünscht Wehmeier sich einen regelmäßigen Plattdeutsch-Unterricht an Grundschulen, möglichst vier Stunden in der Woche. Er selbst hat auch viele Texte auf Plattdeutsch interpretiert, etwa für das Schulamt Plön. Für den Quickborn Verlag, spezialisiert auf plattdeutsche Literatur, hat er das Buch Findefuchs von Irina Korschunow ins Niederdeutsche übersetzt.

Der Einsatz für die plattdeutsche Sprache, müsse einfach intensiviert werden. Auch von den jüngeren Generationen. Schließlich heißt es in Artikel 13 der Landesverfassung für den Bereich Kultur: „Das Land schützt und fördert die Pflege der niederdeutschen Sprache.“ Und für das Schulwesen: „Das Land schützt und fördert die Erteilung von Friesischunterricht und Niederdeutschunterricht in öffentlichen Schulen.“