Wedel. Im Landesvergleich schneidet der Kreis sehr schlecht ab. Das ließe sich laut Kritikern vor allem durch einen Faktor ändern.

Landes- und sogar bundesweit wird der massive Ausbau von erneuerbaren Energien gefordert. Doch an der konkreten und schnellen Umsetzung hapert es oft – auch im Kreis Pinneberg: Im Jahr 2021 war der Kreis mit den kreisfreien Städten Flensburg, Lübeck, Neumünster und Kiel das Schlusslicht, was die Erzeugung von Energie, etwa aus Windkraft oder Solar-Anlagen, betrifft.

Kritiker mahnen schon länger, dass sich das schleunigst ändern muss. Daran dürfte sich bis heute grundsätzlich nicht viel geändert haben. Eine Auswertung für das vergangene Jahr auf die Kreise aufgeschlüsselt fehlt bisher.

Kreis Pinneberg ist Schlusslicht: So wenig Öko-Strom wird erzeugt

In einem Vergleich aller Kreise Schleswig-Holsteins des Landesverbands Erneuerbare Energien mit Daten aus 2021 war der gesamte Kreis Pinneberg auf Grundlage des sogenannten Marktstammdatenregisters der Bundesnetzagentur weit hinten. In dieser Online-Datenbank werden sämtliche Energie-Erzeugungen für Strom- und Gasnetze behördlich erfasst.

Der Kreis kam auf eine Leistung bis maximal 100 Megawatt produzierten Strom aus erneuerbaren Energien. Spitzenreiter des landesweiten Rankings war unter anderem der Kreis Dithmarschen, der bis zu 3000 Megawatt, vor allem aus Windkraft, generiert. Ein Megawatt sind eine Million Watt.

Dach- und Fassadenphotovoltaik liefern den meisten Strom

In ganz Deutschland lag der Verbrauch im Jahr 2022 bei circa 482 Terawattstunden – ein Terawatt sind eine Million Megawatt. Der Anteil an erneuerbaren Energien beim Stromverbrauch lag in Deutschland bei 48,3 Prozent im Vorjahr. Auf den Kreis Pinneberg bezogen ist die produzierte Strommenge aus ökologisch sinnvollen Quellen bislang jedoch noch sehr klein.

Der überwiegende Teil der Energie im Kreis Pinneberg war im Jahr 2021 über Dach- und Fassadenphotovoltaik-Anlagen produziert worden, gut ein Viertel über Windkraft-Anlagen. Der Rest etwa über Bio-Masse und Freiflächen-Photovoltaik.

Kreis Pinneberg: Kritiker sehen Potenzial für mehr Freiflächen-Anlagen

Gerade bei den Freiflächen sehen Gemeinde-Politiker und Umweltschützer, die vehement für den massiven Ausbau „grüner“ Energie werben, erhebliches Steigerungspotenzial im Kreis.

Die Kreisverwaltung Pinneberg ist anderer Meinung. „Der Kreis Pinneberg ist sehr urban geprägt und gehört mit 479 Einwohnern pro Quadratkilometer zu den 30 am dichtesten besiedelten Kreisen in Deutschland. Entsprechend gibt es vergleichsweise wenige potenzielle Flächen, die für erneuerbare Energien ausgewiesen sind – heißt Photovoltaik-Freiflächen und Onshore-Windenergie-Anlagen“, sagt Kreissprecherin Katja Wohlers.

Gesetze für Landschaftsschutzgebiete müssten geändert werden

Zuletzt hatten die Wedeler Grünen-Politikerin Petra Kärgel und der Hetlinger Umweltschützer Ralf Hübner intensiv dafür geworben, die Gesetzesgrundlage für sogenannte Landschaftsschutzgebiete und Grünzüge zu ändern, um in deren Randgebieten Photovoltaik-Freiflächen-Anlagen für die Stromversorgung in den Gemeinden aufstellen zu können.

Petra Kärgel und Ralf Hübner setzen sich dafür ein, dass Photovoltaik-Anlagen in Randgebieten von Landschaftsschutzgebieten im Kreis Pinneberg aufgestellt werden dürfen.
Petra Kärgel und Ralf Hübner setzen sich dafür ein, dass Photovoltaik-Anlagen in Randgebieten von Landschaftsschutzgebieten im Kreis Pinneberg aufgestellt werden dürfen. © Frederik Büll

Gut 45 Prozent der Fläche des Kreises Pinneberg sind als Landschaftsschutzgebiete deklariert und dürfen damit – bislang – nicht bebaut werden. Das müsse geändert werden. Und zwar schnell.

„Wir streben eine Ausnahmegenehmigung an, die zeitlich befristet und auf einen Flächenbedarf von maximal 1 Prozent der Gemeindefläche oder auf die notwendigen Flächen für die Deckung des energetischen Eigenbedarfs einer Gemeinde begrenzt ist“, so Hübner.

Solar-Energie: Kreis Dithmarschen gibt Flächen problemlos frei

Anderswo läuft es reibungsloser: Im Kreis Dithmarschen seien zuletzt in einem Schwung sieben Flächen solcher Landschaftsschutzgebiete freigegeben worden, meint Kärgel. Das Paradoxe: Konventionelle Landwirtschaft mit dem Einsatz von Pestiziden ist auf Ackerflächen von Landschaftsschutzgebieten – mit all seinen negativen Folgen für Flora und Fauna – erlaubt. Der Aufbau von Solar-Anlagen bislang aber nicht.

„Eine aufgeständerte Freiflächensolaranlage, zum Beispiel mit einer Größe von vier bis sechs Hektar in einer Randregion des Landschaftsschutzgebiet zu errichten, fördert sogar den Arten-, Natur- und Landschaftsschutz und verhindert ihn nicht“, sagt Hübner. Es gebe genügend Gutachten von renommierten Instituten, die dies belegen.

Solar-Energie: Im Kreis Dithmarschen werden Flächen problemlos freigegeben

Bislang ist jedoch in der Änderung der Gesetzeslage wenig Bewegung. Der Kreis lässt aktuell vielmehr ein Dachkataster erstellen. Eine Ausschreibung wird vorbereitet.

„Das Dachkataster weist Potenziale für Solar- und Gründach aus“, sagt Katja Wohlers von der Kreisverwaltung. „Der Umweltausschuss hat den politischen Auftrag an die Verwaltung formuliert, dieses Dachkataster schnellstmöglich für den Kreis und die kreisangehörigen Kommunen auf den Weg zu bringen.“

Es ist zudem eine Informationsveranstaltung zum Thema erneuerbare Energien für alle Kommunen des Kreises geplant – die Städte und Gemeinden werden gebeten, dafür konzeptionelle Vorarbeiten zu leisten.

Insbesondere im Bereich der privaten Photovoltaik-Anlagen sei im Kreis Pinneberg im laufenden Jahr viel passiert, so Sprecherin Wohlers. Es sei jedoch bekannt, „dass die Energiegewinnung durch Dach- oder Fassaden-Photovoltaik-Anlagen nicht ausreichen wird, um die Energie-und Klimakrise effektiv zu bekämpfen“, sagt Hübner, der auch in der Arge Umweltschutz Haseldorfer Marsch aktiv ist.

Solar-Anlage von zwei Hektar Größe kann 650 Haushalte versorgen

Ihm gehe es darum, den Strombedarf von Gemeinden wie Hetlingen, Haseldorf, Heist oder der Stadt Wedel weitestgehend über umweltfreundliche Solar-Energie decken zu können. Schon eine Freiflächen-Anlage von etwa zwei Hektar Größe könnte etwa circa 650 Haushalte versorgen.

Hübner wird deutlich: „ Ich fordere daher das Land Schleswig-Holstein und alle Beteiligten im Kreis auf, ihre Positionen zu verändern und den Gemeinden die Erlaubnis zu erteilen, bis zur Beendigung der Energiekrise auf maximal einem bis drei Prozent der Gemeindeflächen bauen zu dürfen.“

Das soll „inklusive der Randgebiete der Landschaftsschutzgebiete und Grünzüge für den Eigenbedarf Freiflächensolaranlagen“, geschehen. „Weiterhin sind die Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und mit höchster Priorität zu bearbeiten“, so Hübner.

Kreis Pinneberg: So steht es um die Wind-Energie

Der Windpark in Raa Besenbek weist nach einem sogenannten Repowering im zweiten Halbjahr 2022 eine Leistung von 14,4 Megawatt aus. Mit Repowering ist die Erneuerung der Technik gemeint, um die Leistung zu erhöhen. Der Windpark in Bokel bringt eine Leistung von 18,3 Megawatt. Der Windpark in Uetersen soll nach Angaben der Kreisverwaltung auch repowert werden – auf etwa 22 Megawatt.

Aktuell weist Uetersen eine Leistung von 7,8 Megawatt aus. Vier Potenzialflächen mit einer Größe von 180,6 Hektar sind in den jetzt gültigen Regionalplan zum Thema Wind aufgenommen. „Es gibt also Ausbaumöglichkeiten, diese bewegen sich aber in einem überschaubaren Rahmen“, so Wohlers. Insgesamt gibt es 14 Windkraftanlagen im Kreis Pinneberg.