Kreis Pinneberg

„Nur wer selbst brennt, kann Feuer entfachen“

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Oberst Thomas Berger (56) vor dem Stabsgebäude der Marseille-Kaserne in Appen.

Oberst Thomas Berger (56) vor dem Stabsgebäude der Marseille-Kaserne in Appen.

Foto: Laura Kosanke

Thomas Berger ist neuer Kommandeur der Unteroffizierschule in Appen. Wie er über Führung und die Rolle der Bundeswehr denkt.

Appen.  Erftstadt, Irak, Wedel... Zum siebten Mal hat der Soldat den Wohnort gewechselt. Zum 20. Mal hat er eine neue Position besetzt. Oberst Thomas Berger befiehlt seit Mitte Oktober die Unteroffizierschule der Luftwaffe in Appen. Dort arbeitet er als neuer Kommandeur und Standortältester. Im Abendblatt-Gespräch berichtet der 56-Jährige, was sich hinter seinen Titeln verbirgt, wie er es nach Appen geschafft hat und dass er privat mit seiner Ehefrau abtaucht.

Als seine Freunde vom neuen Job erfahren, fragt einer: „Ist es nicht schlimm, versetzt zu werden und Ältester zu sein?“ – „Das hat nichts mit dem Lebensalter zu tun“, antwortet er. Es sei eine Bezeichnung für den Verantwortlichen der Liegenschaften, die zum Standortbereich gehören. Für Berger sind das unter anderem die Marseille-Kaserne und Bereiche auf Helgoland. Er zählt auf: „Wir haben eine Schießanlage, ein Übungsgelände… Meine Aufgabe ist es, mit meinem Team die Vergaberichtlinien festzulegen.“ In der Regel sei das die Aufgabe des Dienstgradhöchsten. Und in Appen ist das der Kommandeur.

Vorgänger Michael Skamel ist nach Köln versetzt worden

Berger ist nun Chef der Unteroffizierschule, hat am 15. Oktober Oberst Michael Skamel abgelöst, der nach Köln gewechselt ist. Es ist seine Hauptaufgabe, die Soldatinnen und Soldaten zu Unteroffizieren auszubilden. Das ist seine Passion. „Es gibt keine schönere Position als eine Führungsverwendung für ein Soldaten- und Ausbilderherz.“ Das sei nötig, sonst würde etwas fehlen. Sein Lehrmotto lehnt daran an, entspringt der Feder Augustinus’ von Hippo, einem Kirchenlehrer um 400 nach Christus: „Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen.“

Das erwartet der Kommandeur auch von den Lehrgangsteilnehmern. Schließlich werden sie einmal Führungskräfte sein. Deshalb sollten sie für den Job brennen, sollten Selbstdisziplin, Lernmotivation, Führungskompetenz und Biss für eine Karriere bei der Luftwaffe mitbringen. Noch etwas ist dem Soldaten sehr wichtig: „Wer nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung steht, hat bei uns nichts zu suchen.“

Von Fürstenfeldbruck bis in den Irak und nach Appen

Berger berichtet, wie er selbst den Sprung in die Luftwaffe geschafft hat: Schon als Kind schaut er Militärflugzeugen beim Abheben und Landen zu. Eine Selbstverständlichkeit für den Jungen, denn er wächst im bayerischen Fürstenfeldbruck auf. Dort befindet sich der gleichnamige Fliegerhorst. Der Junge kommt mit Soldaten in Kontakt und möchte selbst zur Luftwaffe gehen.

Im Alter von 18 Jahren macht er seinen Traum wahr. Am 4. Oktober 1982 meldet er sich als Zeitsoldat zum Dienst, beginnt die Grundausbildung in Nürnberg. An diesem Tag lernt der gerade Volljährige seine Kameraden kennen. „Wir sind mit einem Zug angereist und dann in olivfarbenen Bussen zu einer Turnhalle gebracht worden. Ich war stolz und habe mich gefreut, dass es losgeht.“ Dort angekommen, registriert er sich und bekommt den Schlüssel zu seiner „Stube“, die er sich mit fünf anderen teilt.

In der Grundausbildung merkt er sich Flugzeugtypen mittels Diaprojektion und lernt, „ob das Freund oder Feind ist“, der vorbeifliegt. Als er fertig ist, kommt er zurück nach Fürstenfeldbruck. Fünf Jahre später ist er Berufsoffizier, lässt sich in der Folgezeit zum Objektschützer und Personalmanager ausbilden, arbeitet auch für das Bundesministerium für Verteidigung. 2019 ist er sogar im irakischen Bagdad eingesetzt, um ein Projekt zur Friedenssicherung mit dem Namen „Counter Daesh/Capacity Building“ zu unterstützen.

Zivilgesellschaft soll mit der Bundeswehr in Dialog treten

Ob Berger in seiner Zeit bei der Bundeswehr Angst hatte? „Nicht wirklich. Ich habe zwar Situationen erlebt, die nicht besonders friedvoll waren. Auf solche Situationen war ich aber vorbereitet und mein Umfeld hat mich beschützt“, sagt er. Mehr dürfe er nicht verraten. Arbeitsgeheimnis.

Ihm ist bewusst, dass sein Beruf sein Leben fordern könnte. Das war es schon immer, sagt der neue Kommandeur. „Meine Berufsgruppe schwört, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes zu verteidigen. Das darf jeder von uns erwarten.“ Im Gegenzug wünscht er sich, dass diese Bereitschaft auf mehr Anerkennung trifft. Seit dem Ende der Wehrpflicht beobachtet er ein zunehmendes Desinteresse an der Bundeswehr. Deshalb wünscht er sich, „dass die Bürgerinnen und Bürger sich interessieren, mit uns in den Dialog treten und uns integrieren.“ In Pandemiezeiten sei das zugegeben schwierig, aber danach hofft er auf mehr Anteilnahme seitens der Bevölkerung – „nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für die Polizei, Feuerwehr und all jene, die sich freiwillig engagieren.“

Der Kommandeur privat: Ehemann, Vater, Taucher

Der Soldat hat seine Berufung bei der Luftwaffe gefunden. Bezahlt dafür den Preis, dass er eine Fernehe führt: Unter der Woche lebt er in einer kleinen Wohnung in Wedel. Am Wochenende fährt er zu seinem Reihenhaus im nordrhein-westfälischen Erftstadt. Dort leben seine Ehefrau und seine 24-jährige Tochter. Sein Sohn wohnt in Buxtehude und arbeitet als Oberstabsarzt bei der Bundeswehr.

Wenn sich Berger und seine Ehefrau sehen, widmen sie sich meisten ihrem Hobby: Sie tauchen ab, erkunden Seen, Meere, Ozeane, nehmen Unterwasserfotos und -videos auf. „Wir sind ständig im Wasser. Das Wetter und die Jahreszeiten hindern uns nicht.“ Das Schietwetter im Norden lässt ihn kalt. Er freut sich darauf, die Umgebung zu erkunden.

Drei bis vier Jahre nimmt er sich dafür Zeit. Dann wird er den Posten in Appen voraussichtlich wieder abgeben, für eine letzte Verwendung vor der Pensionierung ein letztes Mal umziehen. Er sagt: „Es ist gut, dass man ab und zu den Dirigenten auswechselt, um ein neues Konzert zu beginnen.“

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