Pinneberg. Der Krankenstand im Kreis Pinneberg ist während des ersten, stark von Corona beeinflussten Halbjahres, gesunken. Das bedeutet: In der Zeit von Januar bis Juni sind Pinneberger seltener krank gewesen als noch im Vorjahr. Das geht aus dem aktuellen Gesundheitsreport 2020 der Krankenkasse DAK hervor. Dabei wurden Fehltage aus dem ersten Halbjahr des andauernden Jahres mit denen des gesamten Vorjahres verglichen. Die Daten von rund 240.000 Versicherten aus Schleswig-Holstein wurden ausgewertet, davon stammen knapp 14.000 aus dem Kreis.
Häufige Gründe waren psychische Erkrankungen
Im Jahresvergleich reduzierte sich der Krankenstand demnach um 0,1 Prozentpunkte. Konkret bedeutet das, im Vorjahr fehlten täglich 40 von 1000 Arbeitnehmern, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es nur 39. Das sind weniger als im Landesschnitt. In Schleswig-Holstein meldeten sich täglich 42 von 1000 Versicherten krank. Die meisten Fehltage verbuchte landesweit Neumünster mit täglich 50 Krankmeldungen, die niedrigsten der Kreis Nordfriesland mit 36.
Mehr als die Hälfte aller Fehltage im Kreis Pinneberg gingen auf drei Diagnosen zurück: Muskel-Skelett-Erkrankungen, psychische Erkrankungen und Atemwegserkrankungen. Auf Rückenschmerzen oder ähnliche Leiden entfällt rund jeder fünfte Fehltag. 17,5 Prozent ließen sich mitunter wegen Depressionen krankschreiben. Weitere 16 Prozent blieben wegen Bronchitis, Sinusitis oder anderer Atemwegsbeschwerden Zuhause.
Nicht nur im Vergleich zum Vorjahr, auch während des ersten Halbjahrs veränderten sich Anzahl und Dauer der Krankschreibungen: Obwohl Rückenschmerzen und ähnliche Leiden die meisten Ausfalltage verursachten, gingen sie um zehn Prozent und damit am stärksten von allen Diagnosen zurück. Dafür häuften sich in den Monaten von März bis Mai die Fehltage wegen Atemwegserkrankungen. In dieser Zeit – der Hochzeit der ersten Corona-Welle – konnten sich Bürger bei Erkältungssymptomen auch ohne Gang zum Arzt ein Attest ausstellen lassen. Dafür war nur ein Anruf nötig. Im ersten Halbjahr zählt die DAK ein Plus von drei Prozent bei den Fehltagen von Arbeitnehmern.
Krankschreiben per Telefon ist bis Ende 2020 möglich
Das Wissenschaftliche Institut der AOK geht davon aus, dass die Möglichkeit von telefonischen Attesten „einen Einfluss auf die erhöhten Krankenstände … gehabt hat. Gleichzeitig sprechen die Daten dafür, dass die Ärzteschaft und Beschäftigte mit dieser temporären Regelung verantwortungsvoll umgegangen sind.“
Auch Claudia Janthor, Chefin der DAK-Gesundheit in Elmshorn, äußert sich positiv zu den Zahlen. Das sei „ein klarer Beleg“ dafür, dass das Krankschreiben per Telefon „sehr sinnvoll“ sei. Sie gibt zu bedenken, dass auch nach der Corona-Zeit die Ansteckungsgefahr für das Praxispersonal zu beachten ist. „Wenn neue Formen der Kommunikation die persönliche Begegnung in der Arztpraxis ersetzen, ist das ein wichtiger Fortschritt“, sagt die DAK-Chefin.
Der telefonische Weg ist angesichts steigender Corona-Zahlen seit dem heutigen Montag wieder möglich: Ärzte können ihre Patienten jeweils für sieben Tage krankschreiben und das Attest einmalig um noch eine Woche verlängern. Die Möglichkeit besteht vorerst bis Ende des Jahres. Das beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss im Gesundheitswesen vergangene Woche.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte sich im Vorfeld für die Wiedereinführung eingesetzt, um Praxen im Herbst und Winter zu entlasten – und traf auf weitgehende Akzeptanz beim Kreis-Gesundheitsamt, der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein und weiteren Krankenkassen: „Nach unserer Einschätzung ist es eine Chance, Kontakte zu reduzieren“, sagt Kreissprecherin Silke Linne.
Die Meinung teilt Volker Clasen, Sprecher der Techniker Krankenkasse (TK). Ärzte hätten mehr Zeit, sich den Patienten zu widmen, für die eine Behandlung in der Arztpraxis notwendig sei. Der TK-Sprecher bemerkt aber auch, dass die telefonische Krankmeldung an ihre Grenzen stoße. Er sagt: „Ist dem Arzt hingegen eine Diagnose aus der Ferne zu unsicher oder ist für eine weitere Abklärung eine persönliche Vorstellung notwendig, muss der Patient eine Praxis aufsuchen.“
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