Am Kranhaus neben den Knechtschen Hallen in Elmshorn gärtnern Städter gemeinsam und beleben eine Brache

Elmshorn. In Konservendosen wachst Bärlauch, aus Industriepaletten entstehen Beete für Salatköpfe, aus einem mit Erde gefüllten Leinensack sprießen Erdbeeren. Liegestühle und Treckerreifen auf aufgeschüttetem feinen Sand sorgen für Beachclub-Flair. Nicht nur die Radieschen, die hinter dem Kranhaus ausgesät wurden, zeigen erste grüne Triebe. Auch die Idee, in der Industriebrache an den Knechtschen Hallen in Elmshorn ein kulturelles Zentrum entstehen zu lassen, wächst. Bereits jetzt sorgen Freizeitgärtner dafür, dass in Elmshorn am neuen Planungsgebiet Vormstegen aus einer seit Jahren ungenutzten Fläche eine kleine Oase wird. Dabei wird vor allem recycelt und improvisiert.

Irina Noack und Christiane Wehrmann flechten Weidenstöcke, an denen Erbsen emporranken können. Andrea Samota schüttet frische Erde auf, um Feldblumen aussäen zu können. „Ich habe nur einen Schattenbalkon, auf dem nichts wächst“, sagt sie. Die Elmshornerin ist froh, einen Ort gefunden zu haben, wo sie gärtnern kann und auf andere Gartenfreunde trifft.

Leo sprüht mit Graffiti Früchte und Blumen auf eine Sperrholzplatte. Darüber kommt der Schriftzug Freundeskreis Knechtsche Hallen, der das Gartenprojekt initiiert hat. Das Schild soll später am Eingang befestigt werden, damit noch mehr Elmshorner auf das Projekt aufmerksam werden. Denn es lebt vom Mitmachen. Gerade hat Axel Huckfeld, Vorsitzender des Bundes deutscher Baumschulen Schleswig-Holstein, eine Kornelkirsche vorbeigebracht, weil er so von dem Projekt angetan ist. Der heimische Strauch blüht gelb, in der Regel sogar noch vor der Forsythie. Noch wächst er in einem großen Pflanzkübel, doch irgendwann soll er Schatten spenden. Auch andere unterstützen mit Spenden, liefern gratis Saatgut und Paletten.

Zum Auftakt vor zwei Wochen erschienen 200 Schaulustige. Am darauffolgenden Wochenende war es ruhiger. „Aber zehn bis zwölf Leute sind immer hier und packen mit an“, sagt Noack. Die gelernte Gärtnerin besuchte Ende Februar im Kranhaus einen Weidenflechtkursus und wurde von den Freunden der Knechtschen Hallen gleich gekrallt, wie sie selbst sagt. Nun leitet sie die bunte Gruppe mit Fachwissen an. „Es geht aber nicht darum, alles sofort richtig zu machen“, sagt sie. „Es soll einfach sein.“ Der Spaß stehe im Vordergrund.

Vorbild für das Projekt ist Andernach, eine kleine Stadt am Rhein. Dort pflanzte Lutz Kosack, Botaniker und Stadtplaner, entlang der Stadtmauern Tomaten, Johannisbeeren, Kartoffeln und Kürbisse. Der Slogan „Essbare Stadt Andernach“ wurde über die Landesgrenzen bekannt und das Projekt mit Preisen überschüttet. Die Elmshorner Stadtgärtner pflanzen ebenfalls vor allem Essbares an. „Das kann trotzdem hübsch aussehen“, sagt Noack. So spricht die Kapuzinerkresse gleichermaßen Augen und Geschmacksknospen an, und auch die Blüte des Bärlauchs macht was her. Auch die Früchte der goldgelb blühenden Kornelkirsche kann man naschen.

Im Industriemuseum wird die Ernte geschnippelt, zubereitet und gegessen

In ihrem Urlaub will sich Noack das Andernacher Projekt einmal vor Ort anschauen und sich ein wenig inspirieren lassen. Gute Ideen hat sie aber jetzt schon. „Ich werde allen Gehölzen am Parkplatz einen Denkzettel verpassen“, sagt sie lachend und meint Kärtchen mit Namen und Eigenschaften der Bäume. „Damit die Leute auch wissen, womit sie es zu tun haben.“ Es geht beim Urban Gardening – dem städtischen Gärtnern – auch darum, Stadtpflanzen Wissen über die Natur zu vermitteln.

Das Industriemuseum und der Freundeskreis Knechtsche Hallen kooperieren bei dem Gartenprojekt. Schon in der Frauengeschichtswerkstatt im Industriemuseum, der Christiane Wehrmann angehört, wurde ein gemeinschaftliches Gartenprojekt angeregt. Die Ernte wird an jedem ersten Mittwoch im Monat bis September von 11.30 Uhr an in der Hofküche des Museums gemeinsam verarbeitet und verzehrt. Wehrmann kann viele Gründe nennen, warum Besucher im Innenhof des Kranhauses vorbeischauen sollten. Sich draußen wohlfühlen, Gemeinschaft leben, sich in der Stadt erholen, diese mitgestalten. „Elmshorn ist mir wichtig, und ich möchte, dass die Knechtschen Hallen erhalten bleiben“, sagt die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte. „Und ich gärtnere gern.“

Kirsten Käckenhoff, die sich selbst als Verwaltungsmensch bezeichnet, findet in dem Garten am Kranhaus den Ausgleich zur Arbeit. „Ich habe früher in Groß Nordende gelebt und mit meinem Mann eine Baumschule betrieben“, sagt sie. Und sie habe einen Blumenladen gehabt. Zu sehen, wie alles wächst, erfüllt sie mit Freude. „Ich finde es gut, ungenutzte Flächen wie das ehemalige Teppichlager sinnvoll zu nutzen“, sagt sie. Hier am Kranhaus habe jeder die Möglichkeit, kreativ zu werden und seine Talente zu entdecken.