Mit Einstein@home fischte der Computer von Hans-Peter Tobler aus Daten des NASA-Satelliten Fermi vier kosmische Leuchttürme heraus

Rellingen. Fremde Welten, Kosmologie, Urknall und Quantenphysik haben Hans-Peter Tobler von jeher fasziniert. Zwar hat dem Rellinger und gebürtigen Schweizer, der bis vor kurzem noch als Senior Marketing Manager in der Ölbranche aktiv war, sein Job nicht viel Zeit fürs Hobby gelassen. Seinen Wissensdurst hat der heute 63-Jährige aber immer mit viel fachlicher und populärwissenschaftlicher Lektüre gestillt. Vor allem die beiden US-Physiker Lawrence Krauss und Brian Greene („Der Stoff, aus dem der Kosmos ist“) haben es ihm angetan.

Und Tobler hat einen stillen „Mitstreiter“ zu Hause, der ihm die Tür in die Welt der Wissenschaft geöffnet hat: Sein Apple i-Mac, dessen Rechnerkapazitäten er der Wissenschaft seit 2005 über die Plattform Einstein@home zur Verfügung stellt – und die ihm jetzt sogar einen gewissen Ruhm in der Szene der Sternenforscher beschert hat.

Denn Tobler gehört zu einer Gruppe von weltweit acht Astronomiebegeisterten, deren Heimcomputer erfolgreich Daten des Weltraumteleskopes Fermi auswerteten. Mit diesen Ergebnissen konnten Forscher der Max-Planck-Institute für Gravitationsphysik und Radioastronomie jetzt in internationaler Zusammenarbeit vier kosmische Leuchttürme, sogenannte Gammapulsare, nachweisen – dank der Plattform Einstein@home, das mehr als 200.000 Computer von etwa 40.000Teilnehmern aus aller Welt zu einem globalen Superrechner verbindet.

Der NASA-Satellit Fermi beobachtet seit seinem Start im Jahr 2008 den gesamten Himmel im Bereich der Gammastrahlung. Dabei entdeckte er Tausende bisher unbekannte Quellen hochenergetischer Strahlung, unter denen sich vermutlich auch Hunderte neue Pulsare befinden, also die kompakten, schnell rotierenden Überreste explodierter Sterne. Doch diese neuen Gammapulsare eindeutig zu identifizieren, ist sehr rechenaufwendig: Weite Parameterbereiche müssen in sehr hoher Auflösung „abgetastet“ werden. „Das Innovative an unserer Lösung für die rechenaufwendige Suche nach Gammapulsaren ist die Kombination besonders effizienter Verfahren mit der verteilten Rechenkraft von Einstein@home“, sagt Holger Pletsch, Leiter einer unabhängigen Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und Erstautor der nun veröffentlichten Studie. „Die Freiwilligen aus aller Welt ermöglichen es uns, den riesigen Rechenberg der Fermi-Datenanalyse zu bewältigen. Sie leisten so einen unschätzbaren Dienst für die Astronomie.“

Die vier Gammapulsare sind nicht nur die ersten, die Astronomen mit einem freiwilligen verteilten Rechenprojekt gefunden haben. Die kosmischen Leuchttürme selbst weisen Besonderheiten auf. „Spannend ist, dass alle vier Pulsare entlang der Ebene der Milchstraße liegen“, so Koautor Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Denn mit Messungen im Radiobereich wurde dieser Himmelsabschnitt bereits intensiv unter die Lupe genommen. Die vier Pulsare waren dabei allerdings verborgen geblieben, sie lassen sich offenbar nur im Gammabereich beobachten.

Wer bei Einstein@home mitmachen will, kann sich die Software herunterladen, beispielsweise im Downloadbereich beim Albert-Einstein-Institut. Die Frage taucht auf, bei welchem Projekt man mitmachen möchte, erzählt Tobler. Alles weitere läuft vollautomatisch. „Bei Einstein@home kann ich diese Wissenschaft unterstützen, obwohl ich selbst kein Profi-Astronom bin.“ Angesichts von Hunderttausenden vernetzten, gemeinschaftlich arbeitenden Computern hätte er nie erwartet, dass ausgerechnet sein Computer etwas entdecken könnte.

Alle Beiträge werden in einer Veröffentlichung gewürdigt. Die Wissenschaftler nennen dabei namentlich acht Freiwillige, die außer Tobler aus Australien, Frankreich, Kanada, den USA und Japan stammen. Eine Urkunde hat er bereits zugeschickt bekommen. Nach ihm benannt wird allerdings keiner der Gammapulsare. In der Urkunde heißt es, Toblers Computer habe „durch die Bereitstellung von Rechenzeit für Einstein@home den neuen und vorher unbekannten 4,80-Hz Pulsar 1932 + 1926 in Daten des Fermi Gamma-ray Space Telescope entdeckt“. Tobler hat damit kein Problem. Die Sternstunde seines Rechners reicht ihm allemal.

www.aei.mpg.de/164975/03_Einstein_Home