Sechs der elf Ratsmitglieder erklären Austritt und gründen Wedeler Soziale Initiative (WSI)

Wedel. Paukenschlag in Wedels Stadtpolitik: Drei Tage vor der am Donnerstag stattfindenden Ratsversammlung muss die SPD-Fraktion einen nie dagewesenen Aderlass verkraften. Sechs der elf Fraktionsmitglieder sind im Streit ausgeschieden und haben eine eigene Fraktion namens Wedeler Soziale Initiative (WSI) gegründet. Unter den Abtrünnigen befinden sich Stadtpräsidentin Renate Palm, der bisherige SPD-Fraktionschef Andreas Schnieber, sein zweiter Stellvertreter Stephan Bakan und der ehemalige Ortsvereinschef Joachim Funck, der die neue WSI-Fraktion anführen wird. Sie wird durch Birgit Neumann-Rystow und Ingrid Paradies komplettiert und ist nach der CDU (elf Mitglieder) die zweitstärkste Gruppierung in der Ratsversammlung.

„Das war keine Kurzschlussreaktion, sondern das Ergebnis langer Überlegungen“, sagt Funck. Das Verhältnis zu Teilen des SPD-Ortsvorstandes und der bestehenden Fraktion sei „inhaltlich und menschlich“ erheblich gestört gewesen, begründet er diesen drastischen Schritt. Funck: „Da diese Entwicklung schon seit längerem anhält, sehen wir keine realistische Möglichkeit mehr, innerhalb der SPD-Fraktion zu einem konsensorientierten Kommunikationsprozess zum Wohl unserer Stadt zu gelangen.“

Die Unzufriedenheit mit der Arbeit, aber auch mit dem menschlichen Umgang untereinander in Fraktion und Partei sei immer größer geworden. Funck: „Erst waren wir zwei, dann drei, dann schließlich zu sechst. Wir sind alle Leute, die sich nicht verbiegen lassen.“ Am Freitag sei die neue Fraktion gegründet worden, am Sonntag die Information von Bürgermeister Niels Schmidt und den anderen Fraktionen erfolgt. Funck: „Wir haben uns entschlossen, weder unsere Mandate niederzulegen, noch mit fliegenden Fahnen zu anderen Fraktionen zu wechseln, sondern mit einer neuen Fraktion zum Wohle der Stadt weiterzuarbeiten.“ Die WSI wolle angesichts der schwierigen Haushaltssituation der Stadt den eingeschlagenen Weg zur Haushaltskonsolidierung fortführen und besonderen Wert auf den weitgehenden Erhalt der sozialen und bildungspolitischen Errungenschaften in Wedel legen.

Bei der Kommunalwahl Ende Mai hatte sich die SPD in Wedel um 7,1 Prozentpunkte auf 35,3 Prozent verbessert und zehn von 16 Wahlkreisen direkt gewonnen. Noch am Wahlabend gab SPD-Ortsvereinschef Lothar Barop die Parole aus, die Politiker müssten wieder das Sagen haben, die Verwaltung dagegen zurückstehen. Barop, der bereits in den 80er-Jahren als Ratsherr aktiv war und nach einer längeren Pause 2011 mit der Wahl zum Ortsvereinschef sein Comeback feierte, gehört seit der Wahl selbst der Ratsfraktion an. Seitdem kam es dort mehrfach zu Zerwürfnissen, dem Vernehmen nach zwischen ihm, den neu hinzugekommen Fraktionsmitgliedern und den altgedienten Mitgliedern wie Fraktionschef Andreas Schnieber und Joachim Funck, der von 2004 bis 2009 den Ortsverein leitete. Offenbar durften auch bürgerliche Mitglieder mitstimmen, wenn es um die inhaltliche Festlegung zu Themen ging. Auf diese Weise zog die Mehrheit der Ratsmitglieder häufiger den Kürzeren. Es blieb offenbar nicht bei inhaltlichen Differenzen. So berichten Eingeweihte, Fraktionsmitglieder seien hinter ihrem Rücken diskreditiert worden.

Das schlechte Verhältnis zwischen den sechs Abtrünnigen und Barop wird auch dadurch belegt, dass der Ortsvereinsvorsitzende über den Massen-Austritt nicht informiert wurde. „Mir ist das nicht offiziell bekannt“, so Barop auf telefonische Anfrage des Abendblattes. Er habe einen solchen Schritt nicht kommen sehen, es habe keine Gespräche in diese Richtung gegeben. Barop: „Ich bin überrascht und erschüttert.“

„Nicht wirklich überrascht“ zeigte sich dagegen CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Kissig. „Dass es in der SPD-Fraktion Probleme gab, ist uns nicht verborgen geblieben.“ Zuletzt seien die konstruktive Zusammenarbeit der Fraktionen untereinander und das sehr gute Klima in Wedels Politik durch die Querelen innerhalb der Sozialdemokratie getrübt gewesen, so Kissig weiter. „Die Stadt steht vor großen Problemen und gewaltigen Herausforderungen. Das hat uns die Arbeit nicht eben erleichtert.“ Er hoffe jetzt, dass die persönlichen Verletzungen schnell überwunden werden könnten und eine Rückkehr zu den Sachthemen möglich werde. „Was uns nicht hilft, ist eine öffentliche Schlammschlacht.“

Die CDU könnte Nutznießer der SPD-Spaltung sein. Bei einer kompletten Neubesetzung der Ausschusssitze auf Basis der neuen Mehrheitsverhältnisse könnte die Union in jedem Gremium einen zusätzlichen Vertreter stellen, die Grünen dagegen würden einen Sitz verlieren. „Man sollte jetzt keine Rechenspiele anstellen, sondern das in Ruhe bewerten“, sagt Gertrud Borgmeyer, Fraktionschefin der Grünen. Sie habe Respekt vor der Entscheidung der ehemaligen SPD-Ratsmitglieder. „Sie handeln aus meiner Sicht konsequent.“

SPD-Rebell Joachim Funck hat noch eine weitere Konsequenz gezogen. Der langjährige Ortsvereinsvorsitzende hat nicht nur seinen Austritt aus der Fraktion erklärt, sondern auch den Ortsverein und die SPD verlassen.