Weil die Gleise erneuert werden, fahren im Moment keine Züge der Linie S 3. Anwohner der Trasse in Halstenbek genießen die ungewohnte Ruhe.

Halstenbek. Thomas Frädrich greift zum Zollstock. Um 20 Zentimeter muss das S-Bahngleis verschoben werden, damit der überbreite Arbeitszug nicht gegen die Bahnsteigkante prallt. Das Gleis zu "verrücken" übernimmt wiederum ein anderer Arbeitszug, dessen Schachtmeister Frädrich ist. Ortstermin am S-Bahnhof Krupunder, wo die Deutsche Bahn AG Schienen, Schwellen und Schotter erneuert. Zwei Millionen Euro werden investiert, den Großteil der Arbeiten übernehmen teure Spezialmaschinen.

Einige Hundert Meter entfernt, am Bickbargen, sitzt Catharina Fischer-Zernin im Garten - und freut sich über die Ruhe. Sie genießt jeden Tag der Bahn-Bauarbeiten und damit jeden Tag, den die S 3 nicht fährt. Der Garten ihrer Familie grenzt an den Gleiskörper. Zwischen ihrem Haus und den vier Gleisen für S-Bahn und Fernzüge liegen nur zehn Meter. "Seit die S-Bahn pausiert, konnten wir nachts zum ersten Mal seit Jahren wieder durchschlafen."

Damit zwischen Pinneberg und Elbgaustraße so schnell wie möglich wieder S-Bahnen fahren, wird auf der Gleisbaustelle fast rund um die Uhr gearbeitet. "Alles ist ganz genau eingetaktet", sagt Bauleiterin Andrea Kludt von der DB Bahn Netz. Auf dem Gleis in Richtung Hamburg werden 5700 Meter Schienen, 2000 Tonnen Schotter sowie 4750 Schwellen auf einer Länge von 2,831 Kilometern ausgetauscht. Statt der Holzschwellen, die aus dem Jahr 1981 stammen, werden moderne Betonschwellen eingebaut. Die Baustrecke verläuft vom Bahnhof Elbgaustraße bis etwa mittig zwischen den Bahnhöfen Krupunder und Halstenbek. Auf dem Gegengleis werden auf vier Kilometern Länge die Schienen erneuert.

"In einem ersten Schritt erfolgte der Abbau der Stromschiene", so Kludt. Als zweites musste das Gleis im Bahnhofsbereich Krupunder verschwenkt werden, damit der Gleisumbauzug seine Arbeit aufnehmen kann. Die Spezialanfertigung einer Gleisbaufirma kostet in der Anschaffung 15 bis 20 Millionen Euro und erledigt den Aus- und Einbau von Gleisen und Schwellen zum Großteil maschinell. 200 Meter Schienenumbau schafft das Monstrum pro Stunde. In der Nacht zu Mittwoch nimmt es von Elbgaustraße kommend die Arbeit auf. Die Maschine wird von 20 bis 30 Mitarbeitern begleitet.

Wenn der Umbauzug den S-Bahnhof Krupunder erreicht, wird es für die Anwohner laut. "Wir müssen dann die automatische Warnanlage einschalten, um die Mitarbeiter vor herannahenden Zügen auf dem Ferngleis zu warnen", so Bauleiterin Kludt. Die Signaltöne sind 122 Dezibel laut - etwas lauter als ein Presslufthammer. "Das ist heftig, aber nötig, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten", sagt Niels Schefe, Bauleiter der Firma Spitzke Gleisbau.

Geplant ist, dass die Warnanlage von Mittwoch 15 Uhr bis Donnerstag 7 Uhr in Betrieb ist. Außerdem soll sie am Freitag zwischen 8 und 22 Uhr zum Einsatz kommen, wenn ein zweiter Arbeitszug diesen Bereich passiert. Er nimmt den alten Schotter auf, siebt ihn und bringt das gereinigte Material wieder in das Gleisbett ein. Das Gleisbett wird dann ab Sonnabend mit neuem Schotter verfeinert, der dann wiederum mittels einer Stopfmaschine ins Gleisbett gepresst wird. In einem letzten Schritt werden die Gleise - sie sind jeweils 120 Meter lang - von Hand miteinander verschweißt, ehe die Stromschiene wieder eingehängt und die Signale auf ihre Funktionsfähigkeit hin überprüft werden.

Am Mittwoch, 24. Juli, um 4.10 Uhr soll die erste S-Bahn von Pinneberg aus abfahren. In dieser Nacht wird Catharina Fischer-Zernin wohl wieder schlecht schlafen. "Direkt vor unserem Haus befinden sich zwei Weichen. Und wenn die Bahnen da mit Tempo 80 herüberrattern, ist der Lärm unerträglich." Zudem treffen sich, wenn die Züge den Fahrplan einhalten, die S-Bahnen aus beiden Richtungen vor dem Haus der Familie. "Das verdoppelt den Lärm."

Die Fern- und Regionalzüge aus den dahinter liegenden Gleisen stören Fischer-Zernin und ihren Mann nicht so sehr. "Die sind natürlich auch laut, aber man kann sich dabei wenigstens noch unterhalten." Seit 2005 wohnen Fischer-Zernin und ihr Mann in einer Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten Villa, die in einem Seitenarm der Straße Bickbargen steht. Dort liegen zwölf Häuser direkt an den Gleisen, Lärmschutz gibt es keinen. Und es ist auch keiner vorgesehen. "Wir haben hier mehr als 75 Dezibel Lärmbelästigung. An jeder Autobahn werden Anstrengungen auf Lärmschutz unternommen, nur hier bei uns passiert nichts."

Das Haus verfügt inzwischen über Schallschutzfenster, die von der Familie auf eigene Kosten eingebaut worden sind. "Einen Zuschuss der Bahn haben wir nicht bekommen." Fischer-Zernin beklagt, dass sich in den vergangenen acht Jahren die Zugfrequenz erhöht hat, etwa seit die nächtliche Betriebspause an den Wochenenden entfallen ist. "Da war es mit unserer Nachtruhe endgültig vorbei." Aktuell ist sie ungestörter denn je - noch bis zum 23. Juli.