Barmstedter Werkleiter warnt vor EU-Richtlinie, die die Wasserversorgung privatisieren soll - und ruft zum öffentlichen Protest auf.

Barmstedt/Brüssel. Die Trinkwasserversorgung muss in öffentlicher Hand bleiben. Das fordert Fred Freyermuth. Die neue Richtlinie über die Konzessionsvergabe, die im April im EU-Parlament verabschiedet werden soll, hat den Barmstedter Werkleiter aufgeschreckt. Der Entwurf sieht bislang vor, dass die Wasserversorgung europaweit ausgeschrieben werden muss. Es sei denn, der Wasserversorger ist zu 100 Prozent im Eigentum der Kommune und er macht mindestens 80 Prozent seines Umsatzes in seinem Heimatort. "Das trifft nur auf eine Handvoll Stadtwerke in Deutschland zu", sagt Freyermuth. "Wir und 800 andere Stadtwerke wären ausgebootet." So macht sein Unternehmen heute drei Viertel seines 40 Millionen-Euro-Umsatzes außerhalb des Stadtgebiets.

Der Werkleiter ruft zum öffentlichen Protest auf. Auf der Internetseite www.right2water.eu haben bereits 1,2 Millionen EU-Bürger gegen die geplante Verordnung unterzeichnet. Sie sagen: "Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht" und fordern: "Die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen darf nicht den Binnenmarktregeln unterworfen werden."

Auch Innenminister Andreas Breitner hat sich in den Protest eingereiht. Am Freitag sagte er vor dem Landtag: "Wasser ist keine Handelsware. Wasser ist Lebensgrundlage. Wasser darf nicht zum Spielball kommerzieller Interessen werden. Jeden durch die Hintertür begründeten Zwang, die Versorgung der Bürger zu privatisieren, gilt es zu verhindern." Die Konzerne stehen laut Bernd Voß, ehemaliger Europa- und jetziger Landtagsabgeordneter der Grünen, in den Startlöchern. So sei in Frankreich die Trinkwasserversorgung schon zu 80 Prozent in privater Hand. Der Mischkonzern Veolia sei schon heute in 300 Kommunen in Deutschland an der Wasserversorgung beteiligt.

Das ist im Kreis Pinneberg noch die Ausnahme. Lediglich im Raum Uetersen, Tornesch, Wedel sind über die Holsteiner Wasser GmbH mit E.on-Hanse und J.D. Möller private Unternehmen an Wasserwerken beteiligt.

"Wenn der im Dezember 2011 vorgelegte EU-Entwurf Gesetzeskraft bekomme, werden es bald viel mehr sein", sagt Werkleiter Freyermuth. Die Konzession seiner Stadtwerke, die zurzeit etwa 12.000 Menschen in Barmstedt und Bokholt jährlich mit einer halben Million Kubikmeter Trinkwasser versorgen, läuft 2019 aus. "Dann muss europaweit ausgeschrieben werden", sagt Freyermuth. Dabei kann die Kommune nicht einmal hoch pokern, weil die Konzessionsabgabe seit 1941 genau festgelegt ist nach der Größe der Stadt. Barmstedt erhält zehn Prozent der Wassereinnahmen. Das sind 65.000 Euro. Mehr müsste auch ein Privater nicht an die Stadt zahlen. "Allerdings ist bei der Ausschreibung die technische Leistungsfähigkeit des Anbieters ein sehr wichtiges Entscheidungskriterium. Dabei sind Konzerne immer im Vorteil gegenüber kleineren Stadtwerken", so Freyermuth. So habe jüngst das Oberlandesgericht Schleswig die Vergabe des Stromnetzes an ein Stadtwerk im Kreis Herzogtum-Lauenburg kassiert, weil die von E.on-Hanse dominierte Schleswig-Holstein Netz AG nicht berücksichtigt worden sei.

"Für die Verbraucher bringt eine Privatisierung des Trinkwassers Nachteile in doppelter Hinsicht mit sich", sagt Freyermuth. "Der Preis wird steigen und die Qualität schlechter werden. Eine Kapitalgesellschaft wird vor allem auf eine ordentliche Rendite achten". In Barmstedt würden die Stadtwerke dieses Jahr einen Überschuss von 13.000 Euro mit der Trinkwasserversorgung erzielen. Bei einem Eigenkapital von einer Million Euro wäre dies ein magerer Ertrag von 1,3 Prozent aufs eingesetzte Kapital. "Damit wird sich eine Aktiengesellschaft nicht zufriedengeben. Die wollen nicht ein Prozent, die wollen mindestens zehn Prozent Rendite." Eine Million Euro investierten die Stadtwerke dieses Jahr in die Modernisierung des Wasserwerks, sagt Freyermuth. Darum müsse auch der Wasserpreis um 17 Prozent auf 1,47 Euro je Kubikmeter erhöht werden. "Im Vergleich zu Pinneberg und Wedel, wo dieser Preis jeweils etwa einen Euro höher liege, ist das immer noch recht preiswert".

Die Proteste der EU-Bürger scheinen Wirkung auf die Politiker zu haben. So kündigte der EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, ein Franzose, jetzt an, dass die europaweite Ausschreibungspflicht nur noch für jene Kommunen gelten solle, deren Wasserversorger mehr als 20 Prozent seines Geschäfts nicht mit der Eigentümer-Kommune macht. Das könnte noch die Stadtwerke in Quickborn, Elmshorn und Pinneberg treffen, die auch ihr Umland mit Trinkwasser versorgen.