Nach zehn Jahren Suche ist in Heist endlich ein neuer Dorfdoktor gefunden. Dr. André Plümer übernimmt die Praxis von Walter Schupfner.

Heist . Der Bass dröhnt aus den Boxen. Sämtliche Bürgermeister der Region sind gekommen. In den Praxisräumen drängen sich die Gäste. Sektkorken knallen. So geht es zu, wenn in Heist der Landarzt wechselt. In der knapp 3000-Seelen-Gemeinde und den umliegenden Dörfern feiern die Bewohner, dass mit Dr. André Plümer nach langjähriger Suche ein neuer Mediziner für die ländliche Region gefunden werden konnte. Gefeiert wird an diesem Tag aber auch Schupfi. So nennen viele seiner Patienten Dr. Walter Schupfner, der kürzlich offiziell die Leitung des Heister Ärztezentrums an seinen Nachfolger übergab.

Schupfi ist eine Institution in der Region. Seit 45 Jahren praktiziert er, davon 31 Jahre lang in Heist. Der Mediziner behandelte Generationen in der Marsch, war Ansprechpartner in allen Belangen. Als Landarzt fühlte er sich dabei nie. "Der Begriff ist jetzt wohl modern. Früher nannte man das praktischer Arzt", sagt der 71-Jährige, der in den kommenden Monaten seinem Nachfolger noch zur Seite stehen wird, sich erst langsam aus der Arbeit herausziehen wird. "Ich möchte ihm beistehen, es ihm leichter machen, als ich es damals hatte, als ich hier anfing", sagt Schupfner mit Blick auf die eingeschworene Dorfgemeinschaft.

Ursprünglich wollte Schupfner sich schon viel früher zurückziehen. Sein Rentenplan steht: Er möchte für den Entwicklungsdienst nach Afrika gehen. Doch er fand keinen, der in seine Fußstapfen treten wollte. Zehn Jahre lang suchte er erfolglos nach jemandem, der die Praxis am Lehmweg übernehmen wollte. Als er nicht mehr daran glaubte, stand plötzlich der Große, wie Schupfner Plümer liebevoll nennt, in der Tür. Schupfner hörte ihn den Satz sagen: "Ich habe gehört, Sie wollen ihre Praxis verkaufen." Ein paar Gläser Wein und zwei Tage später war das Geschäft perfekt, der Kauf besiegelt. Die beiden Ärzte verstanden sich auf Anhieb. Vor allem verbindet sie ihre Einstellung zur ländlichen Medizin. "Ich kann mir nicht vorstellen, in einer Klinik zu arbeiten. Ich wollte immer eine Praxis auf dem Land", sagt Plümer. Dass es den 41-Jährigen ausgerechnet nach Heist verschlug, hat drei Gründe. Erstens: seine Familie. Seine Frau Angelika, die er während des Medizinstudiums in Hamburg kennen und lieben lernte, ist Pinnebergerin und hielt ihn davon ab, nach Ostfriesland abzuwandern. Zweitens: die Hamburger Wohnungsnot. Sie spülte die Familie nach Haseldorf. Dort fand das Ärztepaar das passende Heim für Sohn Paul, 6, und Tochter Hannah, 3, nach langer Suche. Neben ihnen wohnt der dritte Grund, der Plümer nach Heist führte: Landärztin Dr. Susanne Faas-Ramm. Sie gab dem Familienvater mit Landlust den Tipp, dass in Heist händeringend ein Mediziner gesucht wird.

Plümer kam, sah und unterzeichnete. Bereut hat er seine Entscheidung bislang nicht. "Es wird einem ein unheimliches Gefühl entgegen gebracht", sagt der Haseldorfer und berichtet von Geschenken seiner Patienten wie selbst gemachtem Honig und von Besuchen beim Bäcker, wo er mit "Guten Tag, Herr Doktor" begrüßt wird. Für Plümer geht ein Traum in Erfüllung. Langweilig, schlecht bezahlt, kaum Freizeit: Von den Klagen seiner Kollegen will er sich nicht einschüchtern lassen. "Das ist Leiden auf hohem Niveau. Man verdient schon Geld, sonst könnte man diesen Job nicht machen. Es kann sein, dass man als Landarzt vielleicht mehr machen muss als woanders. Aber das schreckt mich nicht ab", so Plümer. Aber er räumt dann doch ein, dass es etwas gibt, dass ihn abgeschreckt hätte, wenn er es vorher geahnt hätte: Der bürokratische Aufwand, den er für die Praxisübernahme derzeit hinter sich bringen muss. "Es ist unfassbar, wie viele Anträge ich ausfüllen muss, was für ein Aufwand das ist", so der Mediziner.

Das hätte er sich gerade angesichts des befürchteten Ärztemangels in ländlichen Regionen und eigens initiierten Werbeaktionen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein "Land.Arzt.Leben!" leichter vorgestellt. Von den rund 1900 Hausärzten in Schleswig-Holstein wird in den kommenden Jahren knapp die Hälfte in den Ruhestand gehen. Der Nachwuchs fehlt.

Für Schupfner ist klar warum: "Wir sind Leibeigene des Gesundheitssystems. Unsere Leistung wird nicht honoriert."

Egal, ob er in seiner Praxis, die Anlaufsstelle für etwa 14.000 Bewohner zwischen Geest und Marsch ist, pro Tag 110 Grippepatienten behandelt oder nur 40, am Ende bekomme er den gleichen Lohn dafür. "Für die viele Arbeit wird man durch die Menschen entschädigt, die man behandelt", sagt Plümer. In diesem Punkt sind sich die beiden Landärzte einig.