Vor dem Landgericht Itzehoe läft ein Berufungsprozess wegen des tödlichen Unfalls auf dem Bahnübergang Dauenhof im Juli 2010.

Westerhorn/Itzehoe . Haben drei Posten, die am Bahnhof Dauenhof in der Gemeinde Westerhorn für Sicherheit sorgen sollten, versagt und damit den Tod eines Menschen verursacht? Oder musste Rolf F. (* 64) aus Brande-Hörnerkirchen auf den Gleisen sterben, weil auf einer der am stärksten befahrenen Bahnstrecken im Norden ein rollender Zug nicht von diversen Sicherheitsmechanismen und Überwachungssystemen erfasst worden war?

Diese Fragen beschäftigt erneut das Gericht. Am Donnerstag hat in Itzehoe vor dem Landgericht der Berufungsprozess gegen Matthias J., 37, wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr begonnen. Der Mann aus Rathjensdorf war am 4. Juni 2010 der verantwortliche Bahnübergangsposten in Dauenhof gewesen. Um 15.18 Uhr war an diesem Tag Autofahrer Rolf F., der einen Kleinwagen Marke Renault steuerte, auf dem Bahnübergang von einem Regionalexpress erfasst und getötet worden. Autofahrer und Lokführer hatten beide freie Fahrt gehabt. Die Sicherungsposten in Dauenhof hatten, nachdem ihren Aussagen nach zwei Züge den Bahnhof passiert hatten, den Übergang wieder freigegeben gehabt.

In erster Instanz war Matthias J. im Juli vor dem Amtsgericht Elmshorn freigesprochen worden. Gegen dieses Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Itzehoe Berufung eingelegt. Zur Begründung hieß es unter anderem, das Amtsgericht habe sich auf die Aussagen zweier Zeugen gestützt, die seinerzeit als unterstellte Hilfsposten in den Unfall involviert gewesen waren. Klaus W., 57, und sein damaliger Kollege Jürgen W., 35, hätten sich eventuell an die irrige Vorstellung geklammert, es habe einen dritten Zug gegeben, so die Staatsanwaltschaft. Gegen beide war ebenfalls ermittelt worden, die Verfahren wurden eingestellt.

Auch vor dem Landgericht blieben die beiden Zeugen bei ihrer Darstellung. Während der Angeklagte J. auch in diesem Verfahren zur Sache schweigt, sagten seine Ex-Kollegen aus, der Bahnübergangsposten habe vom Fahrdienstleiter einen Anruf erhalten und daraufhin angezeigt, den Bahnübergang für die Durchfahrt zweier Züge zu schließen. Weil die Schranken wegen Bauarbeiten abgeschaltet waren, verwendeten die Sicherungsposten dazu jeweils sogenanntes Flatterband. Der inzwischen arbeitslose Klaus W., der wegen der psychischen Folgen des tödlichen Unfalls in Behandlung ist, sagte, es habe innerhalb des Trios keine Unsicherheit oder Diskussionen gegeben. Zwei Züge waren gemeldet, zwei Züge seien gefahren. "Sechs, sieben Minuten später kam noch ein Zug. Matthias hat gerufen: Um Gottes Willen, wo kommt der Zug her?"

Die damaligen Hilfsposten sprechen von einem Arbeitszug, der von Elmshorn kommend in Richtung Norden gefahren sei, und von einem Personenzug, der kurz darauf gen Hamburg Dauenhof passiert habe. Besagter Arbeitszug, von dem die Zeugen auffälligerweise unterschiedliche Beschreibungen abgaben, war tatsächlich von Nienburg aus ins dänische Padborg durch Westerhorn gefahren. Allerdings laut einem Protokoll, das jetzt erneut vor Gericht zur Sprache kam, bereits um 14.27, also mehr als eine Dreiviertelstunde vor dem Unglück.

Bei dem Zusammenstoß zwischen dem in Richtung Norden fahrenden Regionalexpress und dem Pkw waren auch mindestens zwei Zuginsassen verletzt worden. Lokführer Michael H., 42, sagte aus, er habe keine Chance gehabt, die Kollision zu vermeiden. Er habe das von rechts kommende Auto erst unmittelbar vor dem Crash wahrgenommen, so der Lokführer. Er war am 4. Juni 2010 mit der maximal erlaubten Geschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen. "Ich hatte alle Signale auf freie Fahrt", so H. vor Gericht. Durch die Wucht des Aufpralls wurden der Renault völlig zertrümmert und der Steuerwagen des Regionalexpress' aus den Schienen gehoben. "Ich bin vom Gleis hochgehoben worden und mehrere Hundert Meter weit durch den Schotter gepflügt", sagte der Lokführer. Der Zug knickte einen Signalmast um und schleifte ihn mit. Noch während er eine Notbremsung machte, setzte H. einen Notruf ab - und verhinderte damit eventuell eine Riesenkatastrophe: Ihm entgegen kam ein ICE, der rechtzeitig vor Dauenhof stoppen konnte.

Auch Autofahrer Rolf F. hatte keine Chance gehabt. Zeuge Thomas T., 39, der auf der Bahnhofstraße in einem Lkw unmittelbar hinter seinem Nachbarn gefahren war, sagte aus, die Bahnstrecke sei aus Autofahrersicht nicht einsehbar gewesen. "Der Zug ist direkt vor mir vorbeigerauscht", so der Zeuge aus Brande-Hörnerkirchen. Er sagte, die drei Sicherungsposten hätten in diesem Augenblick zusammen im Schatten an den Gleisen gesessen.

Rechtsanwalt Jan Hinsch-Timm, der Matthias J. als Verteidiger vertritt, widersprach in Itzehoe den Argumenten der Staatsanwaltschaft. "Das würde bedeuten, Zeugen und Angeklagter können nicht bis drei zählen oder es sind kaltblütige Mörder", so der Jurist. Hätte es Zweifel gegeben, hätte jeder der Männer für sich sagen können: Da kommt noch ein Zug. Der Prozess wird am 19. Dezember fortgesetzt.