Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe erringt Baustopp für die Elbvertiefung und jubelt über das Urteil der Bundesrichter.

Pinneberg. Es ist ein kleiner Erfolg für das Aktionsbündnis "Lebendige Tideelbe" im Kampf um die geplante Vertiefung und ein großer Sieg für die Elbe - so sieht es zumindest Hans Ewers. Der Sprecher des Naturschutzbundes im Kreis Pinneberg gehört zu den vehementen Gegnern der neunten Elbvertiefung und damit zu denjenigen, die derzeit gut lachen haben. Denn nicht jedem entlockt der vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch verhängte Baustopp einen Freudenschrei. In Jubel ist Ewers nach dem Urteil auch nicht ausgebrochen, aber ein Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm. "Ich fühle mich nicht als Gewinner", sagt Ewers. "Das Urteil zeigt nur, dass die anderen nicht Recht bekommen haben."

Bei den anderen handelt es sich immerhin um die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord. Denn die Elbe fällt als Bundeswasserstraße in die Zuständigkeit des Bundes und ist damit Auftraggeber des etwa 400 Millionen Euro verschlingenden Zukunftsprojektes der Hansestadt Hamburg. Dem haben das Aktionsbündnis "Lebendige Tideelbe", dem sich auch der Pinneberger Naturschutzbund neben dem BUND und dem WWF angeschlossen hat, mit ihrem Erfolg vor Gericht erst einmal einen Riegel vorgeschoben. Bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, das sich über Jahre hinziehen kann, darf kein Bagger rollen. "Deshalb lasse ich jetzt nicht die Sektkorken knallen. Dafür weiß ich zu genau, wie viel Arbeit noch auf uns zukommt", so Ewers. Denn jetzt müssen die klagenden Naturschützer ihre Argumente weiter untermauern.

Dass die Elbvertiefung um weitere 2,40 Meter auf dann 18 Meter Tiefe eine Bedrohung für das natürliche System darstellt, zeigt sich laut Ewers bereits jetzt. Zum Beispiel am Elbufer bei Hetlingen. Dort, wo einst Binsen im dunklen Schlick Vögeln und anderen Lebewesen einen Lebensraum boten, ist heute nur Sand. Die immer größer werdenden Containerschiffe, die den Hamburger Hafen anlaufen, würden hier zusammen mit der durch die Elbtiefe schneller gewordenen Strömung den Sand massenweise anspülen, so Ewers.

Der Vogelkundler beobachtet seit Jahrzehnten mit zunehmender Sorge die Veränderungen rund um die Wedeler Marsch. Er ist sich sicher: Die neunte Elbvertiefung zusammen mit dem Ausbau des Beckens bei Wedel, damit sich Schiffe sich hier begegnen können, bedeuten den Tod für das einzigartige Biotop bei Fährmannssand. "Es würde versanden und zu einem artenarmen Lebensraum werden", prophezeit der Naturschützer. Dabei wächst hier auch der vom Aussterben bedrohte Schierlingswasserfenchel. Das zwei Meter hohe, eher unscheinbar wirkende Doldengewächs reagiert empfindlich auf Änderungen im Ökosystem und ist deshalb weltweit nur noch selten zu finden. Die Naturschützer befürchten, dass sich durch die Elbvertiefung die Tidezeiten verändern, der Salzgehalt im Wasser bei Wedel steigt und die stärkere Strömung dem Wasserfenchelvorkommen auch hier ein Ende bereiten werden.

"Das Gericht hat unsere Bedenken ernst genommen", sagt Hans Ewers. Es wog die Dringlichkeit des Ausbauvorhabens eines internationalen Verkehrsweges gegen die vorgebrachten Befürchtungen ab und entschied, dass die Auswirkungen auf das Gewässer, das Gebiet sowie Arten derzeit nicht abzusehen sind. Vor allem weil das Projekt mit einer Aushubmenge von 37,8 Millionen Kubikmetern über die bisherigen Vertiefungen weit hinausgehe, heißt es in der Begründung zum Baustopp, der dem Abendblatt vorliegt.

"Das ist unsere Chance. Wir haben jetzt als Gesellschaft Zeit bekommen, uns zu fragen, wo wir eigentlich hin wollen. Muss alles höher, weiter und größer sein und das auf Kosten der Natur?", so Ewers, der auch im Nabu-Vorstand des Landes aktiv ist. Einen Kompromiss zwischen Ausbau und dem Schutz des Ökosystems, wie ihn einige Politiker fordern, wird es mit Hardliner Ewers nicht geben.