Hitzige und emotionale Debatte in der Wedeler Einwohnerversammlung um das geplante Gaskraftwerk. Initiative organisiert Widerstand.

Wedel. Die sehr schwierige finanzielle Situation der Stadt? Sie interessierte die große Mehrheit der Wedeler wenig, die am Dienstagabend zur Einwohnerversammlung so zahlreich in den Ratssaal strömten. Den annähernd 200 Anwesenden brannte dagegen das Thema Kraftwerksneubau unter den Nägeln, und zwar so sehr, dass die Tagesordnung aufgrund des lautstarken Protests dafür geändert wurde. Bürgermeister Niels Schmidt musste seine Ansprache zur Lage der Rolandstadt nach hinten verschieben. So lange dauerte die hitzige und sehr emotionale Diskussion, bei der betroffene Anwohner ihrem Ärger über die Pläne Luft machten und von Politik und Bürgermeister Unterstützung forderten.

Vattenfall plant auf dem Areal am Tinsdaler Weg ein neue Anlage zu errichten, die das alte Kohlekraftwerk aus den 1960er-Jahren ersetzen soll. Bereits 2016 könnte das Gas- und Turbinenkraftwerk, das auch etwa 180 000 Hamburger Haushalte mit Fernwärme versorgen soll, ans Netz gehen. Investitionsvolumen: Rund 500 Millionen Euro. Seit Juli ist klar, dass in Wedel und nicht in Stellingen gebaut werden soll. Seitdem formiert sich Widerstand. Die Bürgerinitiative (BI) "Stopp, kein Mega-Kraftwerk Wedel" wurde gegründet und zählt nach eigenen Angaben mehr als 200 Mitglieder. Sie wehren sich gegen den aus ihrer Sicht überdimensionierten Bau.

Viele von ihnen waren auch bei der Einwohnerversammlung dabei. Besonders in zwei Punkten machen sie der Wedeler Politik und Stadtverwaltung schwere Vorwürfe. Zum einen bemängeln die Kraftwerksgegner, dass Wedel durch die Änderung des Bebauungsplans eine schnelle Realisierung des Projekts erst möglich gemacht hat. Zum anderen verlangen sie, dass Politik und Bürgermeister sich mehr für ihre Interessen wie zum Beispiel das Thema Lärmschutz stark machen.

In der Wohnsiedlung rund um den Hellgrund, die etwa 200 Meter vom Kraftwerksgelände entfernt ist, liegt die Keimzelle der Widerstandsbewegung. Dort fürchten Anwohner vor allem den von den Turbinen ausgehenden tieffrequenten Schall, der bei dauerhafter Aussetzung gesundheitsschädlich sein soll. Kinder und Jugendliche zählen laut einer Robert-Koch-Studie zur Risikogruppe, sagte Anwohner Kurt Lothar Barop. "Direkt am Zaun zum neuen Kraftwerk liegt die größte Grundschule Wedels, die Albert-Schweizer-Schule, und in der Nähe zwei Kindergärten. Macht sich darüber jemand Gedanken?", fragte Dirk Wilke.

"Wir nehmen die Belange der Kinder ernst, genauso wie die der Anwohner. Aber auch die Interessen der anderen 30 000 Wedeler müssen wir im Blick haben", sagte Bürgermeister Schmidt, der an diesem Abend besonders die Wut der Anwohner zu spüren bekam. Vorwürfe wie Geheimniskrämerei, Unwissenheit und Desinteresse wies er strikt zurück. Zudem bot er Hilfe und der BI zur Klärung ein weiteres Gespräch in kleiner Runde an. Das reichte den Gegnern des Groß-Kraftwerkes nicht aus. Sie verlangten Taten. Schmidt sagte am Ende zu, noch einmal mit Vattenfall das Gespräch in Sachen Lärmschutz im Wohngebiet zu suchen. In den kommenden Wochen wollen sich auch die Politiker noch einmal mit dem Problem befassen. Es geht um die Frage, ob Wedel Einwendungen in das bereits laufende Genehmigungsverfahren beim Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume in Kiel einbringt. Die Frist endet am 10. Oktober.

Die Bürgerinitiative wartet auf jeden Fall nicht darauf, dass Stadt und Politik Taten folgen lassen. Sie ergreift selbst die Initiative, macht Front gegen das Groß-Kraftwerk. Unter anderem gibt es auf ihrer Homepage www.kraftwerk-wedel.de Einwendungs-Postkarten, die es Betroffenen leichter macht, sich zu wehren.

Dass sie nicht nur einfach gegen das Pläne sind, sondern auch Alternativen vorschlagen, wollen die Widerständler mit einem Infoabend beweisen. Für Mittwoch, 26. September, laden sie in die Aula der Ernst-Barlach-Gemeinschaftsschule am Tinsdaler Weg 44 ein. Von 19 Uhr an wollen sie mit Fachleuten über den Kieler Weg diskutieren. Dort werden statt eines großen Kraftwerks kleinere Blockheizkraftwerke gebaut.