Planung wegen der maroden Haushaltslage der Stadt gestrichen. Bürgerinitiative für Verkehrsberuhigung wirft Politikern Wortbruch vor.

Wedel. Kehrtwende in der Verkehrspolitik: Eine Mehrheit aus CDU, SPD und Grünen hat im Wedeler Planungsausschuss das Projekt Nordumgehung gekippt. Die seit Jahrzehnten geplante und von der Ratsversammlung beschlossene Umgehungsstraße wird vorerst nicht gebaut. Der Grund für den Richtungswechsel ist die marode Haushaltslage der Stadt. Die Wedeler Gewerbesteuereinnahmen sind in diesem Jahr um 18 Millionen Euro eingebrochen. Politiker und Verwaltung rechnen mit einem satten Minus in der Stadtkasse zum Ende des Jahres.

Durch den Beschluss, das für die Nordumgehung benötigte Planfeststellungsverfahren nicht weiter zu verfolgen, spart Wedel 600 000 Euro.

Die Entscheidung ist bei den Wedelern sehr umstritten. Besonders verärgert sind die Anwohner der Bundesstraße 431, die sich quer durch Wedel schlängelt. Sie fühlen sich betrogen. Einer von ihnen ist Dr. Klaus-Peter May. Der Wedeler Zahnarzt betreibt an der Mühlenstraße seine Praxis. Bevor er sich hier niederließ, hatte er sich im Rathaus und bei Politikern über den Standort informiert. Damals versprach man ihm, dass die Straße direkt vor seinem Haus in fünf Jahren verkehrsberuhigt sei. Ein Verwaltungsmitarbeiter habe ihm sogar Pläne von einer Umgehungsstraße gezeigt, sagt May. Das ist 27 Jahre her. "Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, dann hätte ich meine Praxis hier nie eröffnet."

Trotz des aktuellen Rückschlages will Zahnarzt May nicht aufgeben. Als Vorstandsmitglied der im Winter gegründeten Bürgerinitiative für Verkehrsberuhigung in Wedel will Klaus-Peter May jetzt erst recht in die Offensive gehen. Die Gruppe, die nach eigenen Angaben bereits 50 Mitglieder zählt und deren Plakate überall in der Stadt hängen, will das Thema auf die Agenda der Einwohnerversammlung im Rathaus am Dienstag, 18. September (Beginn 19 Uhr) setzen. Zudem planen die Mitglieder der Bürgerinitiative eine Podiumsdiskussion im Herbst. Dafür haben sie sich mit dem 1978 gegründeten Wedeler Verein für die Gestaltung des Straßendurchgangsverkehrs zusammengetan. Die etwa 50 Mitglieder machen sich für die Ortsumgehung stark. "Die Entlastung der Innenstadt mit einer Nordumfahrung ist für Wedel wichtig, Alternativen gibt es nicht. Deshalb liegt uns das Thema am Herzen", sagt der Vereinschef Michael Melzer.

Seit Jahrzehnten plant Wedel an einer Umgehungsstraße, die den Berufs- und Durchgangsverkehr an der Innenstadt vorbeiführt, statt wie bisher mitten hindurch. Dieses Ziel ist auch im Leitbild der Stadt verankert.

Ursprünglich sollte diese neue Bundesstraße im Süden durch die Wedeler Au und Marsch verlaufen. Dieser Plan wurde nicht realisiert. Die später debattierte nördliche Variante der Trasse sollte über die Straße Autal und den Breiten Weg in die Pinneberger Straße und am Knotenpunkt Flerrentwiete/Steinberg über die Voßhörntwiete auf die Holmer Straße führen. Auch diese Variante war immer umstritten, eine Initiative sprach sich für ein Gesamtkonzept aus, sammelte dafür 2585 Unterschriften. Andere Kritiker befürworten alternativ den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs.

Konkret in Frage gestellt wurde der bereits beschlossene Bau der Nordumfahrung Anfang dieses Jahres, als klar wurde, dass Wedel schon allein für den Antrag zum Planfeststellungsverfahren 400 000 Euro mehr für Gutachten und Verkehrsplaner ausgeben muss als geplant. Zudem befürchten Politiker und Stadtverwaltung, dass der Bund den Bau der Schnellstraße nicht, wie erwartet, mit Zuschüssen fördern wird. "Diese Straße muss kommen. Wir stehen im Wort. Aber uns muss auch klar sein, dass wir sie möglicherweise ohne Bundesmittel finanzieren müssen", sagt Ausschussvorsitzender Michael Schernikau (CDU). Die Christdemokraten hatten im Ausschuss noch einen privatfinanzierten Bau mit Hilfe eines Investors forciert. Dafür gab es keine Mehrheit.

Die Politiker von FDP und Linken sprachen sich im Ausschuss deutlich für die Nordumfahrung und die Entlastung der Altstadt aus. Angesichts der finanziellen Situation der Stadt stimmten die Christdemokraten mit SPD und Grünen für die Projektstreichung.

"Das ist ein Wortbruch. CDU und Grüne geben ihr Wahlversprechen einfach auf", sagt Christian Vorwerck, ebenfalls Vorstandsmitglied der Bürgerinitiative für Verkehrsberuhigung. Das Planfeststellungsverfahren voranzutreiben, sei die einzige Möglichkeit, Wedel attraktiver zu gestalten. Vorwerck denkt bereits an einen Bürgerentscheid zur Nordumfahrung.