Eltern sollen künftig sofort benachrichtigt werden, wenn Kinder die Schule schwänzen. Amt erstellt Leitfaden für Lehrer zur Problemlösung.

Kreis Pinneberg. Als Vorstufe zur Langzeitarbeitslosigkeit bezeichnet Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen das Schulschwänzen. Immerhin sechs Bußgeldverfahren musste das Schulamt im Kreis Pinneberg im vergangenen Jahr gegen Eltern verhängen, deren Kinder die Schulpflicht nicht ernst nahmen. Das Schulamt will nun mit einem für alle Schulen verbindlichen Leitfaden das Problem in den Griff bekommen. Künftig sollen Lehrer schon nach dem ersten Fehltag von Schülern deren Eltern informieren. Bisher konnten die Schulen selbst bestimmen, wie sie mit notorischen Fernbleibern umgehen.

Laut einer Untersuchung des Landesrates für Kriminalitätsverhütung Schleswig-Holstein für das Schulhalbjahr 2004/2005 fehlten in den Hauptschulen 13 Prozent der Schüler länger als zehn Tage. In den Förderschulen betrug der Anteil 20 Prozent. In den Hauptschulen wiesen vier Prozent aller Fälle mehr als 20 Fehltage auf. Diese hohen Fehlzeiten waren in den Hauptschulen überproportional häufig in den siebten und achten Klassen anzutreffen. In den Förderschulen betrug der entsprechende Anteil neun Prozent, vorrangig in der Klassenstufe neun. Mädchen fehlten häufiger als Jungen. In Städten gibt es mehr Schulverweigerer als auf dem Land.

An den Tendenzen dürfte sich seit 2005 nichts geändert haben. „Die Zahlen lassen sich jedoch nicht für unseren Kreis herunterbrechen, da die Befragung anonym war“, sagt Schulrat Dirk Janssen. Darum wurden in diesem Juni 75 Schulen im Kreis angeschrieben. In Fragebögen müssen Schulleiter angeben, wie viele Schüler im zweiten Halbjahr des vergangenen Schuljahrs zwischen zehn und 19 Tage gefehlt haben, entschuldigt und nicht entschuldigt. Außerdem fragte das Schulamt nach der Zahl der Schüler, die 20 Tage und länger gefehlt haben. Gefragt wird auch nach Klassenstufen und ob die schulische Erziehungshilfe eingeschaltet wurde. „Die Ergebnisse werden im Herbst ausgewertet“, sagt Dirk Janssen.

Wie auch immer diese ausfallen, schon jetzt ist klar, dass das Problem in Hamburg drängender ist. Pro Jahr bleiben rund 1200 Kinder der Schule dauerhaft fern. Schulsenator Ties Rabe, SPD, fordert von den Pädagogen, Schüler künftig zentral zu melden, die drei Tage oder 20 Unterrichtsstunden unentschuldigt fehlen. Notorischen Schwänzern drohen hier handfeste Konsequenzen: 2011 wurden 132 Dauerschwänzer im Alter von 14 bis 17 Jahren zu Jugendarrest verurteilt. Das sind zehnmal so viele Arreststrafen wie noch 2008. Derart harte Sanktionen soll es im Kreis Pinneberg nicht geben. Das schleswigholsteinische Schulgesetz erlaubt zwar in schwerwiegenden Fällen, Geldbußen gegen die Eltern zu verhängen, aber auch diese Maßnahme wird sparsam eingesetzt. Das Schulamt im Kreis setzt auf Unterstützen statt Sanktionen.

Der Leitfaden soll im Oktober oder November mit den Schulleitern diskutiert werden, bevor er verbindlich wird. Demnach müssten Lehrer gleich am ersten Fehltag bei den Eltern nachfragen, warum ihr Kind nicht zum Unterricht erschienen ist. Auch mit dem Schüler selbst wird gesprochen. Nach zehn Fehltagen schalten die Klassenlehrer die Schulleiter ein. Auch ein Schulsozialarbeiter kann hinzugezogen werden. Ändert sich nichts, wird eine Klassenkonferenz einberufen. In dieser erarbeiten Schulleitung, Lehrer, Eltern, Schulsozialarbeiter und Jugendamt ein Hilfsangebot. Weitere mögliche Schritte sind Bußgeldverfahren, Beratung durch die schulische Erziehungshilfe oder eine Untersuchung durch den schulpsychologischen Dienst.

„Das sind keine sensationell neuen Verfahren“, sagt Dirk Janssen. „Uns geht es darum, Verbindlichkeiten zu schaffen. Denn die größte Chance, Kinder und Jugendliche wieder an die Schule heranzuführen, liegt im schnellen Handeln.“ Das erreiche man durch systematisches Vorgehen.

An der Gemeinschaftsschule Klaus-Groth-Schule in Tornesch ist der Anteil der Schüler, die dauerhaft dem Unterricht fernbleiben, laut Schulleiterin Rita Wittmaack gering: „Bei circa 1200 Schülern fehlen täglich rund 60 bis 70 Schüler am Tag aus unterschiedlichen Gründen wie zum Beispiel Krankheit“, sagt sie. „Wenn wir zwei Tage lang von einem Schüler nichts hören, geht der Klassenlehrer dem nach.“ Zudem leiste die Schule intensive Sozialarbeit. „Kommt es dennoch vor, dass ein Schüler häufig fehlt, nehmen wir die Eltern in die Pflicht und sprechen zum Beispiel eine Attestpflicht aus.“

An der Grund- und Regionalschule Rosenstadtschule Uetersen sei Schule schwänzen kaum ein Thema, versichert Schulleiter Wolfgang Balasus. Schulschwänzen sei eher ein Problem von großen Schulen mit unübersichtlichen Strukturen. Bei ihm gehen 775 Kinder und Jugendliche zur Schule. „Lehrer und Schüler pflegen enge Kontakte“, sagt der Pädagoge. „Die Eltern sind dazu angehalten, gleich morgens in der Schule anzurufen, sollte ihr Kind nicht kommen können. Dann bekommt der Klassenlehrer eine Notiz in sein Fach.“ Er selbst mache auch Hausbesuche, wenn Probleme auftreten. So wie vergangene Woche, als ein Junge drei Tage nicht da war. „Ein Grenzfall“, sagt Wolfgang Balasus. Seine Mutter müsse morgens um 7.20 Uhr schon zur Arbeit. Der Junge schlafe dann einfach weiter. „Wir haben jetzt vereinbart, dass er zur gleichen Zeit mit der Mutter das Haus verlässt und in der Schule vor Unterrichtsbeginn in Empfang genommen wird.“ Man müsse zuhören und die Strukturen ändern, um zu einer Lösung zu kommen. „Es kommt schon mal vor, dass ein Schüler Schulangst entwickelt oder psychische Probleme hat, aber das ist die Ausnahme“, sagt Balasus. Die Lehrer würden dann versuchen, individuelle Lösungen zu finden. „Sozialpädagogen, schulpsychologischen Dienst, Jugendamt. Der Schüler wird durch ein engmaschiges Netzwerk aus qualifizierten Fachkräften aufgefangen.“

Greta Reddlefsen leitet seit zwei Jahren die neue Grund- und Gemeinschaftsschule An der Bek in Halstenbek. In dieser Zeit gab es einen Fall, in dem ein Grundschüler nicht mehr zum Unterricht kam. „Schon seine ältere Schwester war zuvor durch hohe Fehlzeiten aufgefallen“, sagt die Schulleiterin. Nach Gesprächen mit Schülern und Eltern bekam das Mädchen psychologische Hilfe. Die Familie ist mittlerweile weggezogen, warum ist unklar. Greta Reddlefsen hat zuvor in einem Internat in St. Peter-Ording gearbeitet, wo viele Schüler aus Berlin unterrichtet wurden. Häufig konnte sie sogenannte Schulhopper beobachten. Familien nahmen die Kinder von der Schule und zogen zum Beispiel in einen anderen Bezirk, um sich der staatlichen Kontrolle zu entziehen. Greta Reddlefsen beruhigt: „Zum Glück sind wir in Halstenbek und Umgebung weit davon entfernt.“