Bußgeld, Jugendarrest, strengere Kontrollen: Die Stadt will härter gegen die steigende Zahl der Drückeberger vorgehen

Hamburg. Hamburgs Schulbehörde will von diesem Schuljahr an konsequenter gegen Schulschwänzer vorgehen. "Schulschwänzen ist keine Kleinigkeit, sondern führt viel zu oft zu Schulversagen, Schulabbruch, Jugendarbeitslosigkeit und unglücklichen Lebensläufen. Deshalb nehmen wir das Problem sehr ernst", sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD).

Trotz aller bereits getroffenen Maßnahmen wird die Zahl der jungen Hamburger, die gegen die Schulpflicht verstoßen, in diesem Jahr steigen: Schon im ersten Quartal sind 416 Schüler der Schulpflicht nicht nachgekommen. Rechnet man die Zahl hoch, sind das bereits deutlich mehr als im gesamten Schuljahr 2010/2011, als 1117 Verstöße registriert wurden.

Vor diesem Hintergrund hat die Behörde jetzt die "Handreichung zum Umgang mit Schulpflichtverletzungen" überarbeitet. Die neue Version wird den Schulen in den kommenden Tagen zugestellt. Darin werden Lehrer aufgefordert, strenger zu kontrollieren, ob und wie oft Schüler im Unterricht fehlen. Verstoßen Jugendliche ab 14 Jahren gegen die Schulpflicht, müssen sie mit einem Bußgeldverfahren rechnen. Dauer-Schulschwänzern droht bis zu eine Woche Jugendarrest auf Hahnöfersand.

Die neue Handreichung enthält auch eine Checkliste, die exakt vorgibt, wie Lehrer vorgehen sollen. Schwänzt ein Schüler 20 Stunden Unterricht oder erscheint drei Tage lang gar nicht in der Schule, muss jetzt die Schulaufsicht eingeschaltet werden. In der Vergangenheit hatten sich Schulen und die "regionalen Beratungs- und Unterstützungsstellen" (Rebus) um Schwänzer gekümmert - häufig mit mäßigem Erfolg. Die Schulaufsicht soll die Bearbeitung der Fälle offenbar kontrollieren.

Seit Jahren erhöht die Schulbehörde den Druck auf Schulschwänzer: Verhängte sie 2007 lediglich 399 Bußgeldverfahren, verdoppelte sich die Zahl im vergangenen Schuljahr auf 798. Und während die Schulsünder in der Vergangenheit auch oft ohne Sanktionen durchkamen, wenn sie das Geld nicht zahlten, landen sie jetzt immer häufiger im Beugearrest. Noch 2006 verhängten Jugendrichter lediglich dreimal Jugendarrest. 2009 waren es 13, 2010 schon 86 und 2011 sogar 132 Fälle. Doch viele Schwänzer werden erst gar nicht erfasst.

Einer Studie des Hamburger Kriminologie-Professors Peter Wetzels aus dem Jahr 2010 zufolge überprüfen nur 64 Prozent der Lehrer immer die Anwesenheit jedes Schülers in der ersten Unterrichtsstunde, in den Folgestunden checken nur 27 Prozent immer, ob die Klasse vollzählig ist. Viele Lehrer sind froh darüber, wenn Störenfriede nicht zum Unterricht kommen. Zudem sprechen viele Schulleiter nicht gern über dieses Problem, weil es dem Ruf der Schule schaden könnte. Schulen konnten jahrelang Schulpflichtverletzungen vertuschen, weil sie häufig selbst für die Bearbeitung zuständig waren. Bis 2012 musste keine der 80 Stadtteilschulen Schwänzer melden. "Wir werden weiterhin daran arbeiten, dass die Schulen das Problem aufmerksam beachten, sorgfältig die Anwesenheit der Kinder und Jugendlichen kontrollieren und sofort handeln, wenn es Anzeichen von Schulschwänzen gibt", sagt Ties Rabe.

Erziehungswissenschaftler allerdings kritisieren die Behörde. "Lernen funktioniert nur dann, wenn die Schüler bereit sind, sich auf die Lerninhalte einzulassen. Das klappt nicht über Zwang", sagt Joachim Schwohl von der Uni Hamburg. Die Lehrer fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. "Das Thema Schulschwänzer bleibt komplett an den Lehrern hängen", kritisiert Helge Pepperling, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands Hamburg. Er fordert eine Art Guthabenkonto: Zusätzliche Betreuungsstunden für Schwänzer sollen Lehrer im folgenden Schuljahr abbummeln können.