Menschen des Jahres 2011: Der Polizist Ralf Pantel wurde wegen eines Pfefferspray-Einsatzes verurteilt, dann aber doch freigesprochen.

Uetersen. Es war der 6. Juni 2011, als das Leben von Ralf Pantel in seinen Grundfesten erschüttert wurde. "Mein ganzes Weltbild von Gerechtigkeit war zusammengebrochen", erinnert sich der 44-Jährige. An diesem Tag war Pantel vom Landgericht Elmshorn der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und zur Zahlung einer Geldstrafe von 6300 Euro verdonnert worden. Und das als Polizeihauptmeister. "Mir schoss durch den Kopf: Du bist jetzt ein verurteilter Straftäter."

Ein halbes Jahr später in der Polizeiwache Uetersen: Der Hüter von Gesetz und Ordnung ist wieder im Einsatz, allerdings nur im sogenannten Innendienst. Was dem geübten Beobachter auffällt ist, dass er kein Pfefferspray trägt. Der Einsatz eben dieses Pfeffersprays hatte den Polizisten vor dem Kadi landen lassen.

Er war angeklagt worden, nachdem er am 25. September 2010 bei einem abendlichen Einsatz in der Wohnung eines Ruhestörers das Zwangsmittel gegen Manfred M., heute 27, eingesetzt hatte. "Ich hege keinen Groll gegen ihn", sagt Pantel über den Gärtner, von dem bekannt war, dass er unter Alkoholeinfluss zu aggressivem Verhalten, auch gegenüber Polizisten, neigt.

Der Polizist will und wird M. im Einsatz nie mehr begegnen. Denn eine Rückkehr in den Schichtdienst, den er so viele Jahre lang in Uetersen gemacht hatte, schließt Pantel kategorisch aus. Während Pantel nach seiner Verurteilung in ein tiefes psychisches Loch gestürzt war ("Alles, was vorher Spaß gemacht hatte, war mit einem Schlag vorbei"), formierte sich polizeiintern eine große Welle der Solidarität mit dem Uetersener Schutzmann, der rückblickend sagt: "Ich war leer, fast wie betäubt."

Angezeigt worden war er, wie viele andere Kollegen gleichermaßen, bereits zuvor: "Vor allem früher als Diensthundeführer war das schon einmal vorgekommen. Da drohten manche mit Anzeigen." Diesmal aber lag die Sache anders, wie ihm sofort klar war: "Als ich Post von der Staatsanwaltschaft bekam, war die Anklage schon erhoben und ich musste unmittelbar zur Anhörung bei der Kripo."

Nach dem Elmshorner Urteil ging seine Anwältin Uta Scheel in die Berufung - und sogar der oberste Dienstherr, der schleswig-holsteinische Innenminister Klaus Schlie (CDU), schaltete sich in den Fall ein. Schlies Richterschelte wiederum machte Pantels Fall zum Politikum. Die Kieler Opposition wetterte, die Richterschaft pochte auf ihre Unabhängigkeit.

+++ Anklage wegen Pfefferspray-Einsatz: Urteil mit Signalwirkung +++

+++ Pfefferspray-Prozess: Freispruch für Polizisten +++

Am 15. November fand vor dem Landgericht Itzehoe die Berufungsverhandlung statt. Der Präzedenzfall löste bundesweites Medieninteresse aus.

Die Itzehoer Richter sprachen Pantel frei, nachdem selbst der Staatsanwalt einen Freispruch gefordert hatte. Der Angeklagte hatte neuerlich betont, er habe gegen den vorbestraften, stark alkoholisierten Ruhestörer, der von ihm und einem Kollegen in Gewahrsam genommen werden sollte, das Pfefferspray eingesetzt, um eine weitere Eskalation der Situation zu verhindern: "Ich wollte ihn nicht ärgern, oder verletzen. Ich dachte nur: Wie kommen wir aus der Sache raus?"

Der Freispruch in der Berufungsverhandlung, in den Medien als Urteil mit Signalwirkung für Polizisten in der ganzen Republik gewertet, war für den 44-Jährigen "die Bestätigung, dass ich richtig gehandelt habe". Sein Dank gilt Kollegen, die ihn während der ganzen Zeit vor der zweiten Verhandlung unterstützten, der Polizeigewerkschaft, Stationsleiter Frank Lassen und seinem Dienstgruppenleiter Sascha Schmidt. Und natürlich dem Polizeiarzt aus Neumünster, der ihn unterstützt habe.

Pantel benötigte diese medizinisch-fachliche Hilfe. Lange war er krank geschrieben, zwischenzeitlich wurde er stationär in einer Klinik für psychosomatische Krankheiten behandelt. "Dort fand ich langsam zu mir und in ein normales Leben zurück." Der 44-Jährige kam zu der Erkenntnis, dass ihn der Dienst "auf der Straße" offenkundig bereits seit langem über Gebühren belastet hatte. "In der Öffentlichkeit herrscht vielfach der Eindruck, Polizisten seien Roboter oder stahlharte Kampfsportler. Aber auch wir sind nur ganz normale Menschen. Der Mensch hinter der Uniform wird immer seltener gesehen."

Er, dessen Credo es stets war, "dem Bürger gegenüber immer so aufzutreten, dass er mich nicht für die Staatsmacht hält, sondern für seinen Helfer", hatte vor Wochenend- und Nachtdiensten zunehmend ein mulmiges Gefühl: "Ob am Wochenende oder bei schönstem Sommerwetter in den Ferien: Ich wusste vor Schichtbeginn, dass es wieder darum geht, spätabends oder nachts durch Uetersen zu toben und mich mit Leuten häufig genug körperlich auseinander zu setzen, die außer Rand und Band sind." Freunde hätten gesagt, er sei doch der Typ, der "die Leute eher tot sabbelt", als sie von der Anklage wegen Körperverletzung gegen ihn erfahren hätten.

Pantel reagierte nicht wie manch andere mit Verrohung darauf, "jeden Tag mit Dingen zu tun zu haben, die für jeden Menschen belastend sind". Wohl aber erkannte er, gerade noch rechtzeitig, dass er damit begonnen hatte, dienstlich wie privat "emotional runterzufahren". Zum beruflichen Druck kamen persönliche Probleme, die sich seit langem aufgestaut hatten. Vor allem auch dank therapeutischer Hilfe gelang es Pantel, mit der Aufarbeitung zu beginnen und Kurskorrekturen vorzunehmen: "Ich habe für mich einen neuen Weg gefunden.

Er hat festgestellt, dass es ihm mit den geregelten Arbeitszeiten im Innendienst gesundheitlich wesentlich besser geht: "Vorher kam ich nach stressigen Einsätzen überhaupt nicht in den Schlaf." Ein Gradmesser dafür, dass es wieder aufwärts geht, ist für ihn seine Musik. Hatte Pantel früher gern und semiprofessionell Musik gemacht, so "lief monatelang musikalisch gar nichts mehr". Jetzt gelingen ihm wieder Kompositionen, er will Unterricht nehmen, um sein Gitarrespiel zu verbessern. "Die Musik ist ein gutes Ventil", hat er erkannt. Inzwischen ist er soweit, dass er "dieser ganzen Pfefferspray-Geschichte sogar noch etwas Positives abgewinnen kann".