Zeitzeugen erinnern sich an die Flugzeug-Notlandung auf der A7 bei Hasloh heute vor vier Jahrzehnten, bei der 22 Menschen starben

Hasloh. Ein Ereignis, drei persönliche Erfahrungen. Wie sie die Notlandung eines Fliegers voll mit Urlaubern auf der A7 bei Hasloh heute auf den Tag vor 40 Jahren erlebten, bei dem 22 Menschen starben, berichten drei Zeitzeugen: ein Retter, ein Gaffer und ein Reporter. Manfred Maier, 71, der damals einer der ersten am Unglücksort war, sagt: "Ich habe jahrelang nicht mehr daran gedacht. Nun sind die schrecklichen Bilder alle wieder da." Uwe Langeloh, 75, der mit Fahrrad und zu Fuß von Quickborn quer über die Felder zur Absturzstelle gelangte, hat ein schlechtes Gewissen. "Ich bin aus reiner Neugier dorthin gelaufen. Das war unmöglich. Ich habe Polizei und Feuerwehr bei ihrer Arbeit behindert." Herbert Lau, 76, der die ersten Fotos vom Flugzeugwrack und den 99 Überlebenden machte, weiß noch: "Das war ein schrecklicher Anblick. Wie auf einem Schlachtfeld. Überall lagen Wrackteile und aufgerissene Koffer herum und auch abgerissene Körperteile."

Es ist gegen 18.30 Uhr an jenem 6. September 1971, als es passierte. Uwe Langeloh kommt gerade von der Arbeit, genießt den milden Spätsommerabend auf dem Balkon seiner Wohnung in Quickborn, zwei Kilometer von der Unglücksstelle entfernt. "Da höre ich plötzlich einen fürchterlichen Knall und ein riesiger Rauchpilz steigt über der Autobahn auf. Ich dachte sofort, da ist ein Tanklaster verunglückt." Denselben Gedanken hat Manfred Maier, der wenige Hundert Meter von der Unfallstelle entfernt wohnt. Er mauert gerade an seinem Carport, als es knallt. "Das war so laut, dass es die Mischmaschine übertönte." Sofort eilt Maier, Gruppenführer der Freiwilligen Feuerwehr Hasloh, zur A7 und will den brennenden Tanklaster löschen. Doch auf der Brücke, die über die A7 nach Norderstedt führt, sieht er das ganze Ausmaß des Grauens: Ein Flugzeug ist nördlich der Brücke in drei Teile zerborsten, das Cockpit liegt im Graben, der Rumpf auf der Fahrbahn. Die A7 war damals von Hamburg bis Quickborn freigegeben, aber nur wenig befahren, sonst hätte es wohl mehr Opfer gegeben. Maier wirft seinen Feuerlöscher weg und holt die drei Piloten aus der Kanzel. "Die waren völlig verstört", erinnert er sich. Der Pilot will aus dem engen Fenster klettern, die Kopilotin sucht einen Schuh. Plötzlich explodiert das abgebrochene Leitwerk. Maier treibt die Piloten zur Eile, kriegt es selber mit der Angst zu tun.

Inzwischen hat Langeloh den Alten Kirchweg in Hasloh erreicht. Als er dort über die AKN-Gleise fährt, kommen ihm Leute entgegen. Mit freiem Oberkörper, zerrissenen Klamotten laufen sie panisch an ihm vorbei und schreien: "Wir sind abgestürzt." Keiner kann sie aufhalten, sie wollen nur weg vom Unglücksort. Später müssen sie regelrecht "eingefangen" werden, um sie ins Krankenhaus zu bringen. Langeloh kommt mit dem Rad nicht weiter, lässt es irgendwo liegen und läuft weiter Richtung Rauchpilz. Der gerettete Pilot Reinhold Hüls und seine Kopilotin Elisabeth Friske sitzen jetzt vor dem Bauernhof neben der Unglücksstelle. "Ich erinnere mich noch an seine blaue Krawatte, das weiße Hemd zerrissen, Blutspuren. Beide starrten nur vor sich."

Dabei hat der Pilot durch sein Notlandemanöver wohl eine größere Katastrophe verhindert. Die beiden Triebwerke seiner Maschine waren kurz nach dem Start um 18.19 Uhr explodiert. Der britische Düsenjet BAC 1-11 mit 115 Passagieren und sechs Besatzungsmitgliedern an Bord verlor dramatisch an Höhe. So versuchte der Pilot auf der nagelneuen Autobahn zu landen. Doch zwei Hochspannungsleitungen, eine vor und eine hinter der Brücke am Kilometerstein 45,5, zwingen ihn zu früh runter zu gehen. Geschickt taucht er unter der Hochspannungsleitung ab. Doch die Brücke ist zu schmal, zerreißt die Maschine in drei Teile. Wer in der Nähe der Abbruchkante saß, war sofort tot, erzählt Feuerwehrmann Maier.

Er war jetzt mit den Löscharbeiten beschäftigt. Die 40 Hasloher Wehrkräfte werden von den umliegenden Wehren und der Berufs- und Flughafenwehr aus Hamburg unterstützt. Rund 300 Rettungskräfte sind bis spät in der Nacht im Einsatz. Das Löschwasser muss mit Feuerwehrfahrzeugen herangeschafft werden. Autos von Schaulustigen stehen ständig im Weg. "Die haben wir dann einfach zur Seite geschoben", erinnert sich Maier. Plötzlich stellt sich einer direkt vors Auto und zwingt Maier zum Anhalten. "Habt ihr meinen Wagen gesehen?", ruft der Mann, während Maier ihn auffordert, sofort aus dem Weg zu gehen. "Ich bin der Landrat", erklärt der ihm. "Und wenn sie der Kaiser von China wären, würde ich Sie zur Seite schieben", blafft Maier ihn an und tritt aufs Gaspedal. Neben ihm sitzt Haslohs Wehrführer Helmut Pohlmann und wird ganz bleich. "Weiß du denn nicht, wer das ist? Das ist Landrat Udo Sachse, unser Chef", schimpft der und macht Maier zur Minna.

Das sind diese Erinnerungen, die jetzt wieder bruchstückhaft hochkommen. Maier weiß noch, wie am Tag nach dem Unglück alles von ihm abfiel. "Mir liefen nur so die Tränen runter. Ich heulte wie ein Schlosshund." Er und seine Kameraden, von denen einige bereits gestorben sind, hätten diese Erlebnisse "gut verarbeitet", glaubt er. "Heute kriegt man ja professionelle Hilfe."

Aber nicht alle waren so schockiert. Ein Pärchen, das den Absturz überlebte, erinnert sich Lau, fuhr sofort wieder zum Flughafen und stieg in die nächste Maschine nach Malaga.