Mit der Aussetzung der Wehrpflicht fällt auch der Zivildienst weg. Soziale Einrichtungen sind besorgt, die sozialen Dienste aufrechterhalten zu können.

Kreis Pinneberg. Nach Maik Martin kommt niemand mehr. Wenn der 19-Jährige Ende Mai seinen Dienst in der Werkstatt Eichenkamp der Lebenshilfe in Pinneberg-Thesdorf quittiert, wird er der letzte Zivildienstleistende der Einrichtung sein. Wer dann seine Arbeit übernimmt? Maik Martin weiß es nicht - ebenso wenig wie Helga Kell-Rossmann, die Sprecherin der Lebenshilfe im Kreis Pinneberg. "Wir haben keine Ahnung, wie wir unsere Arbeit künftig organisieren sollen. Wir fürchten, dass die Qualität unserer Arbeit eingeschränkt werden muss."

Mit der Aussetzung des Wehrdienstes fällt auch der Zivildienst weg

Mit dem Problem ist die Lebenshilfe nicht alleine. In vielen sozialen Einrichtungen, bei gemeinnützigen Trägern, aber auch bei Städten und Kommunen sind Zivildienstleistende im Einsatz. Mit der beschlossenen Aussetzung des Wehrdienstes fällt auch der Wehrersatzdienst, auch Zivildienst genannt, weg. Und dann?

Ein Zivi kostet dem Arbeitgeber 6000 bis 7000 Euro pro Jahr, rechnet Klaus-Ulrich Sembill, Regionalleiter Unterelbe der Arbeiterwohlfahrt (Awo), vor. Werde er durch einen regulär Beschäftigten ersetzt, würden die Kosten deutlich höher ausfallen. Sembill: "Wir haben aber Entgeltvereinbarungen, die wir einhalten müssen." Sollten die 15 Zivis der Awo im Kreis nicht zu gleichen Konditionen ersetzt werden können, müsse die Awo mit den Kostenträgern verhandeln.

Die Lebenshilfe beschäftigt in ihren Einrichtungen kreisweit 32 Zivildienstleistende. Sie arbeiten in den integrativen Kindergärten, in der Freizeitförderung mit behinderten Menschen oder leisten Fahrdienste. In der Werkstatt Eichenkamp, die eigenständig organisiert ist, arbeiten weitere 15 Zivildienstleistende.

Einer von ihnen ist Malte Cedzich. Er hat am 1. August 2010 angefangen - und hätte nach der Verkürzung der Dienstzeit bereits Ende Januar gehen können. "Ich habe verlängert, aber zum 1. Mai ist definitiv Schluss" erzählt der 20-Jährige. Er ist im Berufsbildungsbereich des Lebenshilfewerks tätig, wo Menschen mit Handicaps fit gemacht werden für eine Verwendung auf dem Arbeitsmarkt. "Ich helfe, wo ich kann", beschreibt Malte Cedzich seine Arbeit.

Alle Zivis, so betont Lebenshilfe-Sprecherin Helga Kell-Rossmann, würden als Assistenz für hauptamtliche Betreuer eingesetzt. "Das ist das Prinzip der helfenden Hände. Aber genau die helfenden Hände werden uns künftig fehlen." Die Lebenshilfe will laut ihrer Sprecherin versuchen, mehr Plätze im Rahmen des Berufsvorbereitenden Sozialen Jahres (BSJ) zu schaffen. Das Lebenshilfe-Projekt will analog zum Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) Schulabgänger auf die Berufstätigkeit vorbereiten. "Allerdings sind BSJ-Plätze viel teurer als Zivi-Stellen", betont die Lebenshilfe-Sprecherin. Daher könnten diese nur in begrenztem Umfang neu geschaffen werden. Die Lebenshilfe hoffe zudem, aus dem neuen Bundesfreiwilligendienst (siehe Info-Kasten) Personal für die Einrichtungen rekrutieren zu können. Das werde jedoch nicht ausreichen, um den Verlust aufzufangen, befürchtet Helga Kell-Rossmann. "Unsere andere Idee ist, vermehrt Praktika anzubieten." Sie sollten sich an Schulabgänger richten, die später im sozialen Bereich arbeiten wollen. "Wir versuchen, verstärkt an Schulabgänger heranzutreten und sie für die Aufgabe zu begeistern."

Auch wenn das auf lange Sicht klappen sollte: Klar ist, dass es spätestens ab April/Mai kurzfristig zu empfindlichen Engpässen bei der Arbeit kommen wird. Immerhin: Malte Cedzich, der Noch-Zivi, hat bereits angeboten, auch nach dem Ende seiner Beschäftigungszeit stundenweise auszuhelfen. "So lange meine Ausbildung oder mein Studium noch nicht begonnen hat, stehe ich auf jeden Fall bereit."