Träger der Jugendhilfe fordern, auf die beabsichtigte Etatverringerung zu verzichten. Bereitschaft zum Dialog mit der Politik signalisiert

Kreis Pinneberg. Wenn die Mitglieder des Pinneberger Kreistages am Mittwoch zur Sitzung kommen, werden sie eine Demonstration vor dem Gebäude kaum übersehen können. Dort werden Mitarbeiter der Jugendhilfeträger erwartet, um gegen die geplanten Mittelkürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe zu protestieren. Wenige Tage vor der entscheidenden Sitzung hat sich die Kreisarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände zu Wort gemeldet - und an die politisch Verantwortlichen appelliert, auf die geplante Verringerung des Etats zu verzichten.

"Wir glauben, dass der Kreis über genügend Geld im System verfügt. Es werden aber einfach die falschen Prioritäten gesetzt", erläuterte Klaus-Ulrich Sembill, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (Awo) für die Region Unterelbe. Das sei, was die Jugendhilfe betrifft, ein seit Jahren andauernder, schleichender Prozess. Er rechnet vor, dass für die sozialpädagogische Familienhilfe noch 2005 pro Fall 12 300 Euro ausgegeben worden sind. Voriges Jahr waren es lediglich 9900 Euro. Bei den Heimunterbringungen sank der Kostensatz pro Fall von 48 600 auf 40 000 Euro, bei der flexiblen Betreuung von 13 980 auf 8800 Euro.

Die Folgen seien extrem sowohl für die Kinder, ihre Familien als auch die Mitarbeiter der Jugendhilfeträger. Vor einigen Jahren hatten die Betreuer für ihre Schützlinge noch bis zu zwölf Stunden pro Woche Zeit. Inzwischen liegt der Regelsatz bei vier Wochenstunden, nur in Ausnahmefällen sind noch acht Wochenstunden möglich. Sembill: "Früher hatten die Mitarbeiter drei bis vier Familien gleichzeitig zu betreuen. Jetzt sind es teilweise zwölf Familien mit extremen Problemen, denen sie helfen müssen. Das ist auch für die Mitarbeiter extrem belastend, viele sind am Ende ihrer Kräfte angelangt."

Die Jugendhilfeträger fürchten, dass das - damals gemeinsam mit der Politik entwickelte - Präventionskonzept des Kreises zu Grabe getragen wird, wenn die Sparmaßnahmen greifen. "Wir waren so stolz auf das Konzept, der Kreis galt als Vorbild", sagt Ingrid Kohlschmitt vom Verein Wendepunkt. Man sei sich einig gewesen, genauer und früher hinzuschauen und bereits dann Hilfe zu leisten, bevor die Fälle akut werden. Kohlschmitt: "Jetzt aber passiert genau das Gegenteil: Es wird erst geholfen, wenn das Kind grün und blau geschlagen ist." Kohlschmitt betont: "Wir machen die Fälle nicht selbst, wir suchen auch nicht danach."

Die Jugendhilfe könne nicht auf fiskalische Art organisiert werden, betont Helga Kell-Rossmann von der Lebenshilfe. "Wir brauchen eine Entscheidung auf fachlicher Ebene." Eine Fallzahlenbegrenzung, wie sie der Kreis betreibe, sei nicht zu akzeptieren. "Wir als Jugendhilfeträger wollen weiterhin konstruktiv mit dem Kreis zusammenarbeiten", sagt Peter Schaumann, Kreisgeschäftsführer der Lebenshilfe und Vorsitzender der Kreisarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände. Und er sagt weiter: "Wir sind gesprächsbereit und wünschen uns, dass alle zusammen im Dialog das Thema angehen."

Bevor die Kommunalpolitiker am Mittwoch das Wort haben, haben sich am Dienstag Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände bei Landrat Oliver Stolz angesagt. Auch dieses Gremium hat sich klar positioniert - und wirft dem Kreis Rechtsbruch vor (siehe Info-Kasten).

2010 waren für reine Jugendhilfemaßnahmen 26,1 Millionen Euro aufgewendet worden. Der Jugendhilfeausschuss, in dem auch Trägervertreter Stimmrecht haben, hatte sich dafür ausgesprochen, diese Summe für 2011 fortzuschreiben. Der Finanzausschuss schlägt dem Kreistag jedoch eine Kürzung um 1,2 Millionen Euro vor - weitere Absenkungen sind nicht ausgeschlossen. Die Jugendhilfeträger überlegen für diesen Fall, eine Ombudsstelle einzurichten. Sie soll Familien, deren Hilfsanträge abgelehnt werden, auf einem möglichen Klageweg unterstützen.