Bürgermeister und Politiker wenden sich gegen den geheimen Regierungsplan, Treibhausgas aus Kohlekraftwerken unter der Stadt einzulagern.

Wedel / Hamburg. Von kräftigem Misstrauen bis zu knallharter Ablehnung reichen die Reaktionen der Entscheider in Wedel auf den Vorschlag des Bundesamtes für Geowissenschaften, tief unter dem Stadtgebiet Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken zu verpressen. Vertreter sämtlicher Parteien und Bürgermeister Niels Schmidt wandten sich gegen "Standort Nr. 56", den die Beamten für Wedel und den Westen Hamburgs festgelegt hatten. Greenpeace hatte am Wochenende eine geheime Liste der Regierung veröffentlicht, auf der mehr als 400 potenzielle Lager nach dem "Carbon Capture and Storage" (CCS)-Verfahren benennt.

"Wir sind absolut gegen Einlagerungen von Kohlendioxid und werden uns wehren", sagte Astrid Sawatzky, Fraktionschefin der Linken. Ebenso strikt äußerte sich ihr Kollege Michael Dege von den Grünen. "Wir haben diese Technik nie befürwortet. Statt durch Verbrennung Energie und zwangsweise Kohlendioxid zu erzeugen, sollten wir auf regenerative Arten setzen" Allerdings befürchtet er dabei Widerstände von anderer Seite: "Da sind die Menschen dann gegen die Stromleitungstrassen." Frank Balack (SPD): "Ich bin kein Freund dieser Lösung, glaube aber, dass Wedel auch nicht wirklich in Frage kommt." FDP-Fraktionschefin Renate Koschorrek erklärte, sich zunächst genauer über das Verfahren informieren zu wollen, sie sei aber schon mal grundsätzlich misstrauisch, weil sich sämtliche Fraktionen im Kieler Landtag gegen das Projekt ausgesprochen hätten. CDU-Fraktionsvorsitzender Michael Kissig will auch erst einmal mehr wissen, welche konkreten Folgen möglich sind, zeigte sich aber schon jetzt genervt: "Allein die Debatte schadet schon unseren stadtplanerischen Bemühungen, eine positive Entwicklung und Aufwertung Wedels zu erreichen."

Eine Fläche von 13,5 Quadratkilometern, die etwa 205 Meter mächtig ist, wollen die Beamten als Speicherort ausgemacht haben. Das Volumen wird auf 2,8 Kubikkilometer angenommen, 34,55 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid sollen hier eingelagert werden können. Annahmen, dass Wedel ausgesucht wurde, weil man praktischerweise das im Vattenfall-Heizkraftwerk anfallende Abgas gleich vor Ort bunkern könne, klingen zwar beim ersten Hinhören plausibel, sind falsch. Wie Vattenfall-Pressesprecherin Katharina Bloemer erklärte, gebe es über die Versuchanlage in Jänschwalde in Brandenburg hinaus keine Absichten, weitere Speicher zu untersuchen. "Dies gilt umso mehr, als dass die Rechtslage nach wie vor unsicher ist", sagte sie.

Wedels Bürgermeister Niels Schmidt zieht Schlussfolgerungen, die beruhigen sollen. "Das mögliche Lager in Wedel ist klein und liegt in dicht besiedeltem Gebiet. Da mit Widerstand zu rechnen ist, werden die Planer sicherlich eher möglichst große Lager in möglichst dünn besiedelten Regionen auswählen.", sagte er und ist verärgert, nicht informiert worden zu sein.

Auch die Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms (Grüne) ist genervt, weil die Bundesregierung so lange gemauert hat und mögliche Standorte jetzt auf diese Art ans Licht kamen. "Das ist nicht der richtige Umgang mit den Bürgern", sagte sie und: "Mit diesem Vorgehen bekommt man keine Akzeptanz für eine umstrittene Technologie. Nur völlige Transparenz und offene Informationen können helfen" Sie befürchtet "einen künftigen Großkonflikt". Wilms: "Die Menschen in unserem Land reagieren hochsensibel auf die Änderungen der Umwelt in ihrer Nähe. Wer das missachtet, wird ganz massive Proteste erleben." Und im übrigen sei an der Tatsache, dass die meisten Standorte im Norden liegen, zu erkennen, "dass die Regierung offenbar von RWE und E.on geführt wird."

Die Bundestagsabgeordnete und Diplomingenieurin hält es für "klar, dass die CCS-Technologie in Deutschland zur Reduzierung der Emissionen aus der Stromerzeugung keinen nennenswerten Beitrag leistet." Valerie Wilms zieht Parallelen zur Vorgehensweise der Energiekonzerne beim Umgang mit der Atomkraft: "Die setzen sich in Bewegung, ohne vorher die Bremse auszuprobieren." Auch die SPD-Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky, Bernd Schröder und Ernst Dieter Rossmann wollen dazu beitragen, dass das Projekt in keinem Ort in Schleswig-Holstein mehrheitsfähig ist.