Staatsanwälte und Polizisten beschlagnahmten Unterlagen bei dem Futterfette-Hersteller, der als Verursacher des Dioxin-Skandals gilt.

Uetersen. Die Razzia begann am Mittag. Stundenlang sind gestern die Firmenräume des Uetersener Futterfette-Herstellers Harles und Jentzsch an der Deichstraße von Polizeibeamten, zwei Staatsanwälten und Mitarbeitern des Landeslabors durchsucht worden. Das Unternehmen gilt als Verursacher des bundesweiten Skandals um dioxinbelastetes Tierfutter.

Die Beamten trugen 15 Umzugskartons in die Geschäftsräume des Unternehmens, worin sämtliche Unterlagen, Korrespondenz, Rechungen und Lieferscheine der vergangenen fünf Jahre eingepackt wurden. Kurz bevor die etwa 20köpfige Einsatztruppe, die mit sechs Pkw und einem Kleinlastwagen der Staatsanwaltschaft auf den Hof des Uetersener Unternehmens vorgefahren war, wieder abrückte, sorgte ein Demonstrant für Aufsehen.

Der Hamburger Peter Heyckendorf war gekommen, um mit einem Transparent und Flugblättern darauf aufmerksam zu machen, dass alle 45 Minuten in Deutschland ein Mensch an Blutkrebs erkrankt. Heyckendorf ist selbst an Leukämie erkrankt und vermutet als Ursache dafür Strahlung oder Gifte wie das das in den Eiern gefundene Dioxin.

Belastetes Futter auch in Betriebe des Kreises Pinneberg geliefert

Am Nachmittag wurde dann bekannt, dass belastetes Tierfutter auch an Betriebe im Kreis Pinneberg geliefert wurde. Wie viele betroffen sind und um wen es sich handelt, wurde zunächst nicht bekannt. "Wir warten noch auf die Liste aus Kiel", sagte Kreissprecher Marc Trampe. Dann würden die Betriebe umgehend informiert. Trampe: "Wir werden kurzfristig entscheiden, welche Maßnahmen wir treffen müssen." Denkbar ist etwa eine vorübergehende Sperrung der betroffenen Höfe. Möglicherweise werden die Betroffenen auch lediglich auf ihre Eigenverantwortung, unbelastete Lebensmittel in den Markt zu bringen, hingewiesen. Verzweifelt hatte der Kreis, der für die Lebensmittelaufsicht zuständig ist, den ganzen Tag über versucht, Daten aus der Landeshauptstadt zu erhalten.

Die Fette werden dem Tierfutter in unterschiedlichen Dosen beigemischt

Dort ist das Amt für ländliche Räume, das wiederum dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist, für die Futtermittelaufsicht zuständig. "Landesweit haben wir 50 landwirtschaftliche Betriebe und acht Landhandelsunternehmen identifiziert, die dioxinbelastetes Futter bezogen haben", berichtet Ministeriumssprecher Christian Seyfert. 40 der Firmen seien Schweine-, der Rest Putenmastbetriebe. Das Problem sei, dass die vom Uetersener Betrieb gelieferten Fettkomponenten dem Tierfutter in unterschiedlichen Dosierungen beigemischt werde - etwa vier Prozent bei Schweinefutter, ein Prozent in Putenmastbetrieben

In den betroffenen Unternehmen würden nun Futterproben genommen und untersucht. Die Ergebnisse sollen frühestens Freitag vorliegen. Seyfert: "Wenn der Dioxingrenzwert unterschritten wird, ist das Futter verkehrsfähig und das geschlachtete Tier kann normal in den Handel gebracht werden." Im anderen Fall müsste das Fleisch nach der Schlachtung untersucht werden - auf Kosten des Landwirts. Die müssten sich die Ausgaben später zivilrechtlich vom Verursacher, also dem Uetersener Betrieb, wieder holen. Für alle betroffenen Schweinemastbetriebe hat das Land ein Schlachtverbot erlassen.

Unterdessen hat die Aufsichtsbehörde gestern die Tanks von Harles und Jentzsch, die für die Futtermittelherstellung verwendet werden, gesperrt. Dem Betrieb ist jetzt untersagt, Fette für die Nahrungsmittelindustrie zu produzieren. Der zweite Geschäftszweig, die Herstellung von technischen Fetten, darf jedoch weiter betrieben werden.

"Die Auswertung der Unterlagen, die bei der Durchsuchung sichergestellt worden sind, wird längere Zeit dauern", erläutert Oberstaatsanwalt Friedrich Wieduwilt. Die Staatsanwaltschaft wolle erfahren, "wer, was, wo und aus welchen Gründen beigemischt hat". Die Geschäftsbücher sollten zudem die Vertriebs- und Bezugswege aufzeigen. Eine Festnahme habe es nicht gegeben und sei auch nicht geplant gewesen. Laut Wieduwilt sind vor Ort durch Spezialisten des Landeslabors Schleswig-Holstein in Neumünster weitere Proben genommen worden - offenbar auch von Altbeständen.

Allein voriges Jahr wurde Harles und Jentzsch vier Mal kontrolliert

So soll überprüft werden, ob der Betrieb auch in der Vergangenheit Fette verarbeitet hat, die nicht für die Nahrungsmittelindustrie geeignet waren. Den Verantwortlichen des Betriebes droht eine Geld- oder eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren.

Bisher, das betont Ministeriumssprecher Seyfert, sei Harles und Jentzsch völlig unauffällig gewesen. "Allein letztes Jahr fanden vor Ort vier Kontrollen statt. Alle Ergebnisse waren einwandfrei", erläutert Pressesprecher Seyfert. Auch die Eigenuntersuchungen des Betriebes hätten keine Grenzwertüberschreitungen ergeben. Bis kurz vor Weihnachten.