Helgoland gehört seit 120 Jahren zu Deutschland. Wechselvolle deutsche Geschichte des roten Felsens ist von den Kriegen geprägt

Helgoland. Seit genau 120 Jahren gehört Helgoland zu Deutschland. Kein rundes Jubiläum mit großen Feierlichkeiten wie vor 20 Jahren, dennoch ein Grund zum Rückblick auf eine wechselvolle Geschichte, wie sie bunter und dramatischer kaum sein.

Alles begann am 1. Juli 1890, als ein Vertrag zwischen dem deutschen Kaiserreich und der britischen Krone unterzeichnet wurde, der die Nordseeinsel Helgoland aus britischer Oberhoheit entließ und ins Deutsche Reich eingliederte. Am 10. August nahm Kaiser Wilhelm II. mit feierlichem Flaggenwechsel den roten Felsen "in den Kranz der deutschen Inseln" auf.

Strategische Überlegungen führten Ende des vergangenen Jahrhunderts auf beiden Seiten zum dem deutsch-britischen Vertrag, der die kolonialen Verhältnisse zwischen beiden Ländern in Afrika klärte und den Namen Helgoland-Sansibar-Vertrag erhielt. Großbritannien sicherte sich Rechte im Osten Afrikas und auf der vorgelagerten Insel Sansibar , Deutschland erhielt von der damaligen Kolonie Deutsch-Südwest aus einen Zugang zum Sambesifluss und erwarb den roten Felsen Helgoland vor der Elbmündung, in der der marinebegeisterte deutsche Kaiser den "Vorposten meiner Kriegsschiffe" sah.

In der Zeit bis 1914 und auch wieder in den 30er Jahren bei Hitlers Kriegsvorbereitungen wurde Helgoland zu einer Seefestung ersten Ranges ausgebaut. Diese militärischen Aktivitäten ließen den touristischen Aufschwung der Hochseeinsel in den Hintergrund treten. Dabei hatte 1826 mit der Gründung des Seebades Helgoland eine neue Ära begonnen.

Denn außer der Fischerei hatte es Jahrhunderte lang für die Insulaner kaum eine andere Einkommensquelle gegeben. Sie diente im 14. Jahrhundert den Seeräubern um Klaus Störtebeker, die von den Hamburgern 1402 vernichtet wurden, als Unterschlupf. Im 17. Jahrhundert eroberten die Dänen den Felsen, am 5. September 1807 besetzten ihn die Briten. Die napoleonische Kontinentalsperre ließ Helgoland zu einem Dorado für den Umschlag englischer Waren, für Schmuggel und Schwarzhandel werden. Das Ende der Kontinentalsperre im Jahr 1812/13 beendete auch das gute Geschäft. Die im Handelsboom geschaffenen Gästebetten ließen den Tourismus als neuen Erwerbszweig geeignet erscheinen. Am 1. Juli 1826 kamen 350 Gäste. Vier Jahre später eröffnete der Raddampfer "Elbe" vom Hamburger Hafen aus den Linienverkehr zu der rund 60 Kilometer vom Festland entfernten Insel. Und schon bevor Helgoland deutsch wurde, stieg die Zahl der Besucher enorm.

Unfreiwilliger Gast in dieser Zeit war auch der Literatur-Professor Heinrich Hoffmann von Fallersleben aus Breslau, der als freiheitlich-liberal Gesinnter vor preußischer Verfolgung nach Helgoland geflüchtet war und dort 1841 das "Lied der Deutschen" dichtete.

Der Aufstieg Helgolands als Ferieninsel hielt auch unter der deutschen Fahne an, und im Jahre der Eingliederung wurden schon fast 13 000 Besucher gezählt. 1892 wurde ein Badehaus mit Hallenschwimmbad und 1893 ein Musikpavillon in Betrieb genommen, 1897 das Nordsee-Museum eröffnet.

Kriege unterbrachen die günstige touristische Entwicklung

Schauspieler, Dichter und andere prominente Gäste machten in den folgenden Jahren Urlaub auf Helgoland, etwa der Physiker Werner Heisenberg, dem im Juni 1925 bei einem Urlaub auf dem Oberland der "Geistesblitz" für eine neue Atomtheorie, die Quantenmechanik, gelang.

Die beiden Weltkriege, in denen die Helgoländer ihre Insel verlassen musste, unterbrachen die günstige Entwicklung. Nach der Evakuierung im Zweiten Weltkrieg durften die über 150 Orte zerstreuten Insulaner erst 1952 in ihre Heimat zurückkehren. Sie hatten eine Mondlandschaft aufzuräumen, die die Briten zurückgelassen hatten.

Nach der Heimkehr bauten die Helgoländer ihre Insel wieder auf. Millionen von Besuchern haben seitdem von der Nordseeküste aus Kurs auf die einzige deutsche Hochseeinsel genommen, vor allem in den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung. Doch seit vielen Jahren ist der Tagestourismus rückläufig. Helgoland arbeitet an anderen Standbeinen für eine wirtschaftliche Zukunft, etwa als Versorgungsbasis für die naheliegenden Offshore-Windenergieanlagen und in Verbindung mit der Biologischen Anstalt als Ziel für den Wissenschaftstourismus.