Mitarbeiter sollen anonym Hinweise geben. Hauptgesellschafter reagiert auf Razzia, um Korruptionsvorwürfe zu klären

Kreis Pinneberg. Die Pinneberger Regio-Kliniken wollen mithilfe einer Vertrauensfrau weitere Hinweise auf Verstöße der früheren Geschäftsleitung sammeln. Damit reagiert die Sana AG, die vor gut einem Jahr Hauptgesellschafter der Kliniken geworden ist, auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen wegen Untreue und Korruptionsverdachts gegen die Geschäftsführung der damals noch kreiseigenen Kliniken.

Als landesweit erster Krankenhausbetrieb hat Regio eine Ombudsstelle für die 2400 Mitarbeiter geschaffen. Die langjährige ehemalige Jugendrichterin des Elmshorner Amtsgerichts, Elke Maria Lutz, steht jetzt allen Beschäftigten als Gesprächspartnerin zur Verfügung, die sich vertraulich und anonym an sie wenden möchten, um sich wegen möglicher Ungereimtheiten der jüngsten Vergangenheit zu offenbaren. "Das muss aufgeklärt werden. Wir müssen reinen Tisch haben, damit die Unruhe nicht weiter schwelt", betont Hauptgeschäftsführer Otto Melchert.

Diese Entscheidung sei in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Kiel getroffen worden, die vorige Woche mit 96 Polizeibeamten und vier Staatsanwälten 23 Wohn- und Geschäftsräume in fünf Bundesländern durchsucht und zahlreiche Akten beschlagnahmt hat. Dazu gehörte die Verwaltung der Regio-Kliniken in Uetersen, das Kreishaus in Pinneberg sowie der private Wohnsitz des ehemaligen Landrats Wolfgang Grimme in Mecklenburg-Vorpommern. Gegen ihn wird auch wegen Untreue ermittelt, weil er den Arbeitsvertrag mit dem damaligen Klinik-Chef Alexander Schlick eigenmächtig vorzeitig verlängert haben soll. Schlick wird vorgeworfen, Dienstleistungs- und Bauunternehmen ohne Ausschreibung und zu mutmaßlich überhöhten Preisen beauftragt und dabei Personen aus dem Freundes- und Familienkreis begünstigt zu haben.

Diese spektakuläre Durchsuchung eineinhalb Jahre nach dem Rauswurf Schlicks und acht Monate nach Aufnahme der Ermittlungen habe etlichen Kollegen die Augen geöffnet, berichtet Brigitte Morek, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Regio-Kliniken. "Für viele war das ein Aha-Erlebnis." Über so manches seltsame Handeln der Geschäftsführung hätten sie sich schon damals gewundert, aber aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht getraut, sich gegenüber ihren Vorgesetzten zu offenbaren. So wunderten sich Mitarbeiter, warum immer dieselben Firmenfahrzeuge an den Baustellen der Regio-Kliniken zu sehen waren. Es soll ominöse Barabhebungen von rund 100 000 Euro gegeben haben, die als Ankauf von Pflegematerial getarnt waren. Und auch über seltsame Auslandsbesuche der Geschäftsführung wurde gestaunt, zu denen Angehörige als Geschäftsfreunde mitgereist sein sollen.

Die Rolle der Beichtmutter soll jetzt Elke-Maria Lutz übernehmen, die als Ex-Richterin über jahrzehntelange Erfahrung in sensibler Gesprächsführung verfügt und die mögliche Bekenntnisse der Mitarbeiter auch juristisch einordnen kann. Sie habe aber keinerlei rechtswirksame Funktion, betont Elke-Maria Lutz. "Das ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft." Die Mitarbeiter, die von Gewissensbissen geplagt sind oder von unseriösen Machenschaften zu berichten wissen, sollen ihr gegenüber freimütig ihr Herz ausschütten können. Niemand müsse befürchten, dass ihm seine Äußerungen zum Verhängnis werden, versichert Melchert, es sei denn, derjenige hätte aktiv an illegalen Praktiken mitgewirkt. Alle Gespräche fänden selbstverständlich anonym und auf neutralen Boden statt, wenn dies die Mitarbeiter wünschen, betont Ombudsfrau Lutz.

Die Sana-Gruppe, die bundesweit 42 Kliniken betreibt, arbeite zurzeit einen Verhaltenskodex aus, berichtet Melchert. "Wir wollen so sicherstellen, dass sich alle Mitarbeiter an bestimmte Regeln halten und sich nicht außerhalb der Gesetze bewegen." Mit der Berufung von Elke-Maria Lutz solle auch deutlich gemacht werden, "dass die Regio-Kliniken gesetzeswidriges beziehungsweise unethisches Verhalten auf keiner Ebene tolerieren und akzeptieren". Den Mitarbeitern, die sich belastet fühlen, solle damit Mut gemacht werden, ihr Gewissen zu erleichtern. Elke-Maria Lutz ist zu erreichen unter 04121/614 09 oder per E-Mail.

elke-maria.lutz@regiokliniken.de