Der neue Landrat, Oliver Stolz, zieht nach der obligatorischen Schonfrist eine erste persönliche Bilanz

Kreis Pinneberg. Am 1. April hat Oliver Stolz das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde Rellingen abgegeben und Wolfgang Grimme auf dem Posten des Landrats abgelöst. Nach 100 Tagen fragt die Pinneberger Zeitung den Leiter der Kreisverwaltung nach seinen bisherigen Erfahrungen, seinen Zielen und seinen Wünschen.

Pinneberger Zeitung:

Herr Stolz, Sie sind jetzt 100 Tage Landrat des Kreises Pinneberg. Wie sieht Ihre persönliche Zwischenbilanz aus? Haben Sie sich die Aufgabe so vorgestellt?

Landrat Oliver Stolz:

Die vergangenen 100 Tage waren eine spannende Zeit. Meine persönliche Zwischenbilanz fällt sehr positiv aus. Ich bin von den Mitarbeitern sehr freundlich empfangen worden und wurde bei der Einarbeitung toll unterstützt. Das Amt des Landrats ist natürlich ein anderes als das eines direkt von den Bürgern gewählten Bürgermeisters. Man hat als Bürgermeister deutlich mehr repräsentative Aufgaben wahrzunehmen. Die Tätigkeit eines Landrats ist eher die Leitung der Verwaltung. Eine deutlich größere Verwaltung ist auch anders zu führen: Hier haben wir im Kernbereich 600 Mitarbeiter. Die Verwaltung ist organisatorisch gut aufgestellt.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Baustellen, die Sie zurzeit zu bewältigen haben, und wie werden Sie diese Probleme lösen?

Stolz:

Die größte Herausforderung liegt sicherlich in der Konsolidierung der Finanzen. Wir müssen unsere finanzielle Leistungsfähigkeit wieder zurückerlangen. Wir müssen alle unsere Leistungen kritisch hinterfragen. Müssen wir diese Dienstleistungen in der Qualität anbieten? Was kostet das? Eine Möglichkeit um Kosten zu senken, können Kooperationen sein. Wir müssen überlegen, welche Dienstleistungen wir gemeinsam mit den Kommunen oder mit anderen Kreisen erfüllen können. Gerade im Bereich der "inneren Verwaltung" erbringt jede Verwaltung für sich identische Dienstleistungen.

Wir sind aber mit den Gesprächen im Rahmen des Kooperationsbeirates auf einem guten Weg, die Doppelstrukturen zu hinterfragen und gemeinsam Lösungswege zu schaffen. Allerdings erwarte ich auch vom Gesetzgeber, dass er nicht nur neue Aufgaben für die Kommunen beschließt, sondern auch das Geld mitliefert. Das Konnexitäts-Prinzip muss eingehalten werden.

Sehr aktuell ist natürlich, mit unserem Partner Sana einen positiven Schritt zur Stabilisierung der Regio-Kliniken zu gehen und die Probleme der Vergangenheit endlich hinter uns zu lassen. Wir haben uns auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt. Zeitlich nimmt mich auch der Umzug in das neue Kreishaus in Anspruch, aber auch hier werden wir die Planungsphase nach nochmaliger intensiver Beratung bald abschließen können, auch wenn es zurzeit durchaus ernst zu nehmende Kritik im politischen Raum gibt. Weitere Herausforderungen sind unser Engagement für Helgoland, der Neubau der Berufsschule und die Erweiterung der Kreisfeuerwehrzentrale.

Auffallend ist, dass der Landrat nicht mehr so in den Schlagzeilen steht wie es bei Ihrem Amtsvorgänger der Fall war. Wie erklären Sie sich das?

Stolz:

Das müssen die Journalisten erklären (lacht). Einige "heiße Eisen", die öffentliche und politische Brisanz hatten, konnte mein Vorgänger Dr. Grimme noch abschließend bearbeiten. Sicher wird mir einerseits aber auch eine gewisse Einarbeitungszeit gewährt, andererseits habe ich gar nicht das Ziel, häufig in den Schlagzeilen zu stehen, sondern den Kreis Pinneberg in der Sache nach vorn zu bringen. Da ist es hilfreich, sich mit den politischen Vertretern abzustimmen, bevor wichtige Themen von Verwaltungsseite in die Presse gegeben werden.

Wie empfinden Sie die Stimmung in der Kreisverwaltung? Sind jetzt alle Mitarbeiter in freudiger Aufbruchsstimmung, dass sie bald in Elmshorn arbeiten werden?

Stolz:

Das Betriebsklima ist fast überall ausgezeichnet. Mein Eindruck zum Umzug ist insgesamt positiv. Die meisten Menschen stehen Veränderungen zunächst einmal mit Respekt gegenüber und wägen vermeintliche Vor- und Nachteile ab. Allein der Ortswechsel bedeutet für viele einen längeren Arbeitsweg. Ich versuche, die Mitarbeiter von den Vorteilen zu überzeugen, bin aber auch bereit, auf Kritik zu reagieren. Nachdem wir aktuell die Bürosituation in den einzelnen Organisationseinheiten überdacht haben, bin ich guten Mutes, dass wir in Elmshorn sehr attraktive Arbeitsbedingungen anbieten können.

Wir müssen dabei auch die Lage sehen, in der wir uns gerade befinden: In dem eingehausten Hochhausteil herrschen in den Büros derzeit teilweise über 30 Grad. Die Temperaturen erleichtern das Arbeiten nicht. Wir haben bei dem Projekt eine hohe Mitarbeiterbeteiligung. Viele Mitarbeiter engagieren sich - zusätzlich zur normalen Arbeit - und sparen dem Kreis mit ihrem Sachverstand viele Beratungskosten. Ein positiver Nebeneffekt des Umzuges nach Elmshorn ist, dass wir uns als Verwaltung bürgerfreundlicher präsentieren können, als es derzeit baulich möglich ist.

Die Kreispolitiker loben fast einhellig Ihre Informationspolitik. Sie fühlten sich frühzeitig und umfassend informiert, auch über Dinge, die nicht so gut laufen. Wird das so bleiben? Ist das der Stil des Landrats Stolz?

Stolz:

Ich habe schon vor Amtsantritt deutlich gemacht, dass mir dies sehr wichtig ist. "Herrschaftswissen" sollte es nicht geben. Ich werde auch weiterhin alle Fraktionen gleichberechtigt informieren. Wir sind als Verwaltung Dienstleister für die Politik, damit diese ihre Entscheidungen treffen kann. Ja, das kann man als meinen Stil deuten, und damit habe ich in Rellingen bereits gute Erfahrungen gemacht. Allerdings will ich an meiner Kommunikation weiter arbeiten. Ich hoffe, dass sich dadurch auch der Druck auf die Politik, Entscheidungen ohne ausreichenden Vorlauf treffen zu müssen, abbauen lässt.

Es gibt aber auch kritische Stimmen, die die eigenen "Duftmarken" des Landrats vermissen. Fehlen ihnen die Visionen? Wird Landrat Stolz noch seine Grundsatzrede halten? Welche Schwerpunkte werden Sie in Zukunft setzen?

Stolz:

Es gibt viele Themen, die angefangen sind und nun intensiv begleitet und gesteuert werden müssen. Da liegt es mir fern, mit einem gewissen Aktionismus den Aufbruch zu neuen Ufern auszurufen.

Schwerpunkte gibt es genug - einige davon habe ich vor meinem Amtsantritt deutlich gemacht. Dazu gehören die Zusammenarbeit mit Kommunen und die Positionierung der Wirtschaftsförderung.

Der Kreis Pinneberg muss einer der wirtschaftlichen Motoren in der Metropolregion bleiben. Durch unsere hervorragende Infrastruktur und die Lage zur Freien und Hansestadt Hamburg haben wir exzellente Voraussetzungen dafür. Die Haushaltskonsolidierung muss unser großes Thema bleiben. Migration und auch Klimaschutz sind weitere Handlungsfelder, in denen der Kreis aktiv sein sollte.

Es wundert mich allerdings auch nicht, wenn einige die großen Initiativen vermissen. Ich sehe die Verwaltung nicht als originäre weitere politische Kraft, sondern als guten Dienstleister für Bürger und Politik. Die Marschrichtung wird dort bestimmt, und das zeigt sich auch sehr gut an den strategischen Zielen, die zurzeit von der Politik neu formuliert werden und wobei wir gern unterstützen - mit steigender Erfahrung wächst dann auch der Wert meines Ratschlages.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihrem Amtsvorgänger? Auf welche Ratgeber vertrauen Sie in Ihrem neuen Amt?

Stolz:

Herr Dr. Grimme hat mir schon vor Amtsantritt eine umfassende Einarbeitung ermöglicht, wie sie sicherlich nicht bei jeder Übergabe selbstverständlich ist. Wir haben seitdem noch vereinzelt telefoniert. Aber ich habe jetzt meinen Job und er seinen. Meine Ratgeber sind natürlich meine engsten Mitarbeiter, aber auch unsere Politiker.

Wie sehen sie die Zukunft der Verwaltungen im Lande? Wird es noch zu einer Kreisreform kommen, die möglicherweise das Amt eines Landrats für den Kreis Pinneberg überflüssig macht?

Stolz:

Zurzeit sehe ich das zwar nicht, will mich aber dem Gedanken nicht verschließen. Das Land hat schon häufiger versucht, eine Kreisgebietsreform durchzuführen. In dem aktuellen Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass sich die Struktur grundsätzlich bewährt hat und Gebietsreformen zwischen Gebietskörperschaften nur auf freiwilliger Basis erfolgen sollen. Ich halte deswegen freiwillige Zusammenschlüsse oder Kooperationen momentan für sinnvoller und wahrscheinlicher. Wir praktizieren dies unter anderem im Bereich des Tourismus oder des Rettungsdienstes und mit der Koordinierungsstelle soziale Hilfen, kurz Kosoz, seit Jahren erfolgreich.

Schleswig-Holstein steht nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes zur Amtsordnung - also auch den Aufgaben, die Amtsverwaltungen wahrnehmen dürfen - vor einer wichtigen Entscheidung. Ich meine, wir alle sind schon angesichts der dramatischen Lage fast aller öffentlichen Haushalte gezwungen, jegliches Einsparpotenzial zu nutzen, wobei größer nicht gleich besser sein muss. Tut sich hier etwas, kann das auch Auswirkungen auf den Kreis Pinneberg haben.