Die Netto-Markt-Ansiedlung in Brande-Hörnerkirchen ist vom Tisch. Existenzängste auch. Doch auch Enttäuschung macht sich breit.

Brande-Hörnerkirchen. Erleichterung auf der einen, Enttäuschung auf der anderen Seite. Dass die geplante Ansiedlung eines Netto-Marktes in Brande-Hörnerkirchen nun gescheitert ist, wird vom dortigen Edeka-Markt-Betreiber Andreas Boost mit großer Freude zur Kenntnis genommen. "Die Freude bei mir und meiner Familie und bei meinen 25 Mitarbeitern ist riesengroß. Über drei Jahre haben wir alle mit großen Existenzängsten leben müssen."

Bürgermeister Siegfried Winter, CDU, dagegen bedauert die Entscheidung der dänische Supermarktkette, kein neues 800 Quadratmeter großes Geschäft in der 1600 Einwohner zählenden Gemeinde im Norden des Kreises Pinneberg errichten zu wollen. "Jetzt wird noch mehr Kaufkraft aus unserem Dorf abgezogen." Die Verbraucher würden ihre Lebensmittel-Einkäufe ohnehin schon zum großen Teil in Barmstedt, Horst oder Wrist erledigen, wo auch andere Discounter ihre Geschäfte haben. "Schon jetzt ist es doch so, dass von einem Euro Kaufkraft nur noch 30 Cent in Brande-Hörnerkirchen bleiben", klagt Bürgermeister Winter.

Ganz anderer Meinung ist die SPD in Hörnerkirchen, die im Gemeinderat gegen die CDU-Ansiedlungspolitik gestimmt hatte. Ihr Sprecher Hans-Jörg Ingwersen sagt: "Es ist gut für unser Dorf, dass der Netto-Markt nicht kommt." Über kurz oder lang hätte der neue Verbrauchermarkt den alteingesessenen Edeka-Markt verdrängt, indem er ihm mit Niedrigpreisen Konkurrenz gemacht hätte, ist Ingwersen überzeugt. "Die Gefahr war groß, dass der Edeka-Markt tot geht. Dann bleibt nur noch der neue Markt, ohne Frischfleisch, ohne Frischgemüse und ohne all die Angebote, die sich für ihn nicht rentieren, die aber der an der örtlichen Kundschaft interessierte Edeka-Markt heute anbietet."

Und wenn sich das Geschäft dann irgendwann in der Zukunft für Netto nicht mehr gelohnt hätte, wäre womöglich die Nahversorgung für den täglichen Bedarf der Bevölkerung in Brande-Hörnerkirchen ganz flöten gegangen, warnte Ingwersen.

Andreas Boost, der das Geschäft seiner Eltern 1996 übernahm, die 1956 mit einem Vege-Laden in Brande-Hörnerkirchen anfingen, fällt ein Stein vom Herzen. "Wir haben es geschafft." Die drohende Entlassung seiner Mitarbeiter und die Schließung seines Betriebs, die die Ansiedlung des Netto-Marktes für ihn mit Sicherheit bedeutet hätten, seien nun - jedenfalls vorerst - vom Tisch. Er hoffe, dass der Streit "keine tiefen Risse" im Dorf hinterlassen hat. "Manchmal wurde mit ziemlich harten Bandagen gekämpft."

So berufen sich beide Seiten auf Gutachten, die offenbar zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. So stellte ein Sachverständiger der Gemeinde fest, dass dem Edeka-Markt ein Verlust von knapp 20 Prozent drohte, wenn der Netto-Markt eröffnen würde. Eine zweite Expertise dagegen sprach von einem Verdrängungswettbewerb von bis zu 50 Prozent. Aufgrund dieser zweiten Prognose war Boost bereit, auch gegen das Projekt zu klagen. Die Klageschrift liegt bereits vor. Möglicherweise habe nun diese Klageandrohung dazu geführt, dass der interessierte Investor wieder abgesprungen ist glaubt Boost.

Die Gemeinde hätte vor Gericht mit Sicherheit gegen ihn verloren, ist Boost überzeugt. Bürgermeister Winter dagegen glaubt, dass eine zusätzliche Einkaufsmöglichkeit im Dorf im Interesse aller sein müsse. "Beide Märkte hätten sich befruchtet." Durch die zusätzlichen Kaufangebote würden mehr Verbraucher wieder im Ort einkaufen, die jetzt zu den großen Discount-Märkten nach Barmstedt, Elmshorn oder Horst führen.

Noch ist das Thema aber für den Edeka-Marktchef Boost nicht gänzlich ausgestanden. Der städtebauliche Vertrag der Gemeinde Brande-Hörnerkirchen mit dem Projektentwickler Harald Oevermann in Porta Westfalica gilt weiterhin, für die Gemeinde einen Anbieter zu finden, der in Brande-Hörnerkirchen ein Lebensmittelgeschäft errichten wolle.

"Wir suchen jetzt weiter nach alternativen Möglichkeiten", sagt Winter. SPD-Gemeindevertreter Ingwersen glaubt eher daran, dass die Gefahr der unliebsamen Konkurrenz für Edeka jetzt gebannt ist. "Für die großen Discounter wie Lidl und Aldi lohnt es sich nicht, nach Brande-Hörnerkirchen zu kommen."

Der Edeka-Markt-Inhaber hat nun auf seine Weise reagiert und seine Verkaufsfläche um 20 Prozent auf 700 Quadratmeter vergrößert und modernisiert. Im Tiefkühlbereich sogar um 100 Prozent. "Meine Mitarbeiter und ich möchten der Gemeinde ein serviceorientierter, preisgünstiger und moderner Edeka-Nahversorger sein."