Eine Gemeinde streitet über einen Discounter, Arbeitsplätze und die Verschandelung des Dorfbildes

Brande-Hörnerkirchen. Beschaulich ist es in der kleinen Gemeinde Brande-Hörnerkirchen. Gute Gemeinschaft wird hier groß geschrieben, und auch die Kommunalpolitiker von CDU und SPD arbeiten gut zusammen - normalerweise. Derzeit jedoch stehen die Zeichen auf Sturm: Es gibt Zoff um die Ansiedlung eines Supermarktes, die im Rahmen einer Änderung des örtlichen Flächennutzungsplans vorgesehen ist. In der einen Ecke steht der Betreiber des Edeka-Marktes in der Dorfmitte - auf der anderen Seite steht die CDU.

"Wir wollen einen Discounter an der Lindenstraße Ecke Rosentwiete ansiedeln", sagt Bürgermeister Siegfried Winter (CDU). Er hofft, durch den Netto-Markt mehr Kaufkraft ins Dorf zu locken, das als Versorgungszentrum für die Umlandgemeinden Westerhorn, Osterhorn und Bokel fungiert. "Dann würden nicht so viele Einkäufer nach Barmstedt fahren, sondern zu uns kommen."

Andreas Boost sieht das anders. Er betreibt den Edeka-Supermark an der Kirche und bietet auf 650 Quadratmetern ein Vollsortiment. "Wenn der Discounter kommt, dann gehen wir pleite." Seine Befürchtung hat der Chef von 28 Angestellten von einer Beratungsgesellschaft analysieren lassen. Laut der CIMA GmbH würde der Nettomarkt für Boost einen Verdrängungswert von 50 Prozent bedeuten - das wäre das Aus für den Edeka-Markt.

"Wenn Netto kommt, machen wir zu", sagt der frustrierte Supermarktchef und empfindet die Pläne als Affront. "Die tuscheln doch schon und sagen, dass ich mal Konkurrenz gebrauchen könnte." Das versteht der Marktleiter nicht. Schließlich befindet sich der Laden schon seit 1954 in der Dorfmitte. Damals haben noch seine Eltern die Lebensmittel verkauft. Als Andreas Boost den Laden 1996 übernahm, hat er sogar angebaut. "Wir gehören doch hier her", sagt der enttäuschte Marktchef. Aus seiner Sicht spielen auch Neid und Missgunst eine Rolle.

Als die Pläne vor einem Jahr bekannt wurden, hat Boost sogar über ein Hausverbot für die treibenden Kräfte der CDU nachgedacht, "und zwar, weil ich das persönlich nehme". Diese Gedanken habe er aber verworfen. "Man muss damit professionell umgehen." Außerdem erübrige sich ein Hausverbot. "Wenn der Netto da ist, muss ich sowieso zu machen."

Auch viele Bürger sehen die Planungen der Christdemokraten kritisch. So hat sich um die Pädagogin Monica Rohweder eine Bürgerinitiative gegründet, die versucht, die Ansiedlung zu verhindern. "Der neue Markt würde unser Dorfzentrum kaputt machen", sagt Rohweder. Ihrer Meinung nach wäre es schade um die historische Dorfmitte, denn traditionell siedelten sich Geschäfte um die Kirche an - so wie der Edeka-Markt. "Wenn Netto kommt, bedeutet das eine Verschandelung unseres Dorfcharakters." Zwar habe die Gemeinde auf die Brande-Hörnerkirchener Wutbürger reagiert und die formalen Beschwerden gegen die Planung in den Prozess mit einbezogen, aber Monica Rohweder reicht das nicht. "Wenn ein ganzes Zentrum verlagert wird, müssten die Bürger gefragt werden." Sie hat Angst, dass der Netto nicht alleine bleibt und noch mehr Gewerbe am neuen Standort angesiedelt wird.

Um auf die Bürgerinitiative zu reagieren, hat auch Bürgermeister Winter ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die "BBE Handelsberatung" sieht den Verdrängungsfaktor nur bei 19,7 Prozent. "Das Gutachten besagt, dass sich die beiden Märkte eher noch befruchten würden", sagt Bürgermeister Winter.

Boost findet das lächerlich. "Ab 20 Prozent spricht man von einer Verdrängung und kann klagen. Aber diese auszuschließen, weil nach dem Gutachten 0,3 Prozent fehlen, ist lächerlich." Er will auf Basis des CIMA-Gutachtens klagen. "Ich habe mir für die Klage eine Summe gesetzt. Bis die erreicht ist, klage ich. Wenn es nichts wird, geht es für mich in die Insolvenz."

Die CDU hat die Verhandlungen mit dem Marktleiter aufgegeben. "Mit Reden kommt man hier nicht mehr weit", sagt Christian Schütz. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU im Dorf hat die Nase voll. "Ich verstehe sein Problem nicht. Unser Gutachten ist eindeutig." Aus Angst, dass im Supermarkt die Emotionen hoch kochen, geht er nicht mehr in Boosts Laden. "Auch vorher war ich dort selten, aber jetzt hat das für mich mit einem Stück Lebensqualität zu tun."

Dass eine der Parteien bei dem Streit das Handtuch wirft, erscheint unwahrscheinlich. "Wir wünschen uns einen Baubeginn im Frühjahr", sagt Schütz. "Wir ziehen das jetzt durch."

Fragt man die Bürger, die im Edeka einkaufen, sind die Meinungen geteilt. Jens Gastrock arbeitet in Westerhorn und kauft immer bei Boost. "Wenn der Netto kommt, gehe ich nach Barmstedt", sagt er. "Hier kann ich dann nicht mehr einkaufen, denn vom Netto geht der Markt kaputt." Karen Horn sieht das anders. Sie kommt aus Brande-Hörnerkirchen und würde sich über den Netto freuen. "Wenn der Edeka pleite geht, ist das deren Pech. Außerdem kommen doch noch alle zum Fleischkaufen her."

Ex-Inhaberin Silvia Boost will davon nichts Wissen. "Das passiert nur weil der Bürgermeister uns nicht mag - der kauft nie hier. Dabei gehören wir zu, Dorf, seit mehr als 50 Jahren."