In Jugendbildungstätte diskutieren Landtagskandidaten auf dem Abendblatt-Podium über Internet, Jugendkriminalität und Landleben.

Barmstedt. 120 aufregende Minuten, Schlagabtausch bis zum Schluss und am Ende ein Sieger. In Madrid war das an diesem Abend Bayern München. In Barmstedt überzeugte die meisten Zuhörer Peter Lehnert. Der CDU-Abgeordnete aus Bilsen gewann die Zuschauer-Umfrage der vierten und letzten Kandidatenrunde, zu der die Regionalausgabe des Hamburger Abendblatts in die Jugendbildungsstätte eingeladen hatte. Das lag auch daran, dass einige CDU-Gemeindevertreter im Publikum saßen, während SPD-Widersacherin Johanna Skalski auf sich allein gestellt war, da viele Genossen den Auftritt der Bundes-Troika in Elmshorn (siehe Seite 2) nicht verpassen wollten.

Trotz Champions-League-Halbfinale blieben 100 Bürger lieber live in Barmstedt, um die Diskussion der Direktkandidaten für den Wahlkreis Pinneberg-Nord zu verfolgen.

Mit drei Komplexen konfrontierten die Abendblatt-Redakteure Claudia Eicke-Diekmann und Manfred Augener Lehnert und Skalski sowie Eka von Kalben, Grüne, Udo Radloff, Piraten, Hans-Ewald Mertens, Linke, Uwe Menke, SSW, und Kirstin Funke, FDP. Passend zum Ort waren es Themen, die jungen Menschen betreffen: Soziale Netzwerke, Jugendkriminalität und Anbindung der ländlichen Räume.

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Beim Netzwerken zeigte sich Lehnert nicht auf der Höhe der Zeit. Als einziger der Runde hat er mit Facebook nichts am Hut. "Dazu fehlt mir die Zeit." Offline verfehle der Politiker eine ganze Generation, warnte Simon Schütt vom Jugendring. "Ohne soziale Netzwerke geht es nicht mehr."

Alle anderen haben diese Form der Kommunikation als Chance erkannt, sind aber auch unsicher angesichts der Risiken, die das neue Medium mit sich bringt. Mit 679 Anhängern hat Kirstin Funke die meisten Freunde in der virtuellen Welt. Menke verriet, er netzwerke anonym. "Ich habe Angst vor Missbrauch."

Dass dieses Netzwerk seine Tücken hat, zeigt das Beispiel aus Hasloh. Da lud die CDU über Facebook zum Sommerfest ein und plötzlich wollten Tausende kommen. "Die Bürger waren in Angst und Schrecken", berichtete Parteichefin Dagmar Steiner tapfer, die ungewollt diese Lawine losgetreten hatte und Macht und Ohnmacht der Netzwerke zu spüren bekam.

So kriminell wie oft dargestellt ist die Jugend gar nicht. Tatsächlich sind weniger junge Menschen straffällig als noch vor Jahren, stellte Jugendrichter Tim Feicke dar. "Was uns Ärger macht, sind die fünf bis zehn Prozent Intensivtäter, die gefrustet sind, weil sie drogensüchtig sind, keinen Job, kein Geld und keine Familienanbindung haben."

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Darum sei es so wichtig, dass Kreis und Land weiter Anti-Aggressions-Trainings, Sucht- und Schuldenberatung fördern, sonst steigen diese Zahlen wieder an. Doch das ist Lehnert zu wenig. Der CDU-Politiker fordert den "Warnschuss-Arrest", der kriminelle Jugendliche zur Abschreckung schneller in Haft nimmt. Davon hält Eka von Kalben gar nichts. "Wer erst mal im Knast war, hat es schwer, wieder Fuß zu fassen."

Die Landesregierung habe viel Geld in Schulsozialarbeit gesteckt, sagte Funke. Skalski pochte auf die Vorbildfunktion der Älteren. "Wenn wir es vorleben, ist es die beste Prävention." Mertens gab zu bedenken, dass sich Jugendliche aus sozial schlechteren Verhältnissen benachteiligt fühlten. "Diese ständig erlebte Ungerechtigkeit prägt das Kind. Durch jeden Euro, den wir in soziale Prävention stecken, sparen wir gesellschaftlich doppelt und dreifach."

Gespart werde auf dem Land, sagte Patrick Husfeldt aus Hörnerkirchen. Wenn er mal auf die Piste nach Hamburg will, müsse er schon um 22 Uhr mit dem Zug wieder zurückfahren. Lehnert schlug ihm vor, Fahrgemeinschaften mit seinen Freunden zu bilden. "Aber nicht jeder hat ein Auto", erwiderte Skalski. "Wir müssen Arbeit und Wohnen besser miteinander verknüpfen. Dann läuft der ländliche Raum auch nicht leer."

Dafür müsse der Nahverkehr besser und das Internet schneller werden, waren sich alle Teilnehmer einig. "Die Schiene muss Vorrang vor dem Straßenbau haben, ", fordert von Kalben. "Die Spediteure wollen auf die Schiene. Es fehlen nur die Kapazitäten." 250 Millionen Euro seien in den Ausbau der AKN geflossen, betonte Lehnert. Die Breitbandversorgung würde vom Land "kofinanziert", sagte Funke. "Breitband ist ein Standortvorteil für Familien und Wirtschaft." Nur müsse dies "gleichberechtigt" sein, forderte Mertens. "Die Menschen in der Stadt dürfen nicht besser leben als auf dem Land."