Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück kommen nach Elmshorn - und Landtagskandidatin Beate Raudies kann glänzen.

Elmshorn. Als Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück am Mittwochabend die vollbesetzte EMTV-Halle in Elmshorn betraten, skandierte der SPD-Nachwuchs "Wir wollen den Kanzler sehen". Wen aus dem Trio sie meinten, blieb offen. Und die Bühne gehörte zunächst keinem der drei Herren, sondern einer Elmshornerin - der örtlichen Landtagskandidatin Beate Raudies. "Ich freue mich, dass ihr drei gekommen seid, um mich im Wahlkampf zu unterstützen", leitete sie ihre kurze Rede ein - und hatte die Lacher auf ihrer Seite.

Am Morgen danach sitzt die 45-Jährige wieder an ihrem Schreibtisch im Finanzamt am Tierpark in Hamburg. Einem Arbeitsplatz, dem sie bald adieu sagen könnte - wenn es mit dem Einzug in den Kieler Landtag klappt. Dafür hat Beate Raudies am Mittwochabend eine ganze Menge getan. Auch wenn die 600 Gäste nicht wegen ihr, sondern wegen der Parteiprominenz aus Berlin gekommen sind - ein bisschen hat ihnen die örtliche Kandidatin die Schau stehlen können.

"Ich habe mir lange überlegt, was ich sagen soll", gesteht Beate Raudies, die, wie sie selbst sagt, total aufgeregt war. "Gott sei Dank hatte ich aus Chor und Theater ein bisschen Erfahrung vor größerem Publikum." Sie sprach über Bildung ("Kein Kind sollte die Schule ohne Abschluss verlassen"), über "gute Arbeit, die für eine gute Rente reichen muss". Und über das - von der CDU gewollte, von der SPD abgelehnte - Betreuungsgeld, das Schleswig-Holstein Millionen kosten wird. Auch ihre Vision von ihrem Lieblingsland, in dem es für alle sozial und gerecht zugeht, gab die Kandidatin preis. Ein wenig pathetisch, aber schön anzuhören. Schön anzusehen waren die Babyschuhe in knallrot, mit denen Beate Raudies den Neu-Papa Sigmar Gabriel überraschte.

+++ Die virtuelle Welt macht Politiker ratlos +++

Positiv überrascht war die 45-Jährige darüber, dass sich die drei prominenten Herren völlig zwanglos gaben. "Wir haben 20 Minuten vor Beginn der Veranstaltung im Nebenraum ein Vorgespräch geführt, ich wurde auf Augenhöhe behandelt." Das galt auch für die anderen Landtagskandidaten Thomas Hölck (Wedel) und Kai Vogel (Pinneberg), die ebenfalls zu einem Kurzauftritt auf die Bühne kamen.

Lustig und locker sei es bei der Vorab-Besprechung zugegangen, versichert Beate Raudies. Und die gute Stimmung nahm die SPD-Troika, die gegen 21 Uhr Verstärkung durch den Spitzenkandidaten Torsten Albig erhielt, auf die Bühne mit. "Wir haben uns in die Hand versprochen, dass der nächste Bundeskanzler hier unter uns am Tsch steht", witzelte Albig. Dass er es nicht sein wird, verschwieg der Spitzenkandidat besser. Verschwiegen zeigte sich die Troika auch bei der K-Frage. Immerhin verriet Parteichef Gabriel, dass es im Falle von mehreren Kandidaten für die Kanzlerkandidatur zu einer Mitgliederbefragung kommen werde.

Für viele Fragen aus dem Publikum blieb keine Zeit. Zu erfahren war, dass die SPD im Falle von Wahlsiegen in Schleswig-Holstein und 2013 auf Bundesebene zunächst konsequent auf Schuldenabbau setzen will, bevor der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden kann. Und dass unter einer SPD-geführten Landesregierung die Bezuschussung des Frauenhauses in Wedel wieder aufgenommen werden soll. "Alle Fragen, die wir nicht mehr behandeln können, werden wir inklusive der Antworten ins Netz stellen", versprach Parteichef Gabriel.

Nach Veranstaltungsende stellten sich die vier Spitzenleute geduldig den Autogramm- und Fotowünschen der Elmshorner. Es folgte - nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit - ein Feierabendbier im EMTV-Vereinsheim. "Das war sehr gemütlich", sagt Beate Raudies, die am nächsten Morgen bekennt, sehr wenig geschlafen zu haben, weil sie so aufgewühlt gewesen sei.

Viel Zeit zum Durchpusten hat die Elmshorner Landtagskandidatin nicht. Schon am heutigen Freitag kommt zumindest Albig wieder in die Stadt, um zusammen mit Beate Raudies Werbematerial zu verteilen. Und auch das Fernsehen wird wieder vor Ort sein. Gedreht wird ein Beitrag für die ARD-Sendung "Bericht aus Berlin", die am Sonntag um 18.30 Uhr zu sehen ist. Hauptsächlich wird sich der Beitrag mit dem Besuch der Troika befassen - aber auch die 45-Jährige dürfte eine Rolle spielen. "Das wird kaum zu toppen sein."