Dorf-Bürgermeister im Kreis Pinneberg wehren sich gegen die Zwangsfusionen, wie sie der SSW und wohl auch die Grünen in Schleswig-Holstein planen.

Kreis Pinneberg/Kiel. Die Dorf-Bürgermeister im Kreis Pinneberg sind aufgeschreckt. Die Wahlversprechen der Grünen und des SSW, alle Gemeinden unter 8000 Einwohnern zusammenlegen zu wollen , machen ihnen Angst. Thorsten Rockel, SPD, Bürgermeister in Seestermühe, befürchtet, dass "das ehrenamtliche Engagement auf der Strecke bleiben" wird. Sein Amtskollege aus Bönningstedt, Peter Liske, BWG, warnt griffig vor einem Zusammengehen-Müssen mit der Nachbargemeinde Ellerbek: "Für ein zwangsfusioniertes 'Böllerbek' würde niemand mehr eine Hand heben."

Die CDU in Appen lädt die Bürger für Mittwoch, 18. April, um 19.30 Uhr ins TuS-Sportlerheim ein, um darüber zu diskutieren. Die sieben Bürgermeister des Amtes Moorrege hatten sich bereits in einem Info-Brief an alle Haushalte klar und deutlich gegen derlei Pläne ausgesprochen.

Im Abendblatt-Gespräch hatte die Grünen-Landesvorsitzende Eka von Kalben betont, dass diese Dörfer-Fusionen nur freiwillig sein sollen. Doch die ehrenamtlichen Dorfchefs im Kreis Pinneberg trauen dem Braten nicht. Zum einen steht im Wahlprogramm des SSW, dass der am 6. Mai neu zu wählende Landtag "dafür sorgen (muss), dass alle Kommunen die Mindestgröße von 8000 Einwohnern bis spätestens zum 31. Dezember 2016 erreicht haben."

Das Interview mit Monika Heinold vorige Woche im Abendblatt ist aus Sicht Liskes entlarvend. Darin führt die Grünen-Spitzenkandidatin als ersten Vorschlag an, wie das hoch verschuldete Schleswig-Holstein Geld sparen könnte: "Wir wollen, dass die Ämter auf freiwilliger Basis zu Großgemeinden werden können und das eingesparte Geld den Kommunen zugute kommt."

Wenn dies der wichtigste Einsparfaktor sein soll, könnte es mit der angebotenen Freiwilligkeit nicht weit her sein, schwant ihm Böses. Moorreges Bürgermeister Karl-Heinz Weinberg warnt: "Freiwillig ist immer erst der Anfang." Ist dieser Weg erst eingeschlagen, werde er bald zur bindenden Pflicht erklärt. Dabei hatte Eka von Kalben im Widerspruch zu Monika Heinold betont: "Dies soll kein Sparmodell sein."

Die Bürgermeister werten den Vorstoß von Grünen und SSW als Frontalangriff auf die Eigenständigkeit der kleineren Gemeinden. "Ich mache mir Sorgen um die Identität der Gemeinden", sagt Liske. Die politische und gesellschaftliche Arbeit und auch die der Bürgermeister seien ehrenamtlich. Wer würde sich denn noch für das Gemeinwesen engagieren, wenn das eigene Dorf in einem größeren Verbund, möglicherweise dem Amtsbereich aufgelöst würde, fragen sie sich. "Damit geht die Bindung vor Ort verloren", glaubt Hans-Jürgen Banaschak, CDU. "Je größer wir werden, desto weiter entfernen wir uns von den Bürgern."

Auch der Kummerfelder Bürgermeister Hanns-Joachim Bohland, CDU, will keinesfalls die Eigenständigkeit seiner Gemeinde hergeben. "Wir würden doch automatisch unsere Planungshoheit aufgeben."

Der identitätsstiftende Charakter eines Dorfes, die durch eine eigene Kirche, Schule oder Kindergarten verstärkt werde, würde dem unsinnigen Streben nach Größe geopfert, kritisiert Detlef Goos, FDP, aus Tangstedt. "Jedes Dorf ist doch gewachsen", sagt Ellerhoops Bürgermeisterin Wiebke Uhl, CDU. "Wir verlören unseren sozialen Mittelpunkt."

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Die Bürgermeister widersprechen auch der These, dass sich durch Dörfer-Fusionen Geld einsparen ließe. Im Gegenteil. Die neu zu bildenden Großgemeinden müssten hauptamtliche Bürgermeister einstellen, während sie jetzt alle ehernamtlich arbeiteten.

"Woher wollen Grüne und SSW diese bezahlen?", fragt Liske. Heute sei der Bürgermeister in seiner Gemeinde "tief verwurzelt", während der einer Großgemeinde naturgemäß nicht in allen Dörfern zu Hause sein kann. Auch eine Verwaltung ließe sich nicht einsparen, weil die Dörfer selbst keine eigenen Verwaltungen unterhielten, sondern diese den Ämtern übertragen haben.

Ein besserer Vorschlag wäre es aus Sicht von Goos, die Mindesteinwohnerzahl der Ämter von 8000 Einwohnern auf 20 000 zu erhöhen. Gleichzeitig könnte diesen größeren Verwaltungseinheiten Kompetenzen der Kreisverwaltung wie die Bauaufsicht übertragen werden. "Die Doppel-Zuständigkeiten sind das Übel." Und noch einen Hintergedanken vermutet Liske. Dieser Dorf-Größenwahn ziele auf die Wählergemeinschaften, die in ihren Gemeinden etabliert, aber nicht untereinander vernetzt seien. "In einem zwangsfusionierten 'Böllerbek' gibt es zwar jeweils eine CDU- und eine SPD-Fraktion, aber die Ellerbeker FDP hätte keinen Partner in Bönningstedt und die BWG keinen Partner in Ellerbek. Damit ist klar, gegen wen sich der Vorstoß richtet."