Im Wahlprogramm stehen Anreize für freiwillige Zusammenschlüsse von Dörfern. Die Meinungen der Bürgermeister im Kreis sind unterschiedlich.

Kreis Pinneberg/Kiel. Mit ihrem Vorschlag, aus den elf Landkreisen in Schleswig-Holstein fünf zu machen, hatten die Grünen vor einigen Jahren den weitestgehenden Plan zur Kreis-Reform. Diese Idee hat die Partei erst mal zurückgestellt, wie Landesvorsitzende Eka von Kalben sagt. Dafür wollen sie, sofern sie nach der Landtagswahl mitregieren sollten, Anreize für kleinere Gemeinden schaffen, sich mit anderen Dörfern zusammenzuschließen. "Das muss freiwillig geschehen. Es darf nicht von oben herab bestimmt werden, sondern muss von unten wachsen", sagt die Direktkandidatin für den Wahlkreis-Pinneberg-Nord.

Im Amt Moorrege hat dieser Vorstoß für reichlich Aufregung gesorgt. In einem "Infobrief", den alle sieben Bürgermeister der Amtsgemeinden unterzeichnet haben, wird vor solchen Veränderungen gewarnt. "Das wäre sehr übel", sagt Moorreges Bürgermeister Karl-Heinz Weinberg. "Wir wollen unsere Eigenständigkeit behalten." Auch Bilsens Bürgermeister Rainer Ute Harms ist strikt gegen solche Fusionspläne. "Die 1053 Gemeinden sind ein besonderes Kennzeichen Schleswig-Holsteins. Das abzuschaffen, hieße, die Individualität der Dörfer aufzugeben. Und wir hätten denselben Brei wie in anderen Bundesländern."

Auch glauben die Bürgermeister nicht an das Versprechen, dass dies den Gemeinden nicht aufgezwungen werden soll. "Wehret den Anfängen", warnt Weinberg. "Freiwillig ist immer erst der Anfang, später wird das aufgezwungen." Im Wahlprogramm der Grünen heißt es dazu: "Größere und leistungsfähigere Gemeinden sollen entstehen, aber auf der Basis der Freiwilligkeit und Selbstorganisation. Indem wir Anreize setzen, etwa Fusionsgewinne ganz bei den Kommunen belassen, können wir diesen Prozess unterstützen." Der SSW will sogar bis Ende 2016 landesweit durchsetzen, dass alle Kommunen mindestens 8000 Einwohner haben. Diese Mindestgröße erreichen im Kreis nur zehn der 49 Städte und Gemeinden.

Die Anreize müssten nicht finanzieller Natur sein, auch wenn es einen Topf für "Hochzeitsprämien" gebe, sagt Eka von Kalben. "Dies soll kein Sparmodell sein." Die Effizienzsteigerung könnte auch darin liegen, dass die Kommunalpolitiker wieder mehr Zeit hätten oder Aufträge gemeinsam günstiger vergeben werden könnten.

+++ Höchste Zeit für neue Strukturen +++

Wegen des demografischen Wandels gebe es schon heute vielerorts Kooperationen. So bildete ihr Heimatort Borstel-Hohenraden bereits eine Kirchengemeinde mit Kummerfeld. Sportvereine schließen sich zusammen. Prisdorf und Kummerfeld planen, eine gemeinsame Schule zu bauen. Dieser Bau werde nun von mehreren Unterausschüssen geplant und müsse hinterher von beiden Gemeinderäten abgesegnet werden. Wenn dies gleich eine Gemeindevertretung übernehme, wäre es demokratischer und effektiver, glaubt von Kalben.

Hintergrund dieses Vorschlags ist auch die Diskussion um die neue Amtsordnung. Weil das Landesverfassungsgericht die alte kassiert hat - viele Amtsausschüsse, die nicht wie die Gemeinderäte vom Volk gewählt sind, haben inzwischen verfassungswidrig zu viele Aufgaben von den Gemeinden übernommen - wurde sie gerade vom Landtag reformiert. Künftig dürfen nur noch fünf Aufgaben von der Gemeinde auf die Ämter übertragen werden. Manchen geht dieser Beschluss nicht weit genug. Torneschs Bürgermeister Roland Krügel (CDU) hält an seiner Idee fest, die 85 Ämter im Land komplett aufzulösen und die kleineren Gemeinden künftig von den zentralen Städten verwalten zu lassen. "Das wird höchste Zeit. Unsere Verwaltung in Schleswig-Holstein ist viel zu teuer." Insofern sei das, was die Grünen forderten, "genau mein Reden", sagt Krügel. Allerdings müsste der Anreiz größer sein, als ihn Eka von Kalben darstellt. Wenn das Land den Kommunen im Gegenzug die Schulden abnähme, wäre dies ein lukrativer Impuls.

Den dörflichen Charakter wollten die Grünen den Gemeinden überhaupt nicht wegnähmen, sagt von Kalben. "Das ist die Keimzelle unserer Demokratie, wo sich die Menschen noch gerne engagieren", weiß sie aus der Erfahrung ihres Ortes, wo sich die Bürger gegen den zunehmenden Lkw-Verkehr, einen Schweinestall mitten im Dorf und die geplanten überirdischen Höchstspannungsleitungen mobilisieren. "Das Dorfleben wäre davon überhaupt nicht berührt", ist sie überzeugt. Das sieht Rainer Ute Harms ganz anders. Die Hälfte seiner fast 900-jährigen Geschichte gehörte Bilsen zu Hamburg. "So eine individuelle Geschichte wäre doch für immer verloren."