Der 20 Jahre alte Harry M. konvertierte zum Islam und stellte Videos von Hinrichtungen ins Internet. Urteil: Drei Jahre und drei Monate Haft.

Pinneberg/Schleswig. Harry M. zeigte bei der Urteilsverkündung keine Regung. Der Pinneberger Terrorhelfer muss für drei Jahre und drei Monate hinter Gitter. Der 20-Jährige, der zuletzt in Neumünster lebte, sei der Unterstützung zweier terroristischer Vereinigungen im Ausland schuldig, urteilte das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig. Harry M. hatte die Website "Islamic Hacker Union" betrieben und dort Videos eingestellt, die die Hinrichtung irakischer Polizisten sowie eines Amerikaners zeigten.

Bundesanwalt Christian Monka forderte vier Jahre Haft für den Pinneberger. Die Dauer der Untersuchungshaft solle nicht angerechnet werden. Harry M. habe sich der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland schuldig gemacht, sagte der Ankläger in dem Staatsschutzverfahren. Der 20-Jährige zeige aber kein Zeichen der Reue oder Umkehr.

"Sie sind ein Überzeugungstäter", sagte Monka an den Angeklagten gewandt. Und er sagte weiter: "Das haben wir sehr selten."

Der Verteidiger Andreas Preuss folgte weitgehend der Beurteilung des Staatsanwalts, plädierte aber für eine Haftstrafe von unter vier Jahren sowie eine Anrechnung der Untersuchungshaft. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der Angeklagte Struktur in sein Leben bekommen und etwa im Gefängnis den Hauptschulabschluss nachholen wolle.

Harry M., der sich während des Prozesses ausführlich über seine Weltanschauung und seine Ansichten ausgelassen und offen Terroranschläge wie den auf amerikanische Soldaten in Frankfurt gelobt hatte, blieb in seinem Schlusswort überraschend wortkarg.

Der 20-Jährige sagte lediglich, es sei ihm nicht darum gegangen, Anhänger für terroristische Vereinigungen zu werben. Er bereue, die Videos online gestellt zu haben, weil er damit auch seine Familie mit in die Sache hineingezogen habe.

Ein Gutachter hatte Harry M. während des Verfahrens als "unreife Persönlichkeit" bezeichnet, der seine Rolle im Rampenlicht genieße. In diese Kerbe schlug auch der Vorsitzende Richter Michael Lautebach. "Sie brauchen einen festen Rahmen und einen strukturierten Tagesablauf, um wieder in die Gesellschaft integriert zu werden", hielt er dem Angeklagten vor. All das werde der 20-Jährige in der Jugendvollzugsanstalt erhalten. Angesichts seines bisherigen schulischen und beruflichen Versagens solle Harry M. die Zeit hinter Gitter als Chance ansehen. Eine Anwendung des milderen Jugendstrafrechts sei unabdingbar, da der Angeklagte erhebliche Reifeverzögerungen aufweise.

+++ Islamistische Gewaltvideos vor Gericht gezeigt +++

Der Prozess gegen Harry M. hatte am 22. Februar begonnen. Im Verlauf des Verfahrens hatte er zugegeben, die Mordvideos über die von ihm entwickelte Internetseite "Islamic Hacker Union" verbreitet zu haben. Die Aufnahmen waren auch vor Gericht zu sehen. Laut Staatsanwalt Monka wollte der 20-Jährige damit um Mitglieder und Unterstützer für die terroristischen Vereinigungen "Islamische Bewegung Usbekistan" und "Islamischer Staat Irak" werben beziehungsweise deren Anliegen unterstützen.

Harry M. hat zwei ältere Schwestern und zwei jüngere Halbschwestern, er ist in Pinneberg aufgewachsen. Er besuchte die Grundschule und wechselte auf die damalige Integrierte Gesamtschule in Thesdorf, auf der er bis zur neunten Klasse blieb. Einen Abschluss machte er nicht. Auch ein späterer Versuch, auf der Berufsschule den Hauptschulabschluss nachzuholen, scheiterte. Der heute 20-Jährige wohnte lange Zeit bei seiner Mutter, die er auch 2010 bei ihrem Umzug nach Neumünster begleitete. Zwischenzeitlich lebte er auch bei einer seiner älteren Schwestern und deren Lebenspartner, einem Jordanier. Der führte den Pinneberger in die Lehren des Islam ein.

Harry M. nannte sich fortan Isa Al Khattab, er las acht Stunden täglich im Koran und radikalisierte sich zusehends. Zwischendurch war er immer wieder zu Gast vor dem Amtsgericht Pinneberg. Allein 2007 gab es drei Verfahren gegen ihn - wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Sachbeschädigung sowie Körperverletzung zum Nachteil seiner beiden jüngeren Halbschwestern. Sie endeten mit Arbeitsauflagen. Das letzte Jugendverfahren datiert vom 31. März 2009. Angeklagt war Sachbeschädigung, geahndet wurde dies wiederum mit Arbeitsstunden.

Auf seiner Website hatte Harry M. im Januar 2011 massive Drohungen gegen Wolfgang Seibert, den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Pinneberg, veröffentlicht und prophezeit, dieser werde mit dem Tod bestraft. Seibert war daraufhin unter Polizeischutz gestellt worden. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, eine Moschee in Pinneberg zu schließen, in der laut Verfassungsschutz extremistische Salafisten zusammenkamen. Die Einrichtung wurde später geschlossen, nachdem der Vermieter die Räume in der Innenstadt kündigte.

Wegen der Seibert-Äußerungen ermittelt die Staatsanwaltschaft Kiel gegen Harry M. wegen Bedrohung und Nötigung. Im jetzt abgeschlossenen Gerichtsverfahren spielte diese Sache keine Rolle. Möglicherweise wird das Verfahren in diesen Punkten auch eingestellt. "Ich habe lange nichts mehr von der Staatsanwaltschaft gehört", sagt Seibert. Er habe bisher auch keine Akteneinsicht erhalten.

Das Urteil gegen Harry M. kommentiert der Chef der jüdischen Gemeinde Pinneberg so: "Vielleicht ist das jetzt eine Chance für ihn." Er hoffe, dass Harry M. die Zeit in der Haft nutzt, seinen Schulabschluss nachzumachen und auf den rechten Weg zu finden. Seibert: "Vielleicht machen die da auch ein bisschen Therapie mit ihm."