Prozess vor Amtsgericht Elmshorn um tödlichen Unfall am Bahnhof Dauenhof: Angeklagter Sicherungsposten sagt, er sei falsch informiert worden.

Westerhorn/Elmshorn. Wer trägt die Schuld am Tod von Rolf F.? Diese Frage versucht seit gestern das Amtsgericht Elmshorn zu klären. Der 64-jährige Mann aus Brande-Hörnerkirchen kam am 4. Juni 2010 auf tragische Weise ums Leben, als sein Renault auf dem Bahnübergang Dauenhof bei Westerhorn von einem Regionalexpress erfasst und völlig deformiert wurde. Der Zug entgleiste, der Lokführer erlitt einen Schock, drei der 200 Passagiere wurden leicht verletzt.

Vor Gericht verantworten muss sich Matthias J. aus Rathjensdorf bei Kiel. Der 37-Jährige war zum Unfallzeitpunkt der verantwortliche Bahnübergangsposten. Weil die Schrankenanlage aufgrund von Bauarbeiten bereits seit 55 Tagen außer Betrieb war, hatte der Angeklagte dafür Sorge zu tragen, dass der Übergang vor den Zugdurchfahrten mit einem Flatterband für den Verkehr gesperrt wurde. Matthias J. hielt den Kontakt zum Fahrdienstleiter der Bahn und wies zwei Hilfsposten an, den Übergang zu sperren beziehungsweise freizugeben.

Staatsanwalt Thorsten Schwarzer wirft dem Angeklagten fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung sowie gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr vor. Matthias J. soll laut Anklage den Übergang freigegeben haben, obwohl von den zwei Zügen, die ihm angekündigt worden waren, erst einer den Übergang passiert hatte. "Sie hätten erkennen müssen, dass die Sperrung nicht hätte aufgehoben werden dürfen", hielt Schwarzer dem Angeklagten vor. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Matthias J. ließ zu Prozessbeginn über seinen Anwalt Jan Hinsch-Timm erklären, sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern zu wollen. "Mein Mandant hat ein großes Interesse daran, selber zu erfahren was passiert ist", sagte der Verteidiger.

Das Wort ergriff hingegen Klaus W., einer der Hilfsposten. "Herr J. hat mir per Handzeichen die Durchfahrt von zwei Zügen angezeigt. Wir haben daraufhin den Übergang gesperrt. Es kamen auch zwei Züge, und zwar ein Güterzug aus Richtung Elmshorn und ein Personenzug aus Richtung Wrist, der in Dauenhof hielt." Nach der Durchfahrt beider Züge habe er vom Angeklagten das Signal erhalten, den Übergang wieder freizugeben. Plötzlich, so sagte der 57-Jährige, habe er ein Geräusch gehört. "Ich habe ein Auto auf dem Übergang gesehen, da hat es schon gekracht, die Lok ist mindestens 50 Zentimeter hoch aus den Schienen gesprungen."

Bereits einige Wochen zuvor habe es zwei Vorfälle an dem Bahnübergang gegeben. In einem Fall sei ein Zug viel zu spät gemeldet werden, in einem anderen Fall habe ein nicht angemeldeter Zug den Übergang passiert, ohne dass dieser gesichert worden war.

Auch Mirko W., 34, der zweite Hilfsposten, sprach vor Gericht von einem dritten Zug, der plötzlich und unangekündigt aufgetaucht sei. Dagegen steht die Aussage von Benjamin B., 37, der etwa 400 Meter entfernt auf einem zweiten Bahnübergang - hier waren ebenfalls die Schranken außer Betrieb - als Sicherungsposten eingesetzt war. "Mir wurden zwei Züge angekündigt, ein Personenzug aus Wrist mit Halt in Dauenhof und ein Regionalexpress aus Elmshorn. Es kamen auch nur die beiden Züge." Einen Güterzug habe er nicht gesehen.

Bernd G., 48, war zum Unfallzeitpunkt der zuständige Fahrdienstleiter, der im Stellwerk Elmshorn Dienst tat. "Alles, was auf der Strecke verkehrt, wird weitergemeldet. Ich gebe dem Bahnübergangsposten den Zug und die Zugnummer durch. Wenn der Posten meldet, dass der Übergang gesichert ist, stelle ich das Signal für den Zug auf Fahrt." Und der Angeklagte habe gemeldet, dass für die Durchfahrt des Unglückszuges mit der Nummer RE 21070 der Übergang gesperrt worden sei.

"Der Übergang war nicht gesichert", sagt Fuhrunternehmer Thomas T., 39, aus Brande-Hörnerkirchen. Er befand sich mit seinem Lkw direkt hinter dem späteren Unfallopfer ("Ich kannte Herrn F., er war mein Nachbar"). "Ich sah plötzlich ein Blitzen, dann wurde der Wagen von hinten erfasst und der Zug ist weitergerauscht."

Michael H., 42, war der Zugführer. "Plötzlich stand der Pkw auf dem Gleis. als ich ihn wahrgenommen habe, war ich mit dem Puffer schon drin." Er habe noch eine Schnellbremsung eingeleitet und sei 500 Meter nach dem Unfall zum Stehen gekommen. "Ich durfte an der Stelle mit Tempo 160 fahren und hatte auch annähernd diese Geschwindigkeit erreicht, weil ich eine Verspätung aufholen wollte." Er sei nach dem Unfall acht Wochen krankgeschrieben gewesen. "Noch heute kommt bei mir die Erinnerung durch, wenn ich diese Strecke fahre und den Bahnübergang passiere."

Ob es den dritten Zug tatsächlich gegeben hat, will Richter Jörg Distelmeier am nächsten Prozesstag klären. Am 2. April wird dazu ein weiterer Bahnmitarbeiter gehört. Falls Matthias J. beweisen kann, dass er über die Anzahl der Züge falsch informiert war, wäre auch ein Freispruch möglich.