Unser Dorf: Die 1400-Seelen-Gemeinde im Norden des Kreises wächst stetig und kämpfte erfolgreich gegen den Bau der A 20

Westerhorn. Die Warnsignale am Bahnhof Dauenhof in Westerhorn ertönen. Langsam schließen sich die Schranken an den Gleisen. Ein ICE rast vorbei. In dem 1844 erbauten Bahnhof arbeitet der Schrankenwärter Peter Möller. "Hier können Sie nur aus dem Fenster gucken", sagt Möller. Der 60-Jährige wirkt frustriert. Seit mehr als zehn Jahren sitzt er auf dem Beobachtungsposten. Einzige Aufgabe des Bahnangestellten ist es, Gefahrensituationen zu erkennen und den Schließvorgang der Schranken in Notsituationen zu stoppen.

Die gute Verkehrsanbindung auf der Bahnstrecke Hamburg-Altona-Kiel lockt vor allem junge Familien nach Westerhorn. In den vergangenen 20 Jahren sind fünf Neubaugebiete entstanden. Nicht jedem gefällt das. "Dadurch ist es im Dorf sehr anonym geworden", sagt Oliver Wolff, Leiter des Pflegeheims Westerhorn. Waren es in den 70er- Jahren noch rund 3000 Einwohner, leben heute zirka 1400 Menschen in dem Amtsbezirk. Der gebürtige Lüneburger, der seit 22 Jahren in der Gemeinde lebt und sich dort wohlfühlt, betreut 32 sucht- und demenzkranke Menschen. Das Heim hat einen sehr familiären Charakter. Der 46-jährige kennt die Vita und Schicksale seiner Patienten genau. Allerdings muss er sich eine professionelle Distanz bewahren, um agieren zu können.

Lucas Unger fördert als Mitglied des Vereins Landjugend Hörnerkirchen den Zusammenhalt im Dorf. Der Westerhorner organisiert gemeinsam mit 150 weiteren Mitgliedern unterschiedliche Feste wie Oktoberfest, Weihnachtsdiskothek und Tanz in den Mai für Jugendliche. Die meisten Veranstaltungen werden im Gemeindezentrum Lindenhof organisiert, dem Dreh- und Angelpunkt in Westerhorn. Der derzeitige Pächter des Lindenhofs hat die Lokalität vor sechs Jahren zu einem griechischen Restaurant umgebaut. Viele Einwohner treffen sich hier, um in geselliger Runde ein Glas Wein zu trinken.

Unter den Gästen ist auch das Ehepaar Dequin-Remter. Gemeinsam führen sie in dritter Generation die Verkaufsgärtnerei Dequin-Remter. Von Beet- und Balkonpflanzen über Gemüse- und Topfpflanzen bis hin zu Zierblumen hält das Sortiment eine umfangreiche Auswahl bereit. Stefan Remter fährt achtmal wöchentlich auf unterschiedliche Märkte, um seine Ware zu verkaufen. "Wir haben seit vielen Jahren Stammkunden, die wir noch aus Kindheitstagen kennen. Durch die Zugezogenen läuft das Geschäft noch besser, da der Kundenstamm sich erweitert hat. Allerdings ist das Verhältnis nicht dasselbe wie zu den Alteingesessenen, weil man sich nicht richtig kennt", erzählt Iris Dequin-Remter.

Dem ehrenamtlichen Bürgermeister Bernd Reimers ist es wichtig, dass auch die neuen Bewohner des Dorfes integriert werden und rasch Anschluss finden. "Hier gibt es ein Miteinander. Alle versuchen freundlich zueinander zu sein. Wir möchten neu zugezogene Menschen in den kulturellen Bereich einbinden", sagt Reimers.

Um das ländlich geprägte Dorf gab es in der letzten Zeit viele Diskussionen. Thema war der Bau der Bundesautobahn A 20 durch Westerhorn. Die Planung stieß bei den Dorfbewohnern auf großen Widerstand. "Lebensräume würden zerstört, erhöhte Abgasbelastung und unzumutbare Lärmbelästigung für die Bewohner entstehen", erklärt dazu Reimers. Die Gemeinde erreichte mit ihrem Protest, dass die Bundesautobahn zukünftig 500 Meter an Westerhorn vorbeiführen wird. Auch für den Bürgermeister war der Beschluss eine große Erleichterung. "Es wäre ein starker Eingriff in die Natur", sagt Reimers. Der leidenschaftliche Landwirt ist sehr naturverbunden. Rinderzucht wird bereits in vierter Generation von Familie Reimers betrieben. Sie sind auf die Rasse Rotbunter Schleswig-Holsteiner spezialisiert. Bernd Reimers Lieblingskuh heißt Toronto und ist "das Topmodel unter den Kühen".

Per Karl, Geschäftsführer der E.K.W. Erd- und Straßenbau GmbH & Co. KG waren die Planungen der A 20 auch bekannt. "Das hätte hier niemand gut gefunden", sagt der gelernte Bürokaufmann. Der traditionelle Familienbetrieb erledigt Abbruch-, Erd- und Asphaltierungsarbeiten in zweiter Generation. "Ich gehe in der Arbeit auf. Sie ist mein Leben", sagt der 29-jährige.

Auch Frauke Marx liegt das Wohl der Westerhorner sehr am Herzen. Die 52-jährige ist Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes Ortsverein Hörnerkirchen und seit 17 Jahren Mitglied des DRK. "Ich war schon immer ehrenamtlich engagiert", erzählt Marx stolz. Früher war sie im Landjugendverein Hörnerkirchen tätig. Doch mit dem Alter wollte sie etwas Neues ausprobieren und wechselte zum DRK. Zu den Aufgaben der gelernten Chemielaborantin zählt das Bereitstellen von Blutspenderäumen. Zudem hilft sie, das Sommerfest im Westerhorner Altenheim und den bunten Nachmittag im Lindenhof für Menschen ab 65 Jahren zu organisieren. Und sie fährt von Tür zu Tür, um Kleidung für hilfsbedürftige Menschen zu sammeln. Bei allen Aktivitäten bittet sie um Spenden. "Die Arbeit macht mir Spaß. Das ist gesellig und durch die Vereinsarbeit kennt sich Jung und Alt."

Westerhorn ist trotz gemütlichem Dorfcharakter lebendig und robust. Die Bewohner sind füreinander da, unterstützen sich gegenseitig und zeigen Engagement, wenn es um ihr Dorf geht.