Leere Kassen bei Kommunen: Von den Gewerbesteuern bleibt meist nur ein Drittel. Viele kleine Gemeinden kämpfen ums Überleben.

Kreis Pinneberg. Die Gewerbesteuern sprudeln und werden dieses Jahr mit 42,5 Milliarden Euro ein neues Rekordhoch erreichen, jubelt der Deutsche Städtetag. Ein Trend, den auch die Städte im Kreis Pinneberg bestätigen: Elmshorn nahm 2011 mit mehr als 25 Millionen Euro fast sechs Millionen mehr ein als geplant, Quickborn 2,5 Millionen Euro mehr. In Pinneberg stieg die Steuer um drei auf 13 Millionen Euro. Und Gewerbesteuer-Krösus Wedel stagniert mit 33,2 Millionen Euro auf höchstem Niveau.

Doch geht es den Kommunen wirklich so gut, wie diese Zahlen zu unterstellen scheinen? Das ist nicht der Fall, wie sich herausstellt, wenn man genau hinschaut. Von der Gewerbesteuer bleibt den Kommunen meist nur ein Drittel. Den Rest müssen sie an Kreis und Land weiterreichen. Und viele Dörfer kämpfen ums Überleben.

"Bei uns kommt nichts an", sagt Bönningstedts Bürgermeister Peter Liske. Im Gegenteil: Eine Rückzahlung an einen großen Gewerbesteuerzahler im Ort, die erst jetzt im Februar wirksam wurde, reißt ein Loch von 600 000 Euro in den aktuellen Haushalt der 4400 Einwohner-Gemeinde. Eine Million Euro fehlen im Sieben-Millionen-Euro-Etat. Er fordert: "Die Kommunen brauchen eine konstantere Einnahmequelle, damit wir besser planen können." Dies könnte ein höherer Anteil - zurzeit 15 Prozent - an der Einkommensteuer sein, der ohnehin in den Gemeinden der größte Einnahmeposten ist und die Gewerbesteuern zum Teil weit übertrifft. Schließlich sorgen die Kommunen für die Infrastruktur im Ort, wie Straßen, Schulen, Kindergärten, findet Liske. Thorsten Rockel, Bürgermeister von Seestermühe, schlägt vor, die immer stark schwankende Gewerbesteuer dem Land zu übertragen, das dafür den Kommunen eine feste Größe an Schlüsselzuweisungen zukommen lässt. Sein Dorf ist bei der Gewerbesteuer abhängig von einem Betrieb: "Wenn es dem schlecht geht, weil wieder irgendein Lebensmittel-Skandal bekannt wird, bekommt es das ganze Dorf zu spüren."

Ähnlich abhängig ist Klein Offenseth-Sparrieshoop von dem Wohl und Wehe des größten Betriebes im Ort, sagt Bürgermeisterin Petra Gebhardt. Die Gewerbesteuer schwankte in der 3000-Einwohner-Gemeinde zuletzt zwischen 450 000 Euro 2008 und 1,8 Millionen Euro im Jahr darauf. "Wir pütschern so vor uns hin", sagt sie. "Wir sparen und versuchen, über Wasser zu bleiben."

Mit der ständigen Ungewissheit bei den Steuereinnahmen müssen auch die meisten anderen Gemeinden leben. Selbst Ellerbek, mit 2,2 Millionen Euro Gewerbesteuern in 2011 an der Spitze der amtangehörigen Gemeinden, muss sich strecken, sagt Bürgermeister Günther Hildebrand. Wie Nachbar Bönningstedt erreichte ihn nun die Hiobsbotschaft, dass eine Firma erst jetzt die Bilanz für 2009 abgeschlossen hat und nun 350 000 Euro an Vorauszahlungen erstattet bekommt. "Wir müssen ständig aufpassen, mit unseren Finanzen nicht vorschnell umzugehen, sonst werden unsere gestalterischen Spielräume zu sehr eingeschränkt."

+++ Drei Städte sollen die Steuern erhöhen +++

Es gibt aber auch Dörfer im Kreis, die nichts zu klagen haben. "Wir stehen im Moment gut da", sagt Anke Hympendahl, Finanzausschussvorsitzende in Ellerhoop. "Uns geht's gut", versichert Bilsens Bürgermeister Rainer Ute Harms. "Wir können nicht stöhnen", sagt Hanns-Jürgen Bohland, Bürgermeister von Kummerfeld. Und Bernhard Rösecke, Bürgermeister von Raa-Besenbek, mit 550 Einwohnern sechstkleinste Gemeinde im Kreis, kann sich zurücklehnen "Wir haben eine Million Euro auf der hohen Kante und nehmen jedes Jahr 70 000 Euro an Gewerbesteuern von den Windkraftanlagen ein." In drei Jahren dürften die vier neuen Windkrafträder diese Summer verdoppeln, frohlockt Rösecke.

Eine nachhaltigere Einnahmequelle winkt den Gemeinden, wenn es ihnen gelingt, ihre Einwohnerzahl zu vergrößern oder solvente Bürger anzulocken. So ist der Einkommenssteueranteil in Klein Nordende auf 1,4 Millionen Euro angewachsen, freut sich Bürgermeister Hans-Barthold Schinckel. "Bei uns leben offenbar gut situierte Menschen im Dorf." Davon profitiert auch die Gemeinde Holm, die 2011 eine Viertelmillion Euro mehr Einkommensteuer erhielt, was aber den Rückgang von 400 000 Euro bei der Gewerbesteuer nicht ausgleichen konnte. "Gott sei Dank habe wir Vorsorge getroffen", erklärt Bürgermeister Walter Rißler. Das 800 000 Euro Defizit konnte durch die Rücklage ausgeglichen werden. "Die ist aber jetzt aufgebraucht."

Die Gemeinde Heidgraben geht dafür sogar in Vorleistung, indem sie sich mit einer Million Euro verschuldet, um mit dem Markttreff den Bürgern einen "besseren Tante-Emma-Laden" zu ermöglichen, wie Bürgermeister Udo Tesch sagt. "Man kommt so durch."

Die Gemeinde Appen lebt ohnehin von der Einkommensteuer, die mit 2,3 Millionen Euro fünfmal so hoch wie die Gewerbesteuer ist. "Wir sind ein Handwerkerdorf", sagt Bürgermeister Hans-Joachim Banaschak.

Bürgermeister Liske muss nun sehen, wie er das strukturelle Defizit in Bönningstedt von 600 000 Euro in den Griff kriegen soll. Von der Ausamtung aus dem Amt Pinnau erhofft er sich 150 000 Euro jährliche Einsparung. Die gerade beschlossene Abgabe der kostspieligen Kanalisation an die Hamburger Stadtentwässerung und weitere Gewerbeflächen am nördlichen Ortsrand sollen weitere Entlastung bringen. Von der Idee, an der Steuerschraube zu drehen, hält Liske überhaupt nichts. "Wir können nicht unseren Bürgern in die Tasche greifen, um fremde Haushalte zu sanieren."

Damit spielt er darauf an, dass die Gemeinden einen Großteil ihrer Steuereinnahmen an Kreis und Land abführen müssen. So macht Kämmerin Meike Wölfel die Rechnung auf, dass Quickborn nur etwa 15 bis 30 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen verblieben. 2011 war das sogar für Quickborn ein Nullsummenspiel: Von den 15,5 Millionen Euro musste Quickborn 3,6 Millionen Euro Gewerbesteuerumlage ans und fast zwölf Millionen Euro Umlage an den Kreis zahlen.