Haselauer Feuerwerk-Händler fühlte sich nach Ausreiseverbot vom Auswärtigen Amt im Stich gelassen

Haselau/Peking. Der Haselauer Unternehmer Harald Jürgs ist zurück in Deutschland. Ihm gelang trotz Ausreiseverbots die Flucht aus China über einen Grenzfluss. Drei Monate hatte ihn das Volksgericht in der Provinz Changsha gegen seinen Willen im Land festgehalten. Gegen den Feuerwerk-Händler war Mitte März, am Tag seiner Anreise, Klage von einem ehemaligen Geschäftspartner erhoben worden.

"Die wollten Druck machen und sind vom Staat dabei unterstützt worden", klagt Harald Jürgs, der seit 1994 regelmäßig in China Feuerwerk einkauft, auch von der Firma Shenzhen Union Trading. Die hatte 2006 Feuerwerkskörper zum Preis von etwa 680 000 Euro nach Haselau geliefert. Doch laut Gutachter sei die Ware mangelhaft gewesen. Die deutsche Firma, die zu 51 Prozent einem anderen chinesischen Unternehmen gehörte, geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte 2008 nicht mehr zahlen.

Seitdem läuft das Insolvenzverfahren in Deutschland. Bislang kann Shenzen davon ausgehen, mindestens 150 000 Euro aus der Insolvenzmasse zu erhalten. Doch die Chinesen wollten alles, verklagten Jürgs privat. Dank eines neuen Gesetzes erreichten die Kläger, dass der Deutsche ein Ausreiseverbot erhielt. "Die haben politisch großen Einfluss", sagt Jürgs. Nach Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" ist Firmenchef Huang Jianxiong politischer Berater der Lokalregierung in Changsha Nachbarstadt Liuyang.

Anfangs ging Jürgs, der 2008 die Reste des Unternehmens Diamond Feuerwerk aufkaufte und unter dem gleichen Namen allein weiterführt, davon aus, dass alles nach Recht und Ordnung zu klären ist. Doch die Richter zögerten das Verfahren hinaus. "Die wollten mich mürbe machen", erzählt der Deutsche. "Ich habe dort andere getroffen, die in ähnlichen Fällen gezahlt haben, um sich wieder frei zu bewegen."

Jürgs blieb standhaft - ohne Unterstützung der deutschen Botschaft. Über den Empfang des Konsulats sei er nicht hinaus gekommen, erzählt der Haselauer. Stattdessen überreichte ihm ein Mitarbeiter eine mehrseitige Liste von möglichen Anwälten. Das sei ein privates Verfahren, da dürfe die Botschaft nicht handeln, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. "Ich bin enttäuscht von der Bundesregierung, fühle mich im Stich gelassen", sagt der Deutsche.

Zum Glück gab es andere, die Jürgs unterstützten. "Dank meiner Freunde und Partner konnte ich einigermaßen gut überleben. Wenn die nicht gewesen wären, weiß ich nicht, was ich gemacht hätte", sagt Jürgs. Einige machten ihm im kleinen Appartement Platz. Andere sorgten dafür, dass er China auf ungewöhnlichem Weg verlassen konnte.

"Ich hatte mich extra rasiert, klein gemacht und mein Gesicht mit Sonnenbrille und unterm Käppi versteckt, aber doch haben mich alle sofort als Ausländer erkannt", schildert Jürgs seine Flucht. In einem alten Kahn, der wie Hunderte andere täglich auf dem Grenzfluss pendelt, um Menschen und Waren zu transportieren, ließ er sich ins Nachbarland bringen. Wo genau, will er nicht verraten, um seine Unterstützer nicht in Schwierigkeiten zu bringen.

Für die Flucht hatte sich Jürgs einen neuen Reisepass schicken lassen. Sogar das Visum hatte ihm seine Tochter Jessica in Deutschland besorgt. Nur der Einreisestempel im chinesischen Nachbarland fehlte. "Da ich nicht gut lügen kann, habe ich den Beamten in der Emigrationsstelle am Flughafen erzählt, dass chinesische Freunde mich vor einer Rückkehr nach Deutschland zum Besuch des Nachbarlandes überredet und mit dem Schiff über die Grenze gefahren hatten", berichtet Jürgs.

"Die Beamten waren sehr skeptisch, haben gefragt und geprüft", erinnert sich Jürgs an die entscheidenden Minuten, die er wie Stunden empfand. Kurz vor dem Abflug klang das Klack-Klack des Ausreisestempels wie Musik in seinen Ohren. "Aber erst als das Flugzeug abhob, fiel die ganze Anspannung von mir ab", sagt der Haselauer. Über Paris ging es nach Hamburg, wo ihn Familie und Freunde empfingen.

"Körperlich habe ich mich durch Jogging und Training im Fitness-Studio fit gehalten", erzählt Harald Jürgs. Aber an der Psyche hat die Ungewissheit genagt. "Ich dachte, ich müsste bis an mein Lebensende in China bleiben."

Eines steht für ihn fest. Das geliebte Land will er nie wieder betreten. Doch das Verfahren in China will er zu Ende bringen. Die Anwaltskosten dafür - bislang 25 000 Euro, will er sich zurückholen, und zwar von den Klägern.