Harald Jürgs darf wegen Altschulden der ehemaligen Feuerwerks-Firma nicht ausreisen

Haselau/Peking. Seit 1994 reist Harald Jürgs regelmäßig nach China. Bislang war der Geschäftsmann aus Haselau in dem asiatischen Reich ein gern gesehener Gast, denn er kauft dort ein, und zwar Feuerwerkskörper für Silvester. Doch seit Mitte März gilt diese Freundschaft gegenüber einem langjährigen Partner nicht mehr: Der Deutsche ist angeklagt. Er soll persönlich für Schulden in Höhe von 600 000 Euro haften, die ein früheres Unternehmen gemacht hat, in dem Jürgs Minderheitsgesellschafter war. Aufgrund des Verfahrens hat ein Richter verfügt, dass der 54-Jährige nicht ausreisen darf - in Deutschland undenkbar.

Am 12. März war Jürgs nach China geflogen, um die nächsten Verträge für die Lieferung von Feuerwerk abzuschließen. Auch die Firma Shenzen Union Trading gehörte zu den Zielen. Doch deren Chefs verfolgten ganz andere Ziele. Als der Unternehmer am Abend mit seiner Tochter im Hotel ankam, warteten dort bereits Polizei und Sicherheitsbeamte auf ihn: Sie überreichten ihm eine Zivilklageschrift.

Sofort nach dem Ausreiseverbot flüchtet die Tochter nach Deutschland

Drei Tage später schoben die gleichen Herren noch ein Schreiben nach: Der Deutsche darf das Land wegen des Verfahrens nicht verlassen. Nur wenige Stunden später flog die Tochter außer Landes - aus Sicherheitsgründen. Jessica Jürgs, 28, versucht seitdem von Zuhause aus, ihrem Vater zu helfen. Doch die chinesischen Richter lassen sich viel Zeit. Vor dem ersten Anhörungstermin am 7. Juli in Changsha wird sich wahrscheinlich nichts bewegen. "Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun soll", sagt die junge Frau.

Von der deutschen Auslandsvertretung gab es bislang wenig Unterstützung. "Wir haben uns sofort mit der Botschaft in Peking in Verbindung gesetzt", erzählt Jürgs am Telefon. Doch über die Pforte der Botschaft kam er nicht hinaus. Dort erhielt er eine Liste mit deutschen Rechtsanwälten, die in China tätig sind.

Drei Juristen sind mittlerweile in das Verfahren eingebunden. Doch auch sie haben wenig Hoffnung, den Deutschen vorzeitig wieder nach Hause bringen zu können. Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen, um ihre Arbeit im Land nicht zu schweren. "Ich darf mich frei in China bewegen, wohne zurzeit bei Bekannten", berichtet Jürgs. Die Freunde stehen ihm auch auf der Straße zur Seite. "Es ist immer jemand bei ihm, der die chinesische Sprache beherrscht", sagt die Tochter. Sie hat Angst und vermutet, dass der politische Einfluss der klagenden Firma die chinesischen Richter zu dem in Deutschland ungesetzlichen Handeln bewegt hat.

"So einen Fall haben wir noch nie erlebt", heißt es aus der Pinneberger Kanzlei von Mallick und Reski. Boris Reski ist der Insolvenzverwalter für die ehemalige Firma Diamond Feuerwerk, die im Pinneberger Handelsregister unter der Nummer 6594 eingetragen ist. Nach Angaben aus dem Büro hatte Jürgs als Geschäftsführer und Anteilseigner von 49 Prozent dieser Firma im Januar 2008 Insolvenz beantragt. Die Gesellschaftsmehrheit hielt bis dahin ein weiteres chinesisches Unternehmen.

Harald Jürgs hat legal im Sommer 2008 alle Vermögensgegenstände der insolventen Firma aufgekauft einschließlich der Namensrechte und unter dem gleichen Namen eine neue Firma angemeldet, die ihm jetzt allein gehört. Sie ist im Handelsregister unter der Nummer 107086 eingetragen.

Das Problem: Das Insolvenzverfahren läuft noch. Die Forderungen der klagenden chinesischen Firma sind laut Insolvenzverwalter anerkannt und werden zumindest anteilig im Verhältnis mit den anderen Gläubigern ausgeglichen. Doch sind noch nicht alle Außenstände der alten Firma eingetrieben, sodass die zur Verfügung stehenden Gelder noch nicht ausgezahlt sind.

Jetzt haben die Kläger mit Unterstützung der chinesischen Gerichte den Druck erhöht. Wenn der Deutsche 600 000 Euro hinterlegt, also die Komplettforderung - darf er sogar vorzeitig in die Heimat zurückreisen. Doch über dieses Geld verfügt die Familie nicht. So bleibt Jürgs das "Faustpfand" in China.