Stellvertretende Landrätin sieht Würde der deutschen Frau in einem Video verunglimpft - und provoziert fremdenfeindliche Zwischenrufe.

Die Mienen der Diskussionsteilnehmer in der Drostei reichten von Erstaunen über Beschämung bis Entsetzen. Der deutsch-türkischen Journalistin Ferda Ataman aus Berlin stockte als Moderatorin der Gesprächsrunde zeitweise sichtlich der Atem. Nicht wegen des Meinungsaustausches auf dem Podium, vielmehr wegen diverser fremdenfeindlicher Beiträge aus dem Pinneberger Publikum.

Eigentlich ging es am sonnigen Sonntagnachmittag um das Thema "Kunst polarisiert: Das Bild der Frau in der Türkei und Mitteleuropa". Die eben zu Ende gegangene Ausstellung "Made in Turkey" in der Drostei war der Anlass für das Podiumsgespräch zwischen Anna-Ilse Wehner von der SPD-Kreistagsfraktion, Ausstellungskuratorin Heike Stockhaus von der Ernst Barlach Gesellschaft, der Deutsch-Türkin Munise Demirel von der Kulturbehörde Hamburg und Tevfik Turan, türkischer Germanist und Lektor an der Uni Hamburg.

Fünf Wochen war die Schau zur zeitgenössischen türkischen Kunst in den Räumen der Landdrostei zu sehen gewesen. Gleich zu Beginn der europaweit bisher einmaligen Präsentation hatte ein einziges Werk der Präsentation eine Debatte ausgelöst: Die Videoinstallation "Pompa" des türkischen Künstlers Extramücadeles. Anna-Ilse Wehner hatte sich in einem veröffentlichten Brief an Landrat und Kreispräsident über pornografische Tendenzen beschwert und festgestellt, dass die Darstellung einer an einem Benzinzapfhahn nuckelnden, leicht bekleideten Blondine die Würde der deutschen Frau verletze. Die stellvertretende Landrätin entfachte vor allem mit der Formulierung: "Warum ist es nicht eine dunkelhaarige Orientalin oder ein junger Mann?" einen Streit: Darüber, ob türkische Männer westeuropäische Frauen verachten und ob Extramücadeles Kunstwerk diese Verachtung, gefördert mit öffentlichen Geldern des Kreises, unterstreicht. Die Ansichten Wehners und besonders die Begriffe "deutsche Frau" und "dunkelhaarige Orientalin" spaltete das Publikum, das sich schnell in die Diskussion einschaltete. Versuche der Moderatorin, das Gespräch zurück zur Kunst zu führen, schlugen fehl. "Viele türkische junge Männer benehmen sich schlecht gegenüber deutschen Frauen", lautete ein Statement der stellvertretenden Landrätin, das von einzelnen Gästen gerne als Anlass für rassistische Äußerungen wie "Die Türken wollen sich nicht integrieren, aber sie kosten viel Geld" genommen wurde. Heike Stockhaus wäre daraufhin "am liebsten vor Scham im Boden versunken." Munise Demirel, in der Türkei geboren und in Deutschland aufgewachsen, bewertete Wehners Meinung als erschreckend. Man könne sich jederzeit willkürlich irgendeine Gruppe Menschen aus der Gesellschaft rauspicken, die sich irgendwem gegenüber schlecht benähmen. Tevfik Turan unterstellte der Kreispolitikerin, dass sie sich nicht beklagt hätte, wenn ein deutscher Künstler die blonde Frau in Szene gesetzt hätte. Der Germanist bekam Rückendeckung von Zuhörerin Ulrike Berg-Weichert vom Pinneberger Frauennetzwerk: "Ich bin erschüttert, dass es hier nur um die Würde der deutschen Frau geht. Frau ist Frau."

Drostei-Geschäftsführer Stefan Dupke zog eine positive Bilanz aus der Ausstellung: 400 Gästen haben die Kunst-Schau gesehen. "Das ist sehr viel für Pinneberg." Die Ausstellung habe über den Skandal hinaus für interkulturelle Kommunikation gesorgt. "Ich habe Gruppen junger türkischer Leute durch die Ausstellung geführt, die sonst nie in die Drostei gefunden hätten."